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19.04.2021

14:51

Bankenverband

Deutsche Privatbanken ziehen Konsequenzen aus der Greensill-Pleite

Von: Andreas Kröner

Die Institute lassen die Arbeit des eigenen Prüfungsverbands durchleuchten. Zudem könnten die Gelder von öffentlichen Institutionen künftig nicht mehr geschützt sein.

Beim insolventen Bremer Institut hatten auch viele öffentliche Institutionen und Unternehmen Millionen angelegt. Bloomberg

Sitz der Greensill Bank

Beim insolventen Bremer Institut hatten auch viele öffentliche Institutionen und Unternehmen Millionen angelegt.

Frankfurt Neben der Wahl von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing zum neuen Präsidenten hat sich der Vorstand des Privatbankenverbands BdB am Montag vor allem mit einem Thema beschäftigt: der Pleite der Greensill Bank. Wegen des Zusammenbruchs des Bremer Instituts muss die private Einlagensicherung rund drei Milliarden Euro in die Hand nehmen, um Anleger zu entschädigen – und darüber sind viele Banken erbost.

So soll deshalb nun geprüft werden, wie der Prüfungsverband deutscher Banken im Fall Greensill gearbeitet hat und ob er grundsätzlich effizienter aufgestellt werden muss. Für die Überprüfung greife man auf „externe Hilfe“ zurück, sagte der scheidende BdB-Präsident Hans-Walter Peters.

Der Prüfungsverband kontrolliert, ob sich die Mitgliedsinstitute an die Regeln der Einlagensicherung halten, und kann bei Bedarf intervenieren. Die Greensill Bank hatte der Verband auch durchleuchtet und ihr Vorgaben gemacht, an die sich das Institut aber offenbar nicht immer gehalten hat.

Die Greensill Bank, die zu einem britisch-australischen Finanzkonglomerat gehörte, war Mitte März pleitegegangen. Dutzende Kommunen, die laut Peters zusammen zwischen 400 und 500 Millionen Euro bei dem Institut angelegt haben, verloren deshalb viel Geld. Die Ersparnisse von Privatanlegern und diversen öffentlichen Institutionen waren dagegen durch die Einlagensicherung geschützt.

Zu den entschädigten öffentlichen Gläubigern zählen unter anderem der Kölner Stadtwerke-Konzern sowie die Rundfunkanstalten NDR und Südwestrundfunk. Auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat nach Handelsblatt-Informationen seine bei Greensill angelegten Gelder inzwischen zurückerhalten. Einem Insider zufolge ging es dabei um rund 20 Millionen Euro. Der Kommunalverband äußerte sich zu der Summe nicht, bestätigte jedoch sein Engagement bei Greensill.

BdB erwägt, Einlagenschutz zu reduzieren

Laut Peters denkt der BdB nun darüber nach, die Gelder von öffentlichen Institutionen und Firmen künftig nicht mehr abzusichern. Er ist wütend darüber, dass bei Greensill oftmals die gleichen öffentlichen Anleger Gelder geparkt hatten wie bereits bei der insolventen Maple Bank und der Deutschlandtochter von Lehman Brothers. „Wir können nicht akzeptieren, dass sehr häufig Adressen wiederauftauchen, die im Grunde das Risiko immer wieder auf die privaten Banken übertragen.“

Der Fokus der Einlagensicherung liege darauf, die Gelder von Privatpersonen und Familien abzusichern, betonte Peters. „Wir wollen die Sparer schützen, aber nicht Adressen, die nur darauf aus sind, den höchsten Zins zu nehmen.“

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Darüber hinaus machte Peters deutlich, dass der BdB auch die Höhe der abgesicherten Gelder senken könnte – aktuell sind dies pro Kunde 15 Prozent des haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank. Bei Greensill entspricht dies 74,96 Millionen Euro. Im Rahmen der gesetzlichen Einlagensicherung sind lediglich 100.000 Euro pro Kunde geschützt.

Peters, der seit Jahresanfang Vorsitzender des Verwaltungsrats der Privatbank Berenberg ist, führt den Bankenverband mit einer kurzen Unterbrechung seit 2016. Seine Nachfolge tritt im Juli Christian Sewing an, der sich diese zusätzliche Rolle nach dem eingeleiteten Umbau von Deutschlands größtem Geldhaus jetzt zutraut.

Sewing will bei EU-Einlagensicherung vermitteln

Als oberster Bankenlobbyist will Sewing gegen eine zu harte Regulierung der Finanzbranche kämpfen. „Wir in Europa drohen immer weiter zurückzufallen“, sagte Sewing. „An manchen Stellen sind es die komplizierten Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa, die dem Wandel entgegenstehen, weil sie die Ertragskraft der Branche spürbar beeinträchtigen.“

Speziell bei den unter „Basel IV“ bekannten Kapitalvorgaben seien die Besonderheiten des deutschen Bankensystems nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem bekräftigte Sewing seine Forderung, dass die Bankenabgabe, die die Institute für eine mögliche Abwicklung von Geldhäusern bezahlen, nicht weiter steigen dürfe.

Die deutsche Wirtschaft habe sich in der Coronakrise bisher besser geschlagen als erwartet, sagt der designierte BdB-Präsident. „Mir ist nicht bange um die wirtschaftliche Situation der deutschen Firmenkunden.“ AFP

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing

Die deutsche Wirtschaft habe sich in der Coronakrise bisher besser geschlagen als erwartet, sagt der designierte BdB-Präsident. „Mir ist nicht bange um die wirtschaftliche Situation der deutschen Firmenkunden.“

Eine Vermittlerrolle könnte Sewing dagegen in der Diskussion über eine einheitliche europäische Einlagensicherung (Edis) zukommen. Im Gegensatz zu den Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die Edis strikt ablehnen, hält Sewing eine gemeinsame Einlagensicherung perspektivisch für richtig, um die europäische Bankenunion zu stärken und eine Kapitalmarktunion voranzutreiben.

Er werde über das Thema mit Sparkassen und Genossenschaftsbanken sprechen, kündigte Sewing an. „Ich respektiere total, dass jeder erst mal seine Sicht und sein Geschäftsmodell hat“, sagte der Deutsche-Bank-Chef. „Ich glaube allerdings, dass über die Zeit auch ein eher auf Deutschland fokussiertes Geschäft enorm von Europa abhängt.“ Deshalb müssten alle ein Interesse an einem wettbewerbsfähigen Europa haben.

Zuversichtlich äußerte sich Sewing zur Situation der deutschen Wirtschaft in der Coronakrise. Im laufenden Jahr werde es zwar mehr Insolvenzen geben als 2020. Insgesamt habe sich die deutsche Wirtschaft aber „deutlich robuster gezeigt, als wir es alle vor einem Jahr erwartet haben“.

Im Vergleich zur Finanzkrise 2008 hätten viele Unternehmen ihre Kapital- und Liquiditätsausstattung deutlich verbessert. Zudem profitierten die deutschen Unternehmen vom anziehenden Exportgeschäft, besonders in Asien. Unter dem Strich erwarte er deshalb keine materiellen Ausfälle, sagte Sewing. „Mir ist nicht bange um die wirtschaftliche Situation der deutschen Firmenkunden.“

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