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14.04.2019

17:50

Bankenbranche

Deutsche Bank und Commerzbank: Diese fünf Punkte entscheiden über ihre Fusion

Von: Michael Maisch, Yasmin Osman, Andreas Kröner, Daniel Schäfer

Deutsche Bank und Commerzbank wollen bis zum 26. April klären, ob sie ihre Fusionsgespräche abbrechen oder intensivieren. Im Fokus stehen fünf Fragen.

Deutsche Bank, Commerzbank: Fünf Punkte entscheiden über Fusion Getty Images; Per-Anders Pettersson

Finanzzentrum Frankfurt

Ob eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank Sinn ergibt, ist umstritten.

Frankfurt Die Sondierungsgespräche von Deutscher Bank und Commerzbank über eine Großfusion gehen in die heiße Phase. Spätestens bis zum 26. April, wenn Deutschlands größtes Geldhaus seine Zahlen für das erste Quartal präsentiert, wollen beide Institute Klarheit haben, wie es weitergeht: Werden die Verhandlungen abgebrochen? Oder werden aus den bisherigen Sondierungsgesprächen vertiefte Fusionsverhandlungen?

Kurz vor oder nach Ostern dürfte somit eine Vorentscheidung darüber fallen, ob es zu einer Bankenhochzeit kommt. Entscheiden sich beide Häuser für eine vertiefte Sorgfaltsprüfung, dann erscheint ein Deal sehr wahrscheinlich.

Zuvor müssten jedoch wesentliche Eckpunkte eines Zusammengehens geklärt sein, darunter die Struktur, die Finanzierung und die Besetzung der wichtigsten Posten. Aktuell bleibt völlig offen, ob es zu einer Fusion kommt oder nicht. Das sagten mehrere mit den Diskussionen vertraute Personen dem Handelsblatt. Aber in den Gesprächen kristallisieren sich fünf wichtige Punkte heraus, die am Ende den Ausschlag geben könnten.

1. Synergien

Die Synergien müssen bei einem Zusammenschluss groß sein, denn nur so können beide Geldhäuser ihre Aktionäre, die Finanzaufsicht und die Ratingagenturen für eine Fusion gewinnen. Die größten Synergien gebe es auf der Kostenseite, berichten Experten. Durch die Schließung von Filialen, die Abschaffung von Doppelstrukturen und einen Personalabbau von rund 30.000 Arbeitsplätzen könnten beide Institute die Kosten deutlich senken.

Analysten gehen davon aus, dass sich bei großen Bankenfusionen etwa ein Drittel der jährlichen Kosten des kleineren Partners einsparen lassen. Allerdings werden für diese dauerhaften Synergien in der Regel einmalige Restrukturierungskosten von etwa 150 Prozent der erhofften Einsparungen fällig. Im Falle von Deutscher Bank und Commerzbank wären das nach dieser Daumenregel über drei Milliarden Euro.

Wie teuer die Restrukturierung wirklich wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie erbittert die Gegenwehr von Gewerkschaften und Betriebsräten ausfällt. Gerade die Arbeitnehmervertreter der Deutschen Bank dürften nicht leicht zu besänftigen sein: Ihr Sozialplan ist großzügiger als derjenige der Commerzbank.

Sie haben wenig Grund, einer Lösung zuzustimmen, die ihre Lage nicht verbessert oder sogar verschlechtert. Die Commerzbank-Arbeitnehmer wiederum dürften darauf pochen, keinesfalls schlechter gestellt zu werden als Kollegen der Deutschen Bank. Das kann die Verhandlungen in die Länge ziehen – und teuer werden.

Neben den Synergien spielen auch die sogenannten Dissynergien eine wichtige Rolle. Bei einer Fusion würden viele Kunden, die mit beiden Banken eine Geschäftsbeziehung haben, ihr Engagement reduzieren, da sie keine zu große Abhängigkeit von einzelnen Instituten wünschen.

Gerade im Firmenkundengeschäft wäre deshalb bei einer Fusion mit Einbußen zu rechnen, sagte Commerzbank-Manager Jan-Philipp Gillmann bei einem Pressegespräch im September 2018: „Man hat auf der Ertragsseite Dissynergien – das würde ich in dieser Klientel nicht unterschätzen.“

Auf der Ertragsseite würde eins plus eins also nicht zwei ergeben, sondern weniger. „Die große Frage ist, ob dabei am Ende 1,8, 1,6 oder 1,4 herauskommt“, sagt eine mit der Fusion vertraute Person. Wenn der Wert zu niedrig sei, ergebe ein Zusammenschluss vermutlich keinen Sinn.

2. Badwill und Finanzierung

Der Börsenwert von Deutscher Bank und Commerzbank ist deutlich geringer als ihr Eigenkapital. Bei der Commerzbank beträgt das Verhältnis des Aktienkurses zum Buchwert aktuell weniger als 40 Prozent. Die Commerzbank hat etwa 23 Milliarden Euro hartes Kernkapital. An der Börse sind die Frankfurter aber nur rund neun Milliarden Euro wert.

Bei einer Übernahme der Commerzbank durch die Deutsche Bank könnte diese vermeintliche Unterbewertung vorteilhaft sein. Denn der Kaufpreis orientiert sich in der Regel am Börsenwert des Übernahmeziels, gegebenenfalls zuzüglich eines Zuschlags. Der Kaufpreis für die Commerzbank würde also deutlich niedriger ausfallen als das Eigenkapital des Instituts – und die Deutsche Bank könnte in der Folge durch diese Übernahme einen satten Sondergewinn erzielen.

Die spannende Frage ist, wie die Bankenaufsicht und die Steuerbehörden mit diesem Phänomen umgehen, das im Fachjargon „Badwill“ oder negativer Firmenwert genannt wird. Die Bankenaufsicht kann den „Badwill“ bei Fusionen anerkennen, muss es aber nicht. Die Aufseher prüfen jeden Einzelfall, haben bislang aber in der Regel zugestimmt.

Außerdem muss die Finanzverwaltung entscheiden, ob sie Steuern auf den Einmalgewinn erhebt, der durch den „Badwill“-Effekt bei einem Zusammenschluss entstehen würde. Sollten sie das tun, rechne sich der Deal aller Voraussicht nach nicht, sagten mehrere mit dem Thema vertraute Personen. Deutsche Bank und Commerzbank seien aber zuversichtlich, dass auf den Sondergewinn keine Steuern fällig wären.

Mit dem Thema „Badwill“ verknüpft ist die Frage, ob die Deutsche Bank frisches Kapital aufnehmen müsste, um eine Commerzbank-Übernahme zu finanzieren. Eine große Kapitalerhöhung will Vorstandschef Christian Sewing Insidern zufolge auf jeden Fall verhindern, weil er den leidgeplagten Aktionären einen Deal dann nur sehr schwer schmackhaft machen könnte. Am liebsten wäre es Sewing, wenn er die Aktionäre für eine Fusion überhaupt nicht anpumpen müsste.

3. Personal

Die Besetzung der wichtigsten Posten bei der fusionierten Bank wollen Sewing und Commerzbank-Chef Martin Zielke Finanzkreisen zufolge erst am Ende der Verhandlungen festlegen.

Doch Insidern zufolge ist eigentlich schon heute klar, dass Sewing als Chef der deutlich größeren Bank am Ende auch das fusionierte Institut führen würde. Zielke dürfte sein Stellvertreter werden. Paul Achleitner, der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, würde diese Rolle voraussichtlich ebenfalls behalten – zumindest für eine Übergangszeit.

Sehr wahrscheinlich ist zudem, dass Garth Ritchie, der Investmentbankingchef der Deutschen Bank, diesen Job auch nach einem Kauf der Commerzbank ausfüllen würde. Die Deutsche Bank ist in diesem Bereich viel größer als der Frankfurter Nachbar.

Außerdem hat der für den Bereich zuständige Commerzbank-Vorstand Michael Reuther seinen Abgang angekündigt. Ein Selbstgänger ist die Personalie Ritchie aber nicht. Einige einflussreiche Großaktionäre der Deutschen Bank sehen die Rolle des Managers kritisch, der zugleich Stellvertreter von Sewing ist. Sie werfen die Frage auf, ob der Investmentbankingchef des fusionierten Instituts nicht besser von außen kommen sollte.

Über die Personalspekulationen um Sewing, Ritchie und Achleitner hatte zuerst der „Spiegel“ berichtet. Das Magazin meldete zudem, dass Zielke bei der fusionierten Bank als Sewings Stellvertreter und Leiter des riesigen Privat- und Firmenkundengeschäfts eingeplant sei. Postbank-Chef Frank Strauß müsste dann in der Folge seinen Posten räumen.

Doch dazu gibt es in beiden Häusern unterschiedliche Ansichten. In der Commerzbank sind viele der Meinung, das Institut sei im Privatkundengeschäft erfolgreicher als die Deutsche Bank und sollte deshalb in einem fusionierten Geldhaus die Federführung bei dem Thema übernehmen. Im Umfeld der Deutschen Bank heißt es dagegen, die Aufgabenverteilung sei noch keine ausgemachte Sache.

Dazu müssten zunächst einmal die endgültige Struktur und der Geschäftszuschnitt feststehen. Erst dann sei klar, welche Posten es zu verteilen gebe – und welcher Manager dann dazu passe. Spannend ist aus Sicht vieler Beobachter unter anderem gerade die Frage, wo der Sewing-Vertraute Strauß am Ende landen wird.

4. Struktur und Geschäftsmodell

Der Zusammenschluss der beiden Institute dürfte auf eine Übernahme der Commerzbank durch die Deutsche Bank hinauslaufen. Die Idee, beide Häuser in einer neuen Holding aufzuhängen, wurde schon recht früh wieder verworfen. Eine Holding hätte wohl allzu große steuerliche Nachteile mit sich gebracht. Das können sich die potenziellen Fusionspartner aber nicht leisten. Der Deal ist ohnehin recht knapp gerechnet, wie zu hören ist. „Da gibt es nicht viel Verteilungsspielraum“, heißt es.

Eine Übernahmeprämie von 20 bis 30 Prozent, wie normalerweise bei Übernahmen üblich, dürfte also unwahrscheinlich sein. „Der Spielraum ist eng“, sagt ein Insider. Die Banken kommentieren das nicht.

Auch die Frage nach dem Geschäftsmodell spielt eine wichtige Rolle, etwa welche Bedeutung das Investmentbanking in einem gemeinsamen Institut haben soll. Berichte, wonach im Zuge der Fusion das US-Geschäft der Investmentbank gestutzt werden solle, hat die Bank in einem internen Memo zurückgewiesen.

Das bedeutet aber nicht, dass in der Investmentbankingsparte alles bleiben soll, wie es ist. Die Bankenaufseher sind schon seit Längerem der Meinung, dass die Deutsche Bank ihre Risiken in diesem Geschäftsfeld weiter reduzieren sollte.

Die Deutsche Bank prüft – unabhängig von einer Fusion – ohnehin permanent, in welche Geschäftsfelder sie weiter investiert und aus welchen Bereichen sie sich eher zurückziehen sollte. Es ist also gut denkbar, dass sich das Institut nicht aus ganzen Regionen verabschiedet, aber einzelne Aktivitäten in den USA oder anderswo aufgibt.

5. Finanzaufsicht und Aktionäre

Die Vorstände beider Banken werden am Ende nicht allein über eine Fusion entscheiden können. Sowohl die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) als auch die Aktionäre müssen eine Fusion genehmigen. Die Bankenaufseher haben angekündigt, dass sie das Vorhaben „nüchtern“ prüfen wollen.

Dazu zählt auch die Frage, ob das fusionierte Institut aus ihrer Sicht ein tragfähiges und nachhaltiges Geschäftsmodell aufweist. Sinnvoll ist ein Zusammengehen nur, wenn die hohen Anlaufkosten durch ein höheres Ertragspotenzial gerechtfertigt werden können. Das werden die Bankenaufseher sich sehr genau vorrechnen lassen.

Auch die Zustimmung der Aktionäre dürfte kein Selbstläufer werden: Da eine üppige Übernahmeprämie unwahrscheinlich ist, müssen sie sich die Frage stellen, ob sie nicht lieber darauf hoffen sollen, dass eine große europäische Bank mit tieferen Taschen ihnen in den nächsten Jahren ein lukrativeres Angebot unterbreitet. Andererseits ist das relative Umtauschverhältnis zwischen beiden Banken für die Commerzbank derzeit ungewöhnlich günstig.

Unter den Aktionären der Deutschen Bank wiederum halten einige den Zeitpunkt für eine Fusion für zu früh, etwa weil die Deutsche Bank noch mitten in der Postbank-Integration steckt. Aus ihrer Sicht ist das Umtauschverhältnis zwischen beiden Instituten außerdem eher ungünstig.

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