Der Bankenverband und das Fintech Raisin machen sich für die Vollendung der Bankenunion stark. Berlin und Rom lehnen den aktuellen Vorschlag jedoch ab.
EU-Kommission
Bereits 2015 legte die Brüsseler Behörde einen ersten Vorschlag für eine europäische Einlagensicherung vor.
Bild: Grecaud Paul - Fotolia
Frankfurt, Brüssel, Berlin Euro-Gruppen-Chef Paschal Donohoe hat für seinen Vorschlag zur Einführung einer europäischen Einlagensicherung vergangene Woche viel Kritik einstecken müssen. Doch nun bekommt er Unterstützung von zwei prominenten Vertretern aus der deutschen Finanzbranche. Der Privatbankverband BdB und Raisin, eines der bekanntesten deutschen Fintechs, machen sich für das umstrittene Projekt stark.
Raisin betreibt die Plattformen Weltsparen und Zinspilot, über die deutsche Sparer auch viel Geld bei Banken in anderen EU-Ländern geparkt haben. „Vom erhöhten Schutzniveau einer EU-weiten Einlagensicherung würden gerade deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren, denn sie legen schon immer überproportional viel Geld auf Konten in anderen EU-Ländern an“, sagte Raisin-Chef Tamaz Georgadze dem Handelsblatt.
Dieser Kapitalexport sei struktureller Natur. „In Deutschland wird mehr gespart. als Kredite nachgefragt werden“, betont Georgadze. „Auch dadurch sind die von den hiesigen Banken angebotenen Zinsen vergleichsweise gering.“ Raisin würde von einer europäischen Einlagensicherung (Edis) profitieren. Anleger müssten dann schließlich weniger Sorgen haben, dass ihre Ersparnisse bei einer Bank im EU-Ausland in Gefahr sind, wenn das Institut in Schieflage gerät und das nationale Einlagensicherungssystem überfordert ist.
Edis würde jedoch auch die Stabilität des gesamten Finanzsystems stärken, weil die Gefahr von Bankruns dadurch sinke, argumentiert Georgadze „Massenhafte Geldabhebungen sind für jede noch so solide Bank nur schwer auszugleichen.“ Sie könnten auf andere Märkte übergreifen „und das Finanzsystem ins Wanken bringen“. Vermeidbar seien sie nur durch ein stabiles Einlagensicherungssystem, das auch in Krisenzeiten glaubwürdig sei.
„Wenn ein portugiesischer Sparer in der nächsten Krise weiß, dass auch deutsche und niederländische Banken sein Geld schützen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass er sein Konto leerräumt.“ Die Angst vieler deutscher Geldhäuser, sie müssten im Rahmen von Edis vor allem für die Schieflagen ausländischer Banken zahlen, hält Georgadze für unbegründet.
Tamaz Georgadze
„In Deutschland wird mehr gespart, als Kredite nachgefragt werden.“
Bild: ullstein bild - Lengemann/WELT
„Der deutsche Bankensektor ist weder in Bezug auf Rentabilität noch Eigenkapitalausstattung oder bei den Stresstests der Europäischen Bankenaufsicht die Benchmark in Europa – eher das Gegenteil.“ Zudem weist der Raisin-Chef darauf hin, dass die nationalen Sicherungssysteme in Deutschland im Vergleich zu den abgesicherten Einlagen bisher über weniger Mittel verfügen als die Haftungstöpfe in vielen anderen EU-Ländern.
Die EU-Kommission hat bereits 2015 einen ersten Vorschlag für eine europäische Einlagensicherung vorgelegt. Diese ist aus ihrer Sicht neben der gemeinsamen Aufsicht und Abwicklung unabdingbar für die Vollendung der Bankenunion.
„Das Vorhaben von Euro-Gruppen-Chef Donohoe ist richtig, Schwung in die Bankenunion zu bringen“, sagt auch BdB-Hauptgeschäftsführer Christian Ossig. Aktuell agierten Banken in Europa in 27 verschiedenen Märkten.
„Das muss sich ändern.“ An dieser Stelle sieht Ossig bei Donohoes Vorstoß noch Verbesserungspotenzial. „Beim entscheidenden Punkt Marktintegration ist der Vorschlag des Euro-Gruppen-Chefs noch zu vage und bleibt deutlich hinter unseren Erwartungen zurück.“
Donohoe hat ein Zwei-Stufen-Modell vorgeschlagen. In der ersten Phase soll der europäische Einlagensicherungsfonds langsam mit Kapital gefüllt werden. Daraus sollen sich nationale Einlagensicherungsfonds Geld leihen können, wenn sie in Krisensituationen an ihre Grenzen stoßen.
Eine gemeinsame Haftung ist erst in einer zweiten Phase angepeilt, die frühestens 2028 beginnen soll. Zudem sollen Banken bis dahin strenge Vorgaben erfüllen und beispielsweise den Anteil von Staatsanleihen ihres Heimatlandes in der eigenen Bilanz reduzieren.
Die Vollendung der Bankenunion werde ein „höheres Maß an finanziellem Schutz für Europas Haushalte und Unternehmen bieten, das Vertrauen fördern und die Finanzstabilität stärken“. Dies seien „notwendige Voraussetzungen für Wachstum und Reformen“, argumentiert der Euro-Gruppen-Chef in einem Thesenpapier, das er unter den Mitgliedern der Währungsunion verteilte. Das Dokument liegt dem Handelsblatt vor.
Christian Lindner und Pascal Donohoe (im Januar 2022)
Im Bundesfinanzministerium formiert sich heftiger Widerstand gegen Donohoes Kompromissvorschlag zur Einlagensicherung.
Bild: imago images/photothek
Für seinen Vorstoß wurde Donohoe vergangene Woche in einer Videoschalte der Finanzminister jedoch scharf kritisiert – und machte bei der anschließenden Pressekonferenz einen hilflosen Eindruck. Viele Teilnehmer hätten Änderungen verlangt, sagte der Ire. Doch handele es sich bereits um einen sorgfältig austarierten Kompromiss. „Der Spielraum für weitere Änderungen ist sehr klein. Jede Änderung würde eine Einigung schwieriger machen.“
Die größten Meinungsverschiedenheiten gibt es zwischen Deutschland und Italien. Die Bundesregierung will verhindern, dass deutsche Spareinlagen als Sicherheit für schlecht gemanagte Banken in anderen europäischen Ländern herhalten müssen.
Die Regierung in Rom hingegen stört sich an den hohen Strafzahlungen, die Banken an die gemeinsame Einlagensicherung überweisen sollen, wenn sie zu viele Staatsanleihen ihres Landes in den Büchern haben. Dieses Problem ist in Italien besonders ausgeprägt. Dass diese beiden Extrempositionen zusammengeführt werden können, halten viele Beteiligte für unwahrscheinlich.
Bis zur nächsten Sitzung der Euro-Gruppe am 23. Mai will Donohoe einen leicht veränderten Entwurf vorlegen. Dabei sollen in erster Linie kleinere Kritikpunkte adressiert werden. So wehren sich einige Länder gegen den Vorschlag, dass europäische Großbanken ihr Kapital leichter zwischen der Zentrale und ihren ausländischen Töchtern hin- und herschieben können. Regierungen, die keine eigenen Großbanken im Land haben, wollen Sicherheiten, dass die ausländischen Zentralen in einer Krise nicht plötzlich das Kapital aus den Töchtern in ihrem Land abziehen.
Deutschland will sich mit kleinen Änderungen jedoch nicht zufriedengeben. Die Ampelkoalition ist lediglich zu einem Rückversicherungssystem bereit, bei dem sich nationale Sicherungssysteme in Notsituationen gegenseitig stützen. Eine gemeinsame Haftung für Spareinlagen lehnt sie ab.
Dass in Donohoes Vorschlag der Weg zu einer gemeinsamen Haftung bereits vorgezeichnet ist, missfällt Deutschland – auch wenn die Regierungen vor der Phase zwei noch ein Veto haben. In Berlin besteht die Furcht, dass die Dynamik nicht mehr aufzuhalten ist, wenn man der ersten Phase zustimmt.
Auch sieht Berlin die Interessen der deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken noch nicht ausreichend gesichert. Zudem besteht die Bundesregierung darauf, dass die Risiken durch die Übergewichtung der eigenen Staatsanleihen in den Bilanzen der südeuropäischen Banken schneller abgebaut werden müssen. Dies wiederum steht im direkten Gegensatz zu den Interessen Italiens.
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Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die Spareinlagen mit eigenen Sicherungssystemen innerhalb ihrer Verbünde absichern, wollen bei einer europäischen Lösung grundsätzlich nicht mitmachen. Dass mit ihnen ein Großteil des deutschen Bankenmarkts von Edis ausgeklammert wird, dürfte für die meisten anderen EU-Staaten jedoch inakzeptabel sein.
Auch die deutschen Privatbanken lehnen Ausnahmen für Sparkassen und Genossenschaftsbanken ab. Ein einheitliches europäisches Regelwerk müsse auch aus Wettbewerbsgründen für alle Kreditinstitute gelten, sagt BdB-Hauptgeschäftsführer Ossig. „Ausnahmen für europäische Institutssicherungssysteme, auch von einer einheitlichen europäischen Einlagensicherung, lehnen wir daher ab.“
Donohoe hat die Hoffnung auf eine Einigung trotz aller Streitigkeiten noch nicht aufgegeben – und nennt dafür drei Argumente: Erstens hätten die Regierungschefs selbst das Ziel ausgegeben, bis zum EU-Gipfel im Juni eine Einigung zu erzielen. Zweitens sei es einfacher, jetzt zu handeln, bevor die ökomische Unsicherheit noch größer werde.
Und drittens gehe es aktuell nur darum, einem Fahrplan zuzustimmen. Wesentliche inhaltliche Änderungen seien erst für eine zweite Phase vorgesehen, vor der Regierungen noch ein Veto einlegen könnten.
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