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16.03.2023

14:02

Bilanzskandal

Erste Versicherung von Wirecard-Managern kündigt Ende der Zahlungen an

Von: René Bender, Volker Votsmeier

Die Grundsumme der Manager-Haftpflichtversicherung von Wirecard ist fast aufgebraucht. Nun müssen andere Vertragspartner für Anwälte und Berater zahlen – je nach Urteil der Gerichte.

Für die Anwälte des langjährigen Wirecard-Chefs musste die Manager-Haftpflichtversicherung bislang die höchsten Summen zahlen. dpa

Markus Braun

Für die Anwälte des langjährigen Wirecard-Chefs musste die Manager-Haftpflichtversicherung bislang die höchsten Summen zahlen.

Köln Ein Dreizeiler des US-Versicherers Chubb sorgt für Aufregung bei vielen Anwälten und Beratern von ehemaligen Wirecard-Managern. „Hiermit möchten wir Sie der guten Ordnung halber darüber informieren, dass aktuell rund 13,5 Millionen der Grundversicherungssumme in Höhe von 15 Millionen Euro der von der Wirecard AG unterhaltenen D&O-Versicherung (DEFIIA34180) ausgeschöpft sind“, steht in einer Anfang März verschickten E-Mail.

Für die Verteidiger und Berater vieler ehemaliger Wirecard-Manager heißt das: Von der Chubb gibt es schon bald kein Geld mehr. Der Versicherer ließ Fragen unbeantwortet.

Die Abkürzung D&O steht für Directors and Officers Liability, die branchenübliche Bezeichnung für eine Manager-Haftpflichtversicherung. Mit ihr sichern Unternehmen ihre Vorstände und Aufsichtsräte bei Schadenfällen gegen Forderungen von Dritten oder von der eigenen Firma ab. Außerdem kommen sie für die oft hohen Anwaltskosten für die Verteidigung der Führungskräfte auf.

Im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters Wirecard sind drei ehemalige Manager angeklagt und weitere beschuldigt. Vorstandschef Markus Braun sitzt derzeit in Untersuchungshaft und hat Anfang der Woche im Prozess am Landgericht München ausgesagt.

Der frühere Asienvorstand Jan Marsalek flüchtete im Sommer 2020 und wird seitdem international gesucht. Zudem sind Oliver Bellenhaus angeklagt, Wirecards Statthalter in Dubai, und Ex-Chefbuchhalter Stephan von Erffa. Ein Urteil soll erst 2024 fallen.

Chubb als Grundversicherer von Wirecard ist durch die Prozesse mit horrenden Kosten konfrontiert. Laut Verträgen muss der Versicherer die ersten 15 Millionen Euro tragen, die vor allem die juristische Beratung von ehemaligen Wirecard-Managern verursacht.

Gericht zwang Chubb zur Zahlung

Der US-Versicherer hatte bereits den gerichtlichen Versuch unternommen, für die Anwälte und Berater von Markus Braun nicht aufkommen zu müssen. Begründung: Braun hätte gewusst, dass der Zahlungsdienstleister Geschäfte nur vortäuschte und seine Bilanzen fälschte. Bei vorsätzlichen Straftaten muss eine Versicherung in aller Regel nicht zahlen.

Doch das Oberlandesgericht Frankfurt gab Braun recht. Er argumentierte, dass ihm ohne die Leistung der D&O-Versicherung das Recht auf Verteidigung und rechtliches Gehör genommen würde. Chubb könne die Leistung nicht wegen einer arglistigen Täuschung verweigern, urteilten die Richter.

„Der Versicherungsschutz entfällt gemäß den Vertragsbedingungen erst bei der Feststellung einer vorsätzlichen oder wissentlichen Pflichtverletzung“, heißt es in dem Urteil von Ende 2021. Daher musste Chubb sogar die Kosten für die PR-Berater Brauns tragen. Je nach Urteil gegen Braun ist aber denkbar, dass Versicherer geleistete Beträge später zurückfordern. Für Bellenhaus müssen die Wirecard-Versicherungen schon jetzt nicht zahlen, denn er hat seine Straftaten bereits gestanden.

Rechtsstreitigkeiten sind für Unternehmen und ihre Versicherungen oft sehr teuer. Bei Wirecard beträgt die Deckungssumme der D&O-Versicherung 150 Millionen Euro, getragen wird sie von einem Konsortium aus mehreren Versicherern. Dazu gehören die Swiss Re Corporate Solutions, R+V und AGCS, der Industrieversicherer der Allianz. Außerdem beteiligt sind ANV, Dual, AIG, Liberty, HCC und QBE.

Nun sind andere Versicherer in der Pflicht

Weil der Schaden bei Wirecard die mit dem Grundversicherer vereinbarte Summe überschreitet, müssen nach Chubb nun die anderen beteiligten Versicherer zahlen. Sie sind in acht Schichten eingeteilt, jede Schicht übernimmt zwischen zehn und 25 Millionen Euro der Deckungssumme.

Nach Informationen des Handelsblatts kommt als Nächstes womöglich die Swiss Re an die Reihe. Auch sie könnte juristisch anfechten, im Fall Wirecard zahlen zu müssen. Fragen dazu beantwortete die Schweizer Versicherung nicht.

Obwohl Chubb vor Gericht keinen Erfolg hatte, könnten andere Versicherer es schaffen, die Zahlungen abzuwenden. Denn sie haben eigene Konditionen. Außerdem könnten neue Erkenntnisse aus dem Strafprozess gegen Braun eine Rolle spielen. Zudem sind möglicherweise andere Gerichte zuständig als im Chubb-Fall.

Die größte Forderung an das Versicherungskonsortium dürfte von Michael Jaffé kommen. Der Insolvenzverwalter von Wirecard hat die früheren Vorstände und zwei ehemalige Aufsichtsräte des Unternehmens wegen möglicher Pflichtverletzungen bei der Vergabe dreistelliger Millionenkredite verklagt. Die mündliche Verhandlung soll im Herbst 2023 beginnen. Das Verfahren umfasst mehr als 1000 Seiten.

Jaffés Klage richtet sich gegen Braun, Marsalek sowie die beiden früheren Vorstände Susanne Steidl und Alexander von Knoop. Auch Steidl und von Knoop führt die Staatsanwaltschaft in ihren Ermittlungen als Beschuldigte. Außerdem wird der ehemalige Aufsichtsrat Stefan Klestil verklagt. Klestil ist nicht beschuldigt, bei ihm dürfte ein Versicherungsausschluss wegen vorsätzlicher Straftaten nicht infrage kommen.

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