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07.09.2022

10:54

Banken-Gipfel 2022

„Erhebliches Risiko für Deutschland“ – Deutsche Bank-Chef wirbt für mehr Unabhängigkeit von China

Von: Yasmin Osman, Andreas Kröner

Christian Sewing hält die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China für „ein erhebliches Risiko“. Eine Rezession in Deutschland ist aus seiner Sicht unvermeidlich.

Der Chef der Deutschen Bank sagte auf dem Banken-Gipfel des Handelsblatts, die deutsche Wirtschaft besitze genug Widerstandskraft, um die Rezession zu bewältigen. Marc-Steffen Unger für Handelsblatt

Christian Sewing

Der Chef der Deutschen Bank sagte auf dem Banken-Gipfel des Handelsblatts, die deutsche Wirtschaft besitze genug Widerstandskraft, um die Rezession zu bewältigen.

Frankfurt Die Deutsche Bank fordert von der deutschen Wirtschaft ein Umdenken im Umgang mit China. Es reiche nicht, wenn sich Europa angesichts des Ukrainekriegs unabhängiger von Rohstoff- und Energieimporten aus Russland mache, sagte Vorstandschef Christian Sewing am Mittwoch auf dem Bankengipfel des Handelsblatts in Frankfurt.

„Wenn es um Abhängigkeiten geht, müssen wir uns auch der unbequemen Frage stellen, wie wir mit China umgehen“, forderte Sewing. „Die zunehmende Abschottung des Landes und die wachsenden Spannungen, insbesondere mit den USA, bergen für Deutschland ein erhebliches Risiko.“

Man dürfe zwar nicht den Fehler machen, China und Russland zu vergleichen, sagte Sewing. Aber als Unternehmer und Risikomanager sei es nun das Gebot der Stunde, sich anzusehen, wie man die Abhängigkeit von China über die nächsten Jahre verringern könne.

„Natürlich machen wir das für uns auch“, betonte Sewing. Bei der Deutschen Bank sei die direkte Abhängigkeit von China zwar deutlich geringer als bei den meisten anderen Dax-Unternehmen. Wegen der großen Abhängigkeit vieler Kunden von China sei die Deutsche Bank von dem Thema indirekt jedoch auch stark betroffen.

Der russische Angriff auf die Ukraine und der Gaslieferstopp nach Deutschland haben aus Sicht von Sewing gezeigt, wie gefährlich es ist, von einzelnen Ländern und Regionen zu stark abhängig zu sein. Im Moment stünden deshalb „vollkommen zu Recht“ Bemühungen im Mittelpunkt, unabhängig von Energieimporten aus Russland zu werden.

„Wir müssen alles tun, damit unsere Autos, Heizungen und Fabriken nicht nur dann laufen, wenn uns ein Autokrat im Kreml gewogen bleibt“, sagte Sewing. „Aber damit ist es nicht getan.“

Sewing fordert „fundamentalen Wandel“

Der Deutsche-Bank-Chef machte deutlich, dass es kompliziert sein wird, sich von China unabhängiger zu machen. „China ist ein Eckpfeiler unserer Wirtschaft.“ Das Land nehme acht Prozent der deutschen Exporte ab und stelle zwölf Prozent der deutschen Importe.

Mehr als ein Zehntel der Umsätze aller Dax-Konzerne kämen aus China. „Diese Abhängigkeit zu verringern, wird einen mindestens ebenso fundamentalen Wandel erfordern wie die Entkoppelung von russischer Energie“, sagte der Deutsche-Bank-Chef.

Das Institut hatte im Mai eine Studie veröffentlicht, in der es auf die Rohstoffabhängigkeit Deutschlands und anderer europäischer Volkswirtschaften verwiesen hatte. Vor diesem Hintergrund hatte es neue Bezugsquellen, mehr Recycling sowie strategische Reserven für wichtige Rohstoffe gefordert. 

Im April hatte Sewing in einem Pressegespräch des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), dessen Präsident er derzeit ist, die Abhängigkeit von China schon einmal thematisiert. Damals sagte er, deutsche Unternehmen würden sich ihre Lieferketten mit Blick auf diese Abhängigkeit genau ansehen.

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Deutsche Bank erwartet mehr Insolvenzen

Die konjunkturelle Lage beurteilte Sewing mit Blick auf die Störungen in den Lieferketten, den Arbeitskräftemangel und die hohen Energiepreise kritisch. Aufgrund dieser Faktoren seien die Inflationsraten in die Höhe geschnellt. „Eine Rezession in Deutschland wird in der Folge nicht mehr abzuwenden sein.“

Noch könnten viele Menschen auf ihr Erspartes zurückgreifen, um mit höheren Preisen fertig zu werden, und noch seien viele Unternehmen ausreichend finanziert, sagte der Deutsche-Bank-Chef. „Aber je länger die Inflation hoch bleibt, desto größer werden die Schmerzen und der soziale Zündstoff.“

Die Wirtschaft besitze zwar genug Widerstandskraft, um die zu erwartende Rezession gut zu bewältigen. „Aber das bedingt, dass die Zentralbanken jetzt schnell und radikal handeln.“ Damit sprach sich der Deutsche-Bank-Chef einen Tag vor einer wichtigen Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) indirekt für eine deutliche Anhebung des Leitzinses aus.

So berichtet das Handelsblatt vom Banken-Gipfel 2022:

„Wir müssen uns dauerhaft auf hohe Inflation einstellen“, sagte Sewing. Er geht davon aus, dass die EZB ihrem Inflationsziel von rund zwei Prozent erst im zweiten Halbjahr 2024 wieder nahekommt. Das bedeutet, dass die Lage für die Wirtschaft auch 2023 sehr herausfordernd bleibe.

Bereits 2022 stellt sich Sewing auf steigende Insolvenzzahlen ein. „Wir werden auch sicherlich dieses Jahr höhere Kreditausfälle sehen – aber alles in einem Rahmen, der aus meiner Sicht gut verkraftbar ist.“

Nach einem starken ersten Halbjahr spüre die Deutsche Bank bereits mehr Gegenwind. „Es ist schwieriger geworden vor dem Hintergrund des kommenden Winters und der Gesamtsituation.“

Bereits Ende Juli hatte die Deutsche Bank gewarnt, dass sie angesichts des eingetrübten operativen Umfelds die Gefahr sieht, ihr Ziel einer Rendite von acht Prozent auf das materielle Eigenkapital 2022 zu verfehlen. Auch Analysten gehen im Schnitt davon aus, dass Sewing das wichtigste Ziel, das er zu Beginn des Umbaus der Deutschen Bank im Sommer 2019 ausgegeben hatte, nicht erreichen wird.

Kommentare (5)

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07.09.2022, 10:00 Uhr

„Die zunehmende Abschottung des Landes und die wachsenden Spannungen, insbesondere mit den USA, bergen für Deutschland ein erhebliches Risiko“, so Sewing. Europa habe erlebt, wie gefährlich es sei, „wenn wir uns zu sehr abhängig machen von einzelnen Ländern oder Regionen“, führte der Manager aus. Dann aber sollte man doch um Himmels willen nicht die Abhängigkeit einfach austauschen. Embargos verringern nicht die Abhängigkeit.

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