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07.09.2022

17:49

Banken-Gipfel 2022

Bankchefs fürchten Inflation und Krisen – und sind uneinig bei der EZB-Geldpolitik

Von: Andreas Kröner, Michael Maisch, Dennis Schwarz

In der Finanzbranche nimmt die Sorge vor einer Rezession in Deutschland weiter zu. Dennoch schätzen die Bank-Chefs die Lage sehr unterschiedlich ein.

Auf dem Handelsblatt-Bankengipfel werden die großen Fragen der Branche erörtert.

Frankfurt

Auf dem Handelsblatt-Bankengipfel werden die großen Fragen der Branche erörtert.

Frankfurt Die aktuelle Bedrohungslage aus Inflation, Rezessionsfurcht und steigenden Leitzinsen spaltet die Top-Banker. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing fordert angesichts der hohen Inflation ein entschlossenes Gegensteuern der Geldpolitik.

Am Donnerstag steht eine historische Sitzung der Europäischen Zentralbank an. Die Märkte erwarten, dass die Notenbank im Kampf gegen die Teuerung eine Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte wagen wird. Es wäre der größte Schritt in der Geschichte der Zentralbank.

Sewing geht zwar davon aus, dass die deutsche Wirtschaft genug Widerstandskraft besitzt, um die zu erwartende Rezession zu bewältigen. „Aber das bedingt, dass die Zentralbanken jetzt schnell und entschlossen handeln“, betont er auf dem Banken-Gipfel des Handelsblatt.

Unicredit-Chef: Leitzins sollte sich bei zwei Prozent einpendeln

Allerdings sehen längst nicht alle Top-Banker die Aufgabe der Geldpolitik so wie der Deutsche-Bank-Chef. Widerspruch kommt von Andrea Orcel, dem Vorstandschef der italienischen Großbank Unicredit, der die kommende EZB-Sitzung mit Sorge sieht. „Natürlich ist Inflationsbekämpfung absolut entscheidend“, meint der 59-Jährige. „Allerdings haben wir auch ein sehr fragiles wirtschaftliches Umfeld.“

Für ihn gehe die Debatte nicht darum, ob die Zentralbank die Zinsen um 50 oder 75 Basispunkte anhebt. „Die Frage ist, wie es danach weitergehen soll“, betont Orcel. Er erwartet, dass sich der Leitzins in der Währungsunion bei etwa zwei Prozent einpendeln wird. „Wenn die EZB noch viel weiter geht, könnte das schädliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben“, warnt der Unicredit-Chef.

Für den Unicredit-Chef ist es wichtig, wie es nach einer kommenden Zinserhöhung der EZB langfristig weitergehen soll. Marc-Steffen Unger für Handelsblatt

Unicredit-Chef Andrea Orcel

Für den Unicredit-Chef ist es wichtig, wie es nach einer kommenden Zinserhöhung der EZB langfristig weitergehen soll.

In einem Punkt sind sich Sewing und Orcel allerdings einig: Beide halten eine Rezession für unausweichlich, auch wenn die Wirtschaft in der Euro-Zone im Frühjahr etwas stärker gewachsen ist als bisher angenommen.

Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen April und Juni um 0,8 Prozent zum Vorquartal. Ausgehend von den derzeitigen Indikatoren glaubt Orcel an eine eher flache Rezession im kommenden Jahr und eine schnelle Erholung der Wirtschaft in 2024.

So berichtet das Handelsblatt vom Banken-Gipfel 2022:

Italien zählt zu den am höchsten verschuldeten Ländern in der Euro-Zone. Zuletzt lag die Staatsverschuldung bei 151 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Außerdem steht das Land vor einer turbulenten Parlamentswahl am 25. September, bei der sich eine rechte Mehrheit abzeichnet.

In der Folge stiegen die Risikoaufschläge italienischer Staatsbonds gegenüber Bundesanleihen innerhalb von zwölf Monaten von rund 1,1 Prozentpunkten auf über 2,3 Prozentpunkte. Trotz dieser Entwicklung hält Orcel die Angst vor einer Neuauflage der europäischen Staatsschuldenkrise für übertrieben.

Jede neue italienische Regierung werde die von Noch-Premier Mario Draghi begonnenen Reformen respektieren. „Die Reformen und der Corona-Wiederaufbaufonds werden weiter umgesetzt werden“, ist der Banker überzeugt. Es hingen zu viele Investitionen daran, rund 200 Milliarden Euro. „Das wird keine Regierung entgleisen lassen.“

Im Euro-Raum kletterte die Inflation im August, getrieben von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen, auf die Rekordhöhe von 9,1 Prozent. Ökonomen rechnen mit einem weiteren Anstieg in den nächsten Monaten in den zweistelligen Bereich. In Deutschland ist die jährliche Teuerungsrate im August auf 7,9 Prozent gestiegen.

Nach Einschätzung von Lutz Diederichs, Deutschland-Chef der französischen Großbank BNP, bleibt der EZB und der US-Notenbank Fed gar nichts anderes übrig, als die Geldpolitik deutlich zu verschärfen, auch wenn der Preis dafür eine Rezession ist. „Wir müssen dem Geld seinen Wert zurückgeben“, betont der Banker. Das werde allerdings dauern.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing im Austausch mit Sebastian Matthes, Chefredakteur des Handelsblatts.

Abseits der Bühne

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing im Austausch mit Sebastian Matthes, Chefredakteur des Handelsblatts.

Diederichs geht davon aus, dass die Teuerung erst 2024 oder sogar erst 2025 zurück in Richtung des Zielwerts der Notenbanken von um die zwei Prozent fallen wird. Angesichts dieses Szenarios geht Diederichs davon aus, dass die Turbulenzen an den Aktienbörsen weiter anhalten werden: „Die Märkte werden schwierig bleiben, wie lange, kann ich nicht sagen.“

Seit die Fed und die EZB beim traditionellen Jahrestreffen der internationalen Notenbanker in Jackson Hole Ende August klargemacht haben, dass sie bei der Bekämpfung der Inflation keine Kompromisse machen werden, sind die Börsen noch einmal deutlich unter Druck geraten. Der US-Leitindex S&P 500 verlor seither mehr als sechs Prozent an Wert, und in Deutschland sackte der Leitindex Dax um rund fünf Prozent ab.

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