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24.03.2023

10:49

Bargeld

Kampf gegen Sprengung von Geldautomaten: Die ersten Sparkassen lassen Filialen bewachen

Von: Elisabeth Atzler, Felix Stippler

Die Frankfurter Sparkasse hat an 28 Standorten nachts Sicherheitspersonal eingesetzt. Ihr Chef fordert den Einsatz von Verklebetechnik zum Schutz gegen Angriffe.

Die Frankfurter Sparkassen haben begonnen, in ihren Filialen nachts Sicherheitspersonal einzusetzen. IMAGO/snowfieldphotography

Sprengung eines Geldautomaten

Die Frankfurter Sparkassen haben begonnen, in ihren Filialen nachts Sicherheitspersonal einzusetzen.

Frankfurt, Mainz Angesichts immer brutalerer Sprengungen von Geldautomaten setzt die Frankfurter Sparkasse auf Schutz durch Sicherheitspersonal. „Wir haben mittlerweile eine Personenbewachung eingeführt“, sagte Sparkassenchef Ingo Wiedemeier am Donnerstag. Es gehe um 28 Standorte mit Geldautomaten, die nachts ohnehin bereits geschlossen seien.

Die Sparkasse hat damit laut Wiedemann im Januar begonnen. Anlass war die Sprengung eines Geldautomaten in einer Filiale, die sich im Erdgeschoss eines Wohnhauses im Frankfurter Stadtteil Griesheim befand. Die Sparkasse halte an der Bewachung fest, „bis Ruhe einkehrt“, sagte Wiedemann.

Doch auch mit der Bewachung lassen sich nicht alle Delikte verhindern. Ende vergangenen Jahres griff eine Bande in Koblenz einen Wachmann an, der sie stellen wollte. Zuvor hatten die Täter den Automaten der örtlichen Sparkasse gesprengt. Der Wachmann wurde verletzt und musste ärztlich versorgt werden.

„Wir erleben eine immense Gewalt und Brutalität, die auch Menschenleben gefährdet. Leider kann es in diesem Zusammenhang auch zu Einschränkungen in der Verfügbarkeit von Geldautomaten, etwa in den Nachtstunden, kommen“, sagte der Präsident des Sparkassenverbands Rheinland-Pfalz, Thomas Hirsch, am Donnerstag.

Auch die Volksbank Ruhr Mitte aus Gelsenkirchen hatte sich kürzlich entschieden, ihre Selbstbedienungs-Foyers vorübergehend bewachen zu lassen. Nordrhein-Westfalen ist besonders betroffen von den Sprengungen, weil der Großteil der Täter aus den Niederlanden kommt.

Im Jahr 2022 gab es fast 500 Angriffe auf Geldautomaten

Der Schritt hin zu einer Bewachung von Filialen verdeutlicht, dass bisher unternommene Maßnahmen keinen ausreichenden Schutz bieten und die Täter nicht ausreichend abschrecken. Die Zahl der gesprengten Geldautomaten schnellte im vergangenen Jahr bundesweit nach oben. Es gab in Deutschland fast 500 Angriffe – so viele wie noch nie.

Auch 2023 geht die Angriffswelle weiter. Dem Sparkassenverband Rheinland-Pfalz zufolge gab es seit Jahresbeginn bereits 15 Sprengungen in dem Bundesland. Im vergangenen Gesamtjahr waren es insgesamt 56.

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Die Sprengattacken richten enormen Sachschaden an. Häufig werden die Gebäude, in denen sich Filialen und Geldautomaten-Standorte befinden, beschädigt. Teils ist die Zerstörung so groß, dass erst Statiker die Häuser prüfen müssen, bevor man sie wieder betreten darf.

Kriminelle nutzen bei ihren meist nächtlichen Attacken festen Sprengstoff, im Fachjargon „Explosivstoff“ oder „Blitz-Knall-Körper“ genannt. Dass bei den Attacken trotz umherfliegender Trümmerteile und Splitter bisher kein Unbeteiligter ernsthaft verletzt wurde, halten Experten für einen glücklichen Zufall. Zudem flüchten die Täter mit hochmotorisierten Autos und bis zu 300 Stundenkilometern, mitunter ohne Licht. Auch das ist sehr gefährlich für Unbeteiligte.

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Das LKA Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass die meisten Taten von einer mehrere Hundert Mann starken kriminellen Szene aus den Niederlanden verübt wird. Die Täter stammten vor allem aus marokkanisch-niederländischen Banden, „die vorwiegend in und um Utrecht, Rotterdam und Amsterdam leben“.

Um Einsatz der Verklebetechnik wird gerungen

Nun rüsten die Banken viele Geldautomaten und Selbstbedienungsräume sicherheitstechnisch auf. Die konkreten Schutzmaßnahmen hängen unter anderem von Gerätetypen und Standorten ab. Üblich sind unter anderem Videoüberwachung, Erschütterungsmelder sowie spezielle Sicherungen von Fenstern und Zugangstüren. Immer öfter schließen die Geldhäuser Selbstbedienungsstandorte von 23 bis 6 Uhr ganz oder entleeren die Geldautomaten bereits am späten Nachmittag.

Zudem bauen Banken auch wegen der Sprengungen verstärkt Geldautomaten ab. Bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind 2021 jeweils rund 1000 Automaten weggefallen. Die Volks- und Raiffeisenbanken bauten 2022 rund 800 Geräte ab, von den Sparkassen liegen noch keine Zahlen vor.

Um Täter abzuschrecken, können Banken Geldscheine bei Explosionen automatisch verfärben oder verkleben lassen. Das soll die Beute für die Angreifer unbrauchbar machen. Das Verfärben wird schon länger genutzt, jedoch keineswegs flächendeckend. Derzeit ringen Geschäftsbanken und Bundesbank darum, wie genau die Notenbank den Geschäftsbanken verklebte Geldscheine erstatten könnte.

Sparkassenchef Wiedemann hält es für sinnvoll, dass die Branche auf eine Abschreckungsmaßnahme verpflichtet wird. Er halte eine gesetzliche Regelung für sinnvoll, nach der ein Geldautomat nur betrieben werden dürfe, wenn er eine Verklebe- oder Einfärbetechnik nutze, die die Scheine unbrauchbar mache. „Wäre es zugelassen, würden wir die Technik einsetzen“, sagte auch Hirsch zur Verklebetechnik, die anders als das Verfärben in Deutschland noch nicht angewandt werden darf.

Als Vorbild gelten die Niederlande, weil dort unter anderem Verklebetechnik eingesetzt wird und die Sprengungen deutlich zurückgegangen sind. Zuvor hatte es mehrere Jahre lang viele Angriffe gegeben. Die Zahl der Attacken ging von 129 im Jahr 2013 auf neun im vergangenen Jahr zurück. 2021 waren es laut dem niederländischen Bankenverband aber nur drei.

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