Größe spielt bei Banken eine wachsende Rolle, mahnt der Deutsche-Bank-Chef. Doch er und Commerzbank-Chef Knof bleiben zurückhaltend, was Fusionen angeht.
Christian Sewing
Der CEO der Deutschen Bank äußerte sich zum Konsolidierungsprozess im europäischen Bankensektor. Er war live aus London zugeschaltet.
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Frankfurt Ohne Fusionen unter europäischen Banken geht es nicht, so lautet das Credo von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. Er selbst befindet sich für sein Institut aktuell aber nicht auf der Suche nach einem Fusionspartner: „Wir scharren nicht mit den Hufen und schauen uns auch nicht um“, sagte er auf dem Banken-Gipfel des Handelsblatts.
Die Bank tue das, was sie versprochen habe: Sie baue das Institut bis Ende 2022 „diszipliniert“ um. „Wir könnten nicht diese Ergebnisse liefern, die wir liefern, wenn wir unser Augenmerk auch nur einen Moment auf etwas anderes legen würden“, sagte Sewing, der aus London live zugeschaltet war.
Um künftig „auf Augenhöhe“ über Zusammenschlüsse reden zu können, müsse die Deutsche Bank erst einmal nachhaltig profitabel werden, argumentierte der Deutsche-Bank-Chef. Er zeigte sich zuversichtlich, dass das Institut sein selbst gestecktes Ziel erreicht, das Geschäftsjahr 2022 mit einer Rendite von acht Prozent auf das materielle Eigenkapital abzuschließen. „Die beste Vorbereitung ist, selbst fit zu sein. Wir werden fitter und fitter, von Quartal zu Quartal“, betonte er mit Blick auf Fusionen.
Ähnlich zurückhaltend beim Thema Konsolidierung gab sich Manfred Knof. Der seit Jahresbeginn amtierende Commerzbank-Chef will für die Unabhängigkeit von Deutschlands zweitgrößter Privatbank kämpfen. „Wir haben eine Strategie, mit der wir es schaffen werden, die Voraussetzungen für die Eigenständigkeit der Commerzbank sicherzustellen“, sagte er.
Deutschlands zweitgrößtes privates Geldhaus wird seit Jahren europaweit immer wieder als Übernahmeziel gehandelt. Doch die Frage, ob Konkurrenten wie Unicredit, ING oder BNP die Fühler nach der Commerzbank ausstrecken, beschäftigt Knof nach eigenem Bekunden derzeit nicht. „Ich bin vollständig ausgelastet mit der täglichen Arbeit an der Transformation“, sagte der Vorstandschef. „Alles andere steht in den Sternen – und wir können es eh nicht beeinflussen.“
Manfred Knof
Der Vorstandschef will das Geldhaus profitabler machen und ist mit dem Umbau bisher zufrieden.
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Theodor Weimer, der Vorstandschef der Deutschen Börse, warnt die deutschen Banken allerdings vor einem rapiden Bedeutungsverlust – und fordert deshalb Erleichterungen bei der Regulierung. Internationale Geldhäuser seien den heimischen Instituten „davongelaufen“, weil in anderen Ländern „Regulierung als Waffe im Konkurrenzkampf“ gesehen werde.
Als Beispiele nannte Weimer den Verbriefungsmarkt, über den beispielsweise US-Banken einen erheblichen Teil ihrer Kreditrisiken an den Kapitalmarkt auslagern können. Den deutschen Banken stehe dieser Weg so nicht zur Verfügung. „Wenn wir das nicht ändern, werden wir immer weiter durchgereicht“, warnte der Börsenchef. Es bestehe die „Gefahr, dass wir unsere Banken verlieren“.
Theodor Weimer
Weltweit werde Regulierung als „Waffe im Konkurrenzkampf“ gesehen, sagte der Chef der Deutschen Börse – und äußerte sich zugleich besorgt, die deutschen Banken könnten weiter an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen.
Bild: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt
Doch gerade bei grenzüberschreitenden Fusionen sehen Europas Topbanker noch Hürden: Silvia Schmitten-Wagenbach, Managerin bei der britischen Großbank Barclays und Chefin des Verbands der Auslandsbanken, hält den zersplitterten europäischen Binnenmarkt für das Haupthindernis für länderübergreifende Zusammenschlüsse in Europa. Während die USA von einem einheitlichen Binnenmarkt profitierten, leide Europa noch immer unter einer Vielzahl von nationalen Regeln.
Die Verwaltungsratschefin der spanischen Großbank Santander, Ana Botín, bezeichnete die schleppende Umsetzung der Kapitalmarktunion sogar als „Showstopper“ für europäische Banken. Ohne Fortschritte auf dem Gebiet werde es keine Fusionen geben. Dann würden die Börsenwerte der Institute weiter hinter die der US-Geldhäuser zurückfallen. Santander habe vor zehn Jahren etwa einen so hohen Börsenwert gehabt wie die US-Bank JP Morgan. Inzwischen kommen die Amerikaner auf eine Marktkapitalisierung von 475 Milliarden Dollar – sieben Mal so hoch wie Santander.
Auch Deutsche-Bank-Chef Sewing hält die Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion für eine zentrale Voraussetzung für länderübergreifende Fusionen. Er fordert „einen großen Sprung nach vorn“.
Seit seiner Wahl zum Präsidenten des Bundesverbands deutscher Banken wirbt der Manager für einen einheitlichen Finanzmarkt in der Europäischen Union. Denn aus seiner Sicht zählt der „leistungsfähige Banken- und Kapitalmarkt“ zu den großen Standortvorteilen der Vereinigten Staaten. „Das aber heißt im Umkehrschluss: Um wieder aufzuholen, braucht auch Europa einen stärkeren Banken- und Kapitalmarkt.“
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Gehör finden die Finanzmanager mit diesem Anliegen bei Florian Toncar, dem finanzpolitischen Sprecher der FDP: „Wir müssen den Finanzplatz Deutschland und Europa als strategisches Thema sehen und uns dazu bekennen, dass wir starke Finanzdienstleister brauchen, die auch profitabel sein müssen und die im Weltmaßstab mithalten können“, sagte er. „Wir müssen den europäischen Binnenmarkt unbedingt vertiefen.“
Aus Sicht der EZB-Bankenaufseherin Kerstin af Jochnick sollten die Banken in der Euro-Zone sich aber nicht allein auf länderübergreifende Fusionen und Übernahmen versteifen. „Ich denke, es gibt auch Spielraum für eine Konsolidierung innerhalb jedes einzelnen Landes im Euro-Raum“, sagte die Aufseherin. „Somit ist es nicht nur eine Konsolidierung über Grenzen hinweg, die wir sehen möchten.“ In einem gewissen Ausmaß gebe es in Europa einfach zu viele Banken, ein „overbanking“.
Wie zur Illustration der Dominanz außereuropäischer Häuser machte am Mittwoch dann auch eine amerikanische Großbank in Sachen Konsolidierung von sich reden: JP Morgan will 75 Prozent von Volkswagen Payments übernehmen, der Zahlungsdienstleistungstochter des Autoherstellers. Die US-Bank befindet sich bereits in fortgeschrittenen Gesprächen mit Volkswagen. VW will Minderheitsaktionär bleiben.
Commerzbank-Chef Knof reagierte auf den Schachzug der Amerikaner gelassen: „Das ist ein Spezialgeschäft. Das liegt in der Strategie der Automobilkonzerne, die sich neu ausrichten müssen“, sagte er.
Doch die Expansion der Amerikaner in dem unter anderem für die Deutsche Bank strategisch wichtigen Zukunftsfeld des Zahlungsverkehrs dürfte hinter den Kulissen für einigen Gesprächsstoff sorgen – zumal der Zahlungsverkehr auch für viele Unternehmenskunden sehr wichtig ist. Vorstandschef Sewing nahm es sportlich: „Wenn weitere Großbanken ihr Payments-Geschäft ausbauen wollen, unterstreicht das, dass wir als Deutsche Bank auf dem strategisch richtigen Weg sind“, sagte er am Rande des Banken-Gipfels. „Wir setzen auf organische Wachstumsinitiativen, technologische Innovationen und strategische Partnerschaften, zum Beispiel mit Mastercard. Damit sehen wir uns voll auf Kurs, um bei Payments wie geplant zu wachsen.“
Sewing betont immer wieder, wie wichtig eine von den USA unabhängige, starke Finanzbranche in Europa für die gesamte Volkswirtschaft sei. Ohne starke Banken werde sich Europa „in einer polarisierten Weltwirtschaft zwischen den USA und China nicht behaupten können“, mahnte der Deutsche-Bank-Chef. Dann nämlich könne Europa nicht genug Kapital mobilisieren und es auch nicht effizient kanalisieren, so Sewing. Für Europa stehe viel auf dem Spiel: „In diesem Jahrzehnt wird sich entscheiden, wer die Weltwirtschaft im 21. Jahrhundert dominieren wird.“
Zu einem starken Finanzsektor zählen für Sewing auch Bankenriesen. „Es wird nur noch wenige globale Großbanken geben“, sagte der Manager. Die europäische Politik bremst aus seiner Sicht die Entstehung solcher Großinstitute: „Es war und bleibt richtig, Großbanken besonders sorgfältig zu regulieren. In Europa haben wir jedoch gleichzeitig viel dafür getan, Banken gar nicht mehr groß werden zu lassen“, kritisierte er. „Das ist ein fragwürdiger Kurs – steigt doch die Bedeutung von Größe in der Finanzwelt exponentiell an.“
Es könne nicht in „unserem Interesse“ sein, dass alle diese globalen Banken ihren Sitz außerhalb Europas hätten, betonte Sewing. „Wir würden uns in einer immer fragmentierteren und von nationalen Interessen dominierten Welt noch abhängiger von amerikanischen Banken machen.“ Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre wäre das aus seiner Sicht ein strategischer Fehler.
Nach Einschätzung von Chris Bartz, Vorstandschef des Fintechs Elinvar, müssen die Banken die Schuld aber zum Teil auch bei sich suchen. Bartz glaubt, dass erfolgreiche Geschäftsmodelle auf jeden Fall europäisch oder möglichst noch internationaler ausgerichtet sein müssen. Diese Voraussetzung würden aber viele deutsche Finanzkonzerne nicht erfüllen.
Trotz aller Diskussionen um die Konsolidierung sieht Sewing für die Banken eine noch größere Aufgabe: Der Kampf gegen den Klimawandel ist für den Vorstandschef die wohl größte Herausforderung der Menschheit. „Aber das ist nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine Chance“, betonte er. „ESG, also das Bankgeschäft nach strengen Umwelt-, Sozial- und Führungskriterien, ist aus meiner Sicht das größte Wachstumsthema seit Jahrzehnten.“
Das liegt daran, dass die mit der Reduktion des CO2-Ausstoßes verbundene Transformation der Wirtschaft aktuellen Schätzungen zufolge bis 2050 weltweit mehr als zwei Billionen Euro im Jahr kosten dürfte. Dadurch fiele allein das gesamte jährliche Finanzierungsvolumen des Bankensektors laut Berechnungen des Analysehauses Autonomous um 15 Prozent höher aus als heute. „Die Voraussetzungen sind gut, dass wir Europäer einen größeren Teil davon auf uns vereinen können“, so Sewing. Europas Wirtschaft sei in vielen Bereichen grüner Technologie führend. Sewings positive Einschätzung zum Thema wird von Branchenvertretern wie Börsen-Chef Weimer, Barclays-Managerin Schmitten-Wagenbach oder Elinvar-Chef Bartz geteilt.
Bei der Deutschen Bank ist das Thema Nachhaltigkeit direkt bei Vorstandschef Sewing angesiedelt. Doch zuletzt musste das Institut einen herben Dämpfer hinnehmen: Die US-Wertpapieraufsicht SEC prüft Vorwürfe, die Deutsche-Bank-Tochter DWS habe irreführende Angaben zu ihrem Nachhaltigkeitsengagement gemacht. Das behauptet die frühere Nachhaltigkeitschefin der DWS, Desiree Fixler, von der sich die Fondsgesellschaft im Frühjahr 2021 nach kurzer Beschäftigungszeit getrennt hatte.
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