Der Banker warnt vor den unerwünschten Nebenwirkungen der staatlichen Hilfspakete. Deutschlands Unternehmen müssten sich an die neue Pandemie anpassen.
Christian Sewing
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Wirtschaft in einigen Bereichen nur mit 90, 80 oder gar 70 Prozent ihrer Kapazität läuft“, sagte der Deutsche-Bank-Chef auf dem diesjährigen Handelsblatt Banken-Gipfel in Frankfurt.
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Frankfurt Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing fürchtet, dass die Coronakrise die globale Wirtschaft noch lange belasten wird und auch für die Banken gravierende Folgen nach sich ziehen wird. Der Banker warnt, dass durch die umfangreichen staatlichen Hilfen die Anpassung an die Langfristfolgen der Coronakrise verschleppt werden könnte.
Wenn die Pandemie noch länger andaure, müssten Wirtschaft und Politik dringend überdenken, wie sie mit den Folgen umgehen, fordert Sewing. Die umfangreichen Rettungsprogramme von Politik und Notenbanken seien gut und richtig gewesen, nun müssten sich aber die Unternehmen an die neue Lage anpassen.
Der Deutsche-Bank-Chef sieht die Gefahr des Abgleitens in die sogenannte Zombiewirtschaft: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Wirtschaft in einigen Bereichen nur mit 90, 80 oder gar 70 Prozent ihrer Kapazität läuft“, sagte Sewing auf dem diesjährigen Handelsblatt Banken-Gipfel in Frankfurt. Einige Firmen würden es in ihrer aktuellen Aufstellung schwer haben, auf diesem Niveau gewinnbringend zu arbeiten.
Wenn jedes sechste Unternehmen in Deutschland durch Rettungsgelder und faktisch ausgesetzte Insolvenzmeldungen ein „Zombie“ werden könnte, wie die Auskunftei Creditreform warnt, dann hätte das gravierende Auswirkungen auf die Produktivität unserer Volkswirtschaft.
Bei der Bekämpfung der Langfristfolgen der Krise sieht Sewing strukturelle Schwächen in Europa im Vergleich zu den USA: „Wir sind relativ gut darin, Krisenerscheinungen zu kontern. Aber wir sind langsamer darin, uns dauerhaft auf einen neuen Normalzustand einzustellen.“ Deshalb müssten Europas Unternehmen jetzt „schnell umschalten“.
Die Banken würden zwar weiter ihren Beitrag zur Lösung der Krise leisten, aber sie könnten nicht allen Unternehmen helfen, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu überstehen. Die Geldhäuser müssten sich auf die dringendsten Aufgaben fokussieren und sehr wachsam sein und ihr Kapital sorgfältig einsetzen. „So sehr wir also Teil der Lösung bleiben wollen, werden wir doch differenzieren müssen.“ Die Grundlage für die Kreditvergabe müsse ein tragfähiges Geschäftsmodell sein.
Auch die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib, fürchtet, dass es für die Banken in den kommenden Monaten schwieriger werden könnte, zur wirtschaftlichen Erholung beizutragen.
Wir sind relativ gut darin, Krisenerscheinungen zu kontern. Aber wir sind langsamer darin, uns dauerhaft auf einen neuen Normalzustand einzustellen. Christian Sewing, Vorstandschef der Deutschen Bank
Die meisten Experten rechnen für den nächsten Winter und das Frühjahr 2021 mit einem deutlichen Anstieg der Unternehmenspleiten. Dies könnte die Kreditausfälle in den Bilanzen der Banken in die Höhe treiben. Sewing hält eine neue Bankenkrise mit Blick auf die kommenden zwölf bis 18 Monate für unwahrscheinlich. Sollte sich die Pandemie aber über Jahre hinziehen, würden auch die Geldhäuser die Folgen zu spüren bekommen.
Die Deutsche Bank sieht Sewing für die Verwerfungen durch die Pandemie gut gerüstet. Der Vorstandschef betont, dass sich die Bank bereits vor der Corona-Pandemie auf die strategisch wichtigsten Geschäftsfelder fokussiert habe. Deshalb könne die Bank trotz der aktuellen Krise investieren und liege beim Umbau über Plan.
Sewing hat der Deutschen Bank im vergangenen Sommer einen radikalen Umbau verordnet, der insgesamt 18.000 Stellen kosten wird. Trotz der Belastungen durch die Sanierung und die Pandemie hofft die Bank nach wie vor, für das Gesamtjahr einen kleinen Gewinn vor Steuern ausweisen zu können.
Die Analysten rechnen dagegen im Schnitt mit einem Verlust von rund 430 Millionen Euro. Wenn die Bank es weiter schaffe, ihre selbst gesteckten Ziele zu erfüllen, würden irgendwann auch die Analysten wieder optimistischer, betonte Sewing.
Bei der Deutschen Bank stieg die Risikovorsorge im zweiten Quartal um rund 50 Prozent auf 800 Millionen Euro. Dennoch konnte die Bank mit einem Gewinn vor Steuern von 158 Millionen Euro die Erwartungen der Analysten übertreffen. Dafür war vor allem das Investmentbanking verantwortlich, das dank der heftigen Kursausschläge an den Märkten von einer Sonderkonjunktur profitierte.
Der anhaltende Pessimismus der Analysten hängt vor allem mit den Prognosen für die Risikovorsorge zusammen. Nach ihrer Einschätzung dürfte sie in der zweiten Jahreshälfte ähnlich hoch ausfallen wie im ersten Halbjahr und auf 2,4 Milliarden Euro steigen. Die Bank selbst geht dagegen davon aus, dass der Höhepunkt nun überschritten ist.
Im zweiten Quartal stellte sie für das Kreditgeschäft 761 Millionen Euro zurück, von denen 410 Millionen Euro auf die Coronakrise zurückzuführen waren. Damit steht sie im Vergleich zu anderen Instituten noch gut da. Die spanische Großbank Santander legte für Problemkredite 3,1 Milliarden Euro zur Seite.
Die lange erwarteten Übernahmen und Fusionen in der europäischen Bankenszene werden laut Sewing durch die Pandemie verzögert. Aber auf Dauer komme Europa an einer Konsolidierung nicht vorbei, wenn die Banken im Vergleich zur US-Konkurrenz wettbewerbsfähig bleiben wollen, betont der Deutsch-Banker. Diese grundsätzliche Sicht werde von vielen seiner Konkurrenten geteilt.
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