Die Zinswende verleiht den Instituten Rückenwind. 2023 müssen sie sich aber auf mehr Kreditausfälle und einen härteren Kampf um Einlagen einstellen.
Skyline von Frankfurt
In den kommenden Wochen legen die europäischen Banken ihre Zahlen vor, darunter auch die Deutsche Bank und die Commerzbank.
Bild: dpa
Frankfurt Nach den Bilanzzahlen der US-Banken blicken Investoren in den kommenden Tagen gespannt nach Europa. Vor allem ein Thema dürfte dann wieder im Fokus stehen: Die Zinswende.
Seit dem vergangenen Sommer hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen im Euro-Raum viermal in Folge angehoben, zuletzt im Dezember auf 2,5 Prozent. Der zurzeit noch wichtigere Einlagenzins, den Banken für ihre Einlagen bei der EZB bekommen, stieg von 1,5 auf 2,0 Prozent. Die Euro-Währungshüter wollen mit den Zinserhöhungen die nach wie vor hohe Inflation bekämpfen.
Auch die Bank of England (BoE) hob die Leitzinsen in Großbritannien zuletzt um 50 Basispunkte auf 3,5 Prozent an. Der höchste Stand seit 14 Jahren und zugleich die neunte Zinserhöhung in Folge.
Davon profitieren die Banken. „Wir erwarten durch die steigenden Zinserträge positive Ergebnisse der europäischen Banken“, sagte DRBS-Morningstar Analystin Sonja Förster. Auslöser sei neben den gestiegenen Zinsen auch die Inflation, die eine steigende Kreditnachfrage bei den Geldinstituten auslöse.
Das hat sich bereits bei den US-Banken gezeigt, die ebenfalls von den steigenden Zinsen der US-Notenbank Federal Reserve profitiert haben. Bei JP Morgan Chase legte das Nettozinseinkommen im vierten Quartal auf gut 20 Milliarden Dollar zu – ein neuer Rekord und ein Plus von 49 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch bei der Bank of America, der Citigroup und Wells Fargo stiegen die Zinseinnahmen Ende des vergangenen Jahres deutlich.
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In Europa zählt die Commerzbank dank ihres großen Einlagen- und Kreditgeschäfts zu den größten Profiteuren der Zinswende. Analysten gehen im Schnitt davon aus, dass der Zinsüberschuss bei Deutschlands zweitgrößter Privatbank im vergangenen Jahr um rund ein Viertel gestiegen ist. Unter dem Strich hat das Institut den Schätzungen zufolge einen Gewinn von 1,3 Milliarden Euro eingefahren – nach 430 Millionen Euro im Jahr 2021.
Auch bei der spanischen Santander Bank und der französische BNP Paribas gehen Analysten von einem Gewinnanstieg aus. Bei BNP rechnen sie mit einem Anstieg um etwa acht Prozent auf 10,3 Milliarden Euro, bei Santander um fast 15 Prozent auf 9,3 Milliarden.
Noch deutlicher dürfte die Zinserhöhung bei den britischen Geldhäusern durschlagen. „Die britische Zentralbank hat den Leitzins schneller und stärker angehoben“, betont Analystin Förster. Hinzu kommt, dass es etwa in Deutschland und Frankreich einen hohen Anteil an festverzinslichen Krediten gibt. In Großbritannien haben viele Kredite dagegen variable Zinsen. Die Neubepreisung des Kreditbuches schlage sich somit in Großbritannien schneller im Zinsertrag wider, erklärt Förster.
Analysten gehen bei der britischen HSBC im Schnitt davon aus, dass die Bank ihre Erträge im vierten Quartal um fast 20 Prozent auf gut 14 Milliarden Dollar steigern konnte. Der Konzernüberschuss dürfte sich den Schätzungen zufolge im letzten Quartal des vergangenen Jahres sogar fast verdoppelt haben auf 3,7 Milliarden Dollar.
Ob sich dieser Trend allerdings im laufenden Jahr fortsetzen wird, bleibt fraglich. JP Morgan dämpfte die Erwartung an einen weiter steigenden Zinsüberschuss. Als neues Ziel für 2023 nannte die Bank 74 Milliarden Dollar an Einnahmen aus dem Zinsgeschäft. Dies liegt unter den Prognosen vieler Analysten.
Analystin Förster wundert das nicht: „Der Wettbewerb zwischen den Banken um die Einlagen der Kunden dürfte 2023 weiter steigen. Das belastet jedoch das künftige Zinsergebnis der Institute, denn sie müssen ihren Kunden attraktivere Konditionen anbieten“.
Tun Banken dies nicht, können Kunden ihre Gelder in andere Produkte umschichten – oder gleich ganz zur Konkurrenz wechseln. In Deutschland bieten Neobroker wie Trade Republic und Scalable Capital bereits zwei beziehungsweise 2,3 Prozent Zinsen auf Tagesgeld.
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Bei weiteren Zinserhöhungen der Notenbanken dürften zudem die Sorgen vor einer Rezession wachsen. Hinzu kommen der Krieg in der Ukraine, hohe Energiepreise und gestörte Lieferketten. Das dürfte zu mehr Firmenpleiten führen – und auch die Finanzinstitute treffen.
Experten gehen davon aus, dass die Risikovorsorge bei vielen Banken ,wie der italienischen Unicredit und der niederländischen ING, im vierten Quartal angestiegen sind. Dramatisch ist die Lage aus Sicht von Analystin Förster jedoch nicht, sie spricht von einen „normalen Niveau“ an Risikovorsorge. „Der Bedarf hält sich derzeit in Grenzen, da während der Corona-Zeit viele Reserven aufgebaut wurden“, sagte sie. Davon zehren die Banken noch.
Zudem gebe es zwar das Risiko einer Rezession, doch gegenwärtig sprächen die Anzeichen dafür, dass sie eher milde verlaufen dürfte, so Förster. Unicredit-Chef Andrea Orcel ist nach den jüngsten Daten sogar optimistisch, dass die Euro-Zone eine Rezession ganz vermeiden könnte.
Neben einer steigenden Risikovorsorge setzt auch das schwächelnde Investmentbanking einigen Banken zu. Mit Beginn des Ukrainekriegs und den steigenden Zinsen ist das Geschäft mit Börsengängen sowie mit Fusionen und Übernahmen eingebrochen.
In den USA bekamen das zuletzt mehrere Großbanken zu spüren. Bei Goldman Sachs brachen die Erträge im Investmentbanking im vierten Quartal um 48 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal ein, bei Morgan Stanley um 49 Prozent.
In Europa hat die Flaute unter anderem die Deutsche Bank belastet. Schätzungen zufolge hat die Bank im Investmentbanking im vierten Quartal 2022 deutlich weniger verdient als im Durchschnitt der ersten drei Quartale. Darauf deuten auch die geplanten Bonuszahlungen des Instituts hin, die in der Investmentbank um etwa zehn Prozent niedriger ausfallen sollen.
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Die stabileren Geschäftsbereiche wie das Privat- und Firmenkundengeschäft dürften diese Delle den Schätzungen zufolge nicht ausgeglichen haben, obwohl beide Sparten sowohl von den gestiegenen Zinsen als auch von einem guten Neukreditgeschäft profitiert haben.
Insgesamt dürfte Deutschlands größtes Geldhaus im traditionell schwierigen vierten Quartal 2022 zwar mehr verdient haben als noch vor einem Jahr. An die Profitabilität in den ersten drei Quartalen 2022 konnte sie aber vermutlich nicht anknüpfen.
Auf Jahressicht gehen Analysten davon aus, dass die Deutsche Bank einen Gewinn von mehr als vier Milliarden Euro eingefahren hat. Das wäre das beste Ergebnis seit mehr als zehn Jahren. Das schon vor Jahren ausgegeben Ziel einer Rendite von acht Prozent auf das materielle Eigenkapital könnte Vorstandschef Christian Sewing den Analystenschätzungen zufolge mit 7,8 Prozent dagegen knapp verfehlt haben.
Positive Signale sind jedoch aus den Handelsabteilungen der Bank zu erwarten. Diese dürften vom volatilen Börsenumfeld profitieren und davon, dass viele Anleger ihre Portfolios aufgrund von Inflations- und Rezessionsängsten umschichten. Dies zeigten bereits die Zahlen der US-Banken.
Aus Sicht von DRBS-Morningstar stehen die europäischen Banken angesichts der wirtschaftlichen Lage im Jahr 2023 zwar vor einer schwierigen Aufgabe. Dennoch dürften die Bilanzen weiter von Zinserhöhungen profitieren, und „dank einer allgemein soliden Kapitalausstattung und reichlich vorhandener Liquidität stark bleiben“.
In der kommenden Woche legen zunächst Unicredit, die UBS sowie Santander und die Deutsche Bank ihre Zahlen vor. Eine Woche später berichten dann auch unter anderem die französischen Großbanken. Den Abschluss bilden die Commerzbank sowie die britischen Geldinstitute.
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