PremiumNach heftigen Kursverlusten europäischer Banken versuchen Bundeskanzler Scholz und EZB-Präsidentin Lagarde die Märkte zu beruhigen. Ökonomen und Aufseher fordern Konsequenzen.
EU-Kommissionschefin von der Leyen und EZB-Chefin Lagarde
Die Krise der europäischen Banken zwingt Politiker und Notenbanker am Rande eines EU-Gipfels zu verbalen Interventionen.
Bild: AP
Brüssel Vor dem Wochenende kehrte die Bankenkrise mit Wucht zurück. Vor allem massive Kursverluste der Deutschen Bank, deren Aktie zeitweise 15 Prozent verlor, schürten die Angst vor einer Ausweitung der Turbulenzen. Aber auch die Kurse anderer europäischer Banken lagen deutlich im Minus, ein Signal, dass die Krise nach der Notübernahme von Credit Suisse durch den Schweizer Konkurrenten UBS noch nicht ausgestanden ist.
Die in Brüssel zum EU-Gipfel versammelten Regierungschefs versuchten zu beruhigen. „Es gibt keinen Anlass, sich irgendwelche Gedanken zu machen“, verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitagnachmittag. Die Deutsche Bank habe ihr Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren überholt und sei ein sehr profitables Unternehmen.
Auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte befand: „Wir sind in guter Verfassung.“ Der Bankensektor sei sicher, die Aufsicht streng genug. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte Spekulanten für die Kursverluste verantwortlich.
Zuvor hatte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, den Regierungschefs versichert, was sie Anfang der Woche auch schon im Europaparlament gesagt hatte: Die Banken hätten mehr als genug Kapital und Liquidität. In ihrer Abschlusserklärung bekräftigten die Regierungschefs dann den Satz, den Lagarde schon die ganze Woche benutzt: „Unser Bankensektor ist widerstandsfähig.“
Europa ist anders als die USA – mit dieser Botschaft versuchen Politiker und Aufseher seit Tagen, die Märkte zu beruhigen. Die Pleite der Silicon Valley Bank in den USA und die Notrettung der Credit Suisse stellen sie als Sonderfälle dar. Die EU, so die Hoffnung, kommt mit dem Schrecken davon.
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Akuten Handlungsbedarf jedenfalls sieht man in Brüssel und den anderen Hauptstädten nicht. Der Drang, die Branche nun deutlich schärfer zu regulieren, ist gering. Die drei EU-Institutionen (Kommission, Parlament und Rat der Mitgliedstaaten) wollen sich mit den schon geplanten Reformen begnügen.
Als Erstes soll das „Bankenpaket“ bis Ende Juni beschlossen werden. Dabei geht es darum, die im Basel-Ausschuss vereinbarten Eigenkapitalvorschriften auf Europa anzuwenden. Statt die international vereinbarten Empfehlungen vollständig umzusetzen, sind die Vorschläge der drei EU-Institutionen jedoch voller Ausnahmen und Übergangsfristen. Radikal geändert werden soll das Paket nicht.
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni mahnte bei einer Konferenz von „Politico“ am Donnerstag, man dürfe die Banken jetzt nicht „überregulieren“. Finanzkommissarin Mairead McGuinness rechtfertigte den Kommissionsentwurf trotz aller Ausnahmen als „dem Zweck angemessen“.
Der zuständige Berichterstatter im Europaparlament, Jonás Fernández, betonte zwar, man müsse den Druck auf die Banken aufrechterhalten. Aber er signalisierte auch, dass er bereit sei, das Paket zügig zu beschließen.
Es gibt keinen Anlass, sich irgendwelche Gedanken zu machen. Bundeskanzler Olaf Scholz
Ähnlich sieht es beim zweiten Gesetzespaket aus, mit dem die Bankenunion vertieft werden soll. Nach der Finanzkrise 2008 hatten die Europäer eine gemeinsame Bankenaufsicht und eine gemeinsame Bankenabwicklungsbehörde etabliert. Als dritter Pfeiler sollte eigentlich eine gemeinsame Einlagensicherung folgen.
Vergangenen Sommer war die Idee einer gemeinsamen Haftung für Bankguthaben jedoch in der Euro-Gruppe gescheitert – vor allem am deutschen Widerstand. Daraufhin hatten die Finanzminister die Kommission beauftragt, ein paar kleinere Verbesserungen der Bankenunion vorzuschlagen. Im April will Finanzkommissarin McGuinness nun ein entsprechendes Gesetzespaket („Crisis Mechanism and Deposit Insurance Framework Review“, CMDI) vorlegen.
Ihr Ziel ist es, die Regeln für die nationalen Einlagensicherungen zu vereinheitlichen. Zudem sollen die Finanzmittel in den nationalen Fonds schon zur Prävention von Bankenpleiten eingesetzt werden können, nicht erst hinterher zur Entschädigung der Sparer. Auch sollen die europäischen Aufseher bei der Bankenabwicklung eine größere Rolle spielen.
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Selbst dieser Machtzuwachs für Brüssel ist in den Mitgliedstaaten umstritten, denn die europäische Bankenlandschaft ist sehr unterschiedlich – ebenso wie die nationalen Vorstellungen, wann eine Bank gerettet oder abgewickelt werden sollte. Deshalb wird in Brüssel erwartet, dass die Verhandlungen sich bis in die nächste Legislaturperiode nach der Europawahl 2024 hinziehen.
Euro-Gruppen-Chef Paschal Donohoe sagte am Freitag, es gehe jetzt darum umzusetzen, was man in der Euro-Gruppe bereits beschlossen habe. Die geplanten Reformen könnten einen Unterschied machen.
Vielen Experten geht das nicht weit genug. Sie mahnen echte Reformen an – von höheren Eigenkapitalpuffern bis hin zur Trennung von Retailbanking und Investmentbanking. Pablo Hernández de Cos, Vorsitzender des Basel-Ausschusses für Bankenaufsicht, forderte diese Woche, dass man die Regeln für Schattenbanken verschärfen müsse. Damit gemeint sind etwa Hedgefonds und Private-Equity-Firmen, die weniger strikt reguliert sind als Banken, aber so viel Kapital verwalten, dass sie ebenfalls ein systemisches Risiko darstellen können.
Der Ökonom Hans-Werner Sinn sagt im Handelsblatt, Europa müsse den „Kasino-Kapitalismus“ beenden und die Eigenkapitalpuffer der Banken erhöhen. Ähnlich argumentieren die Finanzexperten von der Bürgerbewegung Finanzwende oder der Organisation Finance Watch. Sie fordern, die Basel-Empfehlungen für die Banken vollständig umzusetzen. Auch der oberste Bankenaufseher der EZB, Andrea Enria, mahnte diese Woche, möglichst wenig von den Basel-Eigenkapitalvorschriften abzuweichen.
Gehör finden die Kritiker bisher nicht. Politiker wie Scholz und Macron wollen jeglichen Eindruck vermeiden, es stimme irgendetwas nicht mit dem Bankensystem.
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