Die Smartphone-Bank versuchte, die Abstimmungen über einen Wahlvorstand zu verhindern – erfolglos. Eine Betriebsratswahl ist damit jetzt möglich.
Frankfurt Im Konflikt zwischen N26 und seinen Mitarbeitern über die Einrichtung eines Betriebsrats haben die Mitarbeiter auch die zweite Runde für sich entschieden. Zum zweiten Mal hatte N26 mit einer einstweiligen Verfügung versucht, die Abstimmung über einen Wahlvorstand zu verhindern. Dieser ist auf dem Weg zur Bildung eines Betriebsrats zwingend erforderlich.
Bereits am Donnerstag war das Unternehmen mit seiner Strategie ins Leere gelaufen. Auch am Freitag fanden die Mitarbeiter einen Weg, um sich trotzdem treffen und die notwendige Abstimmung durchführen zu können. Damit ist eine weitere Hürde für die Wahl eines Betriebsrats genommen.
In der vergangenen Woche hatte eine Gruppe von N26-Mitarbeitern ihr Anliegen für die Wahl eines Betriebsrats öffentlich gemacht. Das Vertrauen in das Management sei „auf einem historischen Tiefstand“, beklagten sie. In dem 2015 gegründeten Unternehmen mit inzwischen mehr als fünf Millionen Kunden mangelt es wohl an Transparenz. Kritisiert werden zudem Ungleichheit bei den Gehältern und die Befristung von Verträgen.
Als ersten Schritt auf dem Weg zu einem Betriebsrat hatten die Mitarbeiter Kollegen zu zwei Treffen in das Berliner Hofbräu Wirtshaus eingeladen, um dort den Wahlvorstand zu wählen. Gegen diese Einladungen erwirkte N26 bereits am Mittwoch eine einstweilige Verfügung beim Berliner Arbeitsgericht.
Das erste Treffen am Donnerstagmittag konnte trotzdem wie geplant stattfinden, da alternativ die Gewerkschaft Verdi einlud. Vor dem Treffen am Freitag wiederholte sich das Spiel: N26 erwirkte auch gegen Verdi eine einstweilige Verfügung, dieses Mal sprach ersatzweise die IG Metall die Einladung aus.
Begründet hatte die Bank ihr Veto damit, dass es im Berliner Hofbräu Wirtshaus kein Gesundheits- oder Sicherheitskonzept für solch große Versammlungen gebe. Dies bezeichnete Verdi-Vertreter Oliver Hauser als vorgeschobenes Argument: „In dem Hofbräu Wirtshaus werden jeden Tag Hunderte Leute bewirtet, das Gebäude ist riesig, und die vorgesehene Etage bietet ausreichend Platz, um die Abstandsregeln einzuhalten“, sagte er dem Handelsblatt.
Die Bank N26 dagegen betonte ihre Verantwortung als Arbeitgeber: Man habe eine Sorgfaltspflicht für die Mitarbeiter, und die gelte „ganz besonders während der aktuellen Coronakrise“. Die zweite einstweilige Verfügung sei angestrebt worden, da sich in der Zwischenzeit nichts an der Gesamtsituation geändert habe, sagte ein N26-Sprecher dem Handelsblatt. Ein Gesundheits- oder Sicherheitskonzept des Veranstaltungsorts habe N26 noch immer nicht vorgelegen.
Das Vorgehen von N26 wertet Hauser als „besonders krasse Gegenwehr“. Damit gehe das Management härter gegen das Zustandekommen eines Betriebsrats vor als durchschnittliche Unternehmen. Während des Treffens am Freitagvormittag kam es nach Berichten von Hauser und N26-Mitabeitern sogar zu einem Polizeieinsatz. Die Beamten hätten den Auftrag gehabt, den Versammlungsort hinsichtlich der Einhaltung der Corona-Auflagen zu prüfen. „Sie haben jedoch keine Indizien für Fehler im Sicherheitskonzept gefunden und haben das Wirtshaus schnell wieder verlassen“, berichtete der Verdi-Vertreter.
Ab ihrer Wahl in den Wahlvorstand genießen die Beschäftigten besonderen Kündigungsschutz nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Dadurch haben sie während der Vorbereitungen für die eigentlichen Betriebsratswahlen keine Entlassung zu befürchten.
Am Donnerstag hatten etwa 50 Mitarbeiter der N26 Operations GmbH drei Personen für den Wahlvorstand gewählt. Am Freitag waren wohl nur 30 Mitarbeiter der N26 GmbH vor Ort. Sie wählten ebenfalls drei Personen für den Wahlvorstand. Die geringere Teilnehmerzahl erklärte Hauser mit dem „Hin und Her im Vorfeld der Veranstaltung“. Für die Gültigkeit der Wahlen sei die Anzahl der teilnehmenden Mitarbeiter aber unerheblich.
N26 hatte in den vergangenen Tagen betont, „dass weder die Gründer noch das Managementteam von N26 sich gegen eine Arbeitnehmervertretung und -beteiligung – egal welcher Form – stellt oder gegen sie vorgeht“. Wenn einige Mitarbeiter das Bedürfnis hätten, „die Feedback-Kultur anders zu organisieren, werden wir dies natürlich voll und ganz respektieren und unterstützen“.
Dabei komme es darauf an, dass die gesamte Belegschaft an allen Standorten gehört werde und niemand aus diesem Prozess ausgeschlossen werde. Das Management von N26 erarbeite daher mit interessierten Teammitgliedern einen Vorschlag, wie eine „solche moderne und internationale Mitarbeitervertretung aussehen“ könne. Die Mitarbeiter drängen dennoch auf einen formalen Betriebsrat.
Wie es aussehen kann, wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter bei der Wahl eines Betriebsrats unterstützt, machte nach Aussage von Hauser vor einigen Monaten ein anderes Berliner Start-up vor: „Dort hat der Chef während der Wahlversammlung Bier und Snacks bereitgestellt, so wie es in der Firma auch bei anderen internen Treffen üblich ist. Und nach der Wahl kam er direkt vorbei, um den Mitarbeitervertretern zu gratulieren.“
Ein Betriebsrat bedeutet für ein Unternehmen eine zusätzliche Kontrollinstanz und für das Management eine zusätzliche Herausforderung. „Zu einem gewissen Grad ist das für eine Firma auch mit Kosten verbunden, etwa für die Freistellung und Schulung von Mitarbeitern“, sagt der Verdi-Vertreter. „Noch größer ist bei den Chefs aber meist die Sorge, dass ein Betriebsrat die Entscheidungsprozesse verlangsamt und sie weniger flexibel handeln können.“
Im Zuge der Coronakrise hatte N26 Anfang April knapp 150 Mitarbeiter aus Deutschland und Österreich in Kurzarbeit geschickt, in den USA wurden neun Mitarbeiter entlassen. Den Plan zur Gründung eines Betriebsrats verfolgt eine Gruppe von Mitarbeitern aber schon seit einem Jahr.
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