Der Chef der Deutschen Bank über Verwerfungen bei der Globalisierung, die Dominanz der Investmentbanker und Chancen auf eine Dividende.
Christian Sewing
Der Chef der Deutschen Bank will auch am Ziel festhalten, ab 2022 wieder Dividenden zu zahlen.
Frankfurt Christian Sewing war in diesem Jahr von London aus zum Banken-Gipfel des Handelsblatts zugeschaltet. Eine Spätfolge der Coronakrise, aber der Chef der Deutschen Bank sieht gute Chancen, dass „wir uns Schritt für Schritt aus der Pandemie befreien“.
Herr Sewing, auf dem Banken-Gipfel vor einem Jahr haben Sie vor der Gefahr gewarnt, dass die enormen staatlichen Corona-Hilfen zu einer Flut von „Zombie-Unternehmen“ führen werden. Wie sehen Sie die Lage heute?
Ich hatte damals gesagt, dass die Hilfen der Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen waren, wir aus diesen Maßnahmen aber auch wieder herauswachsen müssen. Unsere Wirtschaft kann nicht von einer dauerhaften Subventionierung leben. Seither sind die richtigen Schritte eingeleitet worden: Wir konzentrieren uns wieder auf private Investitionen und auf die Soziale Marktwirtschaft.
Also geben Sie Entwarnung?
Glücklicherweise hat sich die Weltwirtschaft schneller erholt, als viele es erwartet haben. Wir werden in vielen Branchen das Vorkrisenniveau wahrscheinlich schon Ende 2021 wieder erreichen. Dank der staatlichen Hilfen, aber auch dank der Stärke der Unternehmen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir keine Kreditkrise erleben werden, sondern uns weiter Schritt für Schritt aus der Pandemie befreien.
Kommen wir von den Zombie-Unternehmen zu den Banken. Die Konsolidierung in Europa ist nach Ihrer Meinung überfällig. Was heißt das für die Deutsche Bank?
Zunächst einmal konzentrieren wir uns darauf, das zu liefern, was wir versprochen haben: Wir treiben unsere Transformation voran und lassen uns nicht von den Zielen ablenken, die wir uns vorgenommen haben. Wenn wir unser Ziel einer Rendite auf das materielle Eigenkapital von acht Prozent bis Ende 2022 erreichen, dann haben wir die Größe und die Stärke, um uns auf Augenhöhe mit dem Thema Konsolidierung beschäftigen zu können. Die beste Vorbereitung auf den nächsten Schritt ist, selbst fit zu sein, und wir werden von Quartal zu Quartal fitter.
Das heißt, Sie werden künftig auch wieder eine Dividende zahlen?
Wir halten an unserem Ziel fest, ab 2022 Kapital an die Investoren zurückzugeben. Das kann über verschiedene Instrumente erfolgen. Sollten sich unsere Geschäfte weiter so positiv entwickeln wie in den ersten beiden Quartalen – und Sie sehen mich hier zuversichtlich –, dann bin ich überzeugt, dass wir eine Dividende für das Jahr 2021 vorschlagen können.
Eigentlich sollte nach dem Umbau die Unternehmensbank das Herz der Deutschen Bank sein, jetzt verdienen vor allem die Investmentbanker das Geld.
Haben Sie das klassische Bankgeschäft überschätzt?
Nein, überhaupt nicht. Die drei Bereiche, die wir als stabilere Geschäftsfelder bezeichnen, Privatkunden, Unternehmen und Vermögensverwaltung, haben sich wie geplant entwickelt, teilweise sogar deutlich besser. Und im Investmentbanking ist genau das eingetreten, was wir uns erhofft haben: In den Bereichen, auf die wir uns konzentriert haben – Währungsgeschäft, Beratungs- und Finanzierungsgeschäft und Zinsgeschäft –, sind wir sehr erfolgreich unterwegs. Die Deutsche Bank ist ein globales Finanzierungshaus. Wir schneiden besser ab als geplant, ohne dass wir dafür mehr Kapital als vorgesehen einsetzen.
Am Donnerstag wird Bundesfinanzminister Olaf Scholz auf dem Banken-Gipfel auftreten. Welche Wünsche an die Politik haben Sie?
Beim grundsätzlichen Ziel, die Banken- und Kapitalmarktunion zu vollenden, sind wir auf einer Linie. Und ich glaube, dass der Bundesfinanzminister auch im Blick hat, dass wir bei einigen Regulierungsthemen wie den unter dem Stichwort „Basel IV“ bekannten Eigenkapitalregeln noch mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der deutschen und europäischen Wirtschaft nehmen müssen.
Kurz vor der Bundestagswahl: Wie groß ist Ihre Angst vor einem Linksruck?
Es geht mir nicht um die Frage eines Linksrucks, sondern darum, dass wir die richtige Wirtschafts- und Finanzagenda für die nächsten zehn Jahre in Europa setzen. Wir sind an einem sehr kritischen Punkt. In Deutschland haben wir eine goldene Dekade erlebt, vor allem weil wir als Exportland vom Wachstum in China und in den übrigen asiatischen Märkten profitiert haben. Diese Globalisierung wird sich fortsetzen, aber die Lieferketten werden sich verändern.
Was bedeutet das für unsere Wirtschaft?
Wir müssen unseren Heimatmarkt in Europa dringend weiterentwickeln, und dieser Punkt kommt im Wahlkampf deutlich zu wenig vor. Wir brauchen eine Strategie, bei der der Mittelstand und die großen Unternehmen nicht belastet werden, sondern weiter investieren können. Wir müssen Bürokratie abbauen, und wir brauchen schnellere Genehmigungsgefahren.
Ihrer Meinung nach wird das Thema Nachhaltigkeit über Gewinner und Verlierer in der Bankenbranche entscheiden. Zuletzt musste sich die Fondstochter DWS gegen Vorwürfe wehren, sie würde ihr Nachhaltigkeitsengagement schönen ...
Wir sind sehr zufrieden mit den Fortschritten, die wir beim Thema Nachhaltigkeit machen. Wir wollen 200 Milliarden Euro an nachhaltigen Finanzierungen und Anlagen bis 2023 ermöglichen, das ist zwei Jahre früher als ursprünglich geplant – und bis zum Ende des zweiten Quartals 2021 haben wir bereits rund die Hälfte davon geliefert. Nachhaltigkeit ist ein Gebiet, auf dem Deutschland und Europa weltweit die Standards setzen können, diesen Wettbewerbsvorteil müssen wir nutzen. Deshalb haben wir unser Haus konsequent auf dieses Thema ausgerichtet.
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