Die Brüsseler Behörde will die Abhängigkeit der EU von London verringern. Derivatehändler sollen daher verstärkt europäische Clearinghäuser nutzen.
Mairead McGuinness
Die EU-Finanzkommissarin will die Abhängigkeit der EU vom Finanzplatz London verringern.
Bild: AP
Brüssel Die EU-Kommission wird Finanzfirmen erstmals dazu verpflichten, einen Teil ihrer Derivategeschäfte bei Clearinghäusern in der EU abzuwickeln. Die Vorgabe gilt für EU-Unternehmen ab einem bestimmten Handelsvolumen und für bestimmte Anlageklassen, die von der Wertpapieraufsicht Esma als systemisch eingestuft werden.
Finanzkommissarin Mairead McGuinness wird die neue Clearingstrategie am 7. Dezember verkünden, wenn sie ihren Reformvorschlag zur EU-Verordnung zur Marktinfrastruktur (Emir) vorlegt. Damit erhöht sie den Druck auf die Unternehmen, nachdem alle Appelle an die Firmen, ihre Geschäfte in die EU zu verlegen, in den vergangenen Jahren verhallt waren.
„Finanzinstitute werden verpflichtet, einige Transaktionen bei Clearinghäusern in der EU abzuwickeln“, bestätigte ein Kommissionssprecher am Donnerstag. Zuvor hatte die „Financial Times“ darüber berichtet.
Bisher wird der Großteil der europäischen Derivategeschäfte beim Clearing-Marktführer LCH in London abgewickelt. Auch nach Großbritanniens Austritt aus der EU hat sich wenig daran geändert, weil die Banken und ihre Kunden die Kosten eines Umzugs scheuen. Die Brüsseler Behörde sieht die Abhängigkeit vom Finanzplatz London jedoch zunehmend als Gefahr, weil sie keine Aufsicht über den dortigen Handel hat, und will die Marktteilnehmer nun zur Verlagerung ihrer Geschäfte drängen.
McGuinness sagte im Handelsblatt-Interview vergangene Woche, sie sehe in der Branche zunehmend Akzeptanz für den Umzug des Clearinggeschäfts. Europa brauche nach dem Brexit eine „offene strategische Autonomie“ im Finanzsektor. Man müsse die Abhängigkeit vom Drittstaat Großbritannien reduzieren, weil sonst ein Risiko für die Finanzstabilität in der EU bestehe.
Laut dem Kommissionsplan müssen EU-Firmen ihr Clearing nicht komplett aus London abziehen. Aber einige müssen ein bestimmtes Minimum an Transaktionen in der EU abwickeln. Zu den von der Esma identifizierten systemischen Anlageklassen zählen etwa Zinsderivate in Euro und Zloty sowie Credit Default Swaps (CDS) und Futures in Euro. Zu den größten Profiteuren des Umzugs würde die Deutsche-Börse-Tochter Eurex in Frankfurt gehören.
McGuinness sagte, es gehe darum, die Firmen zur Verlagerung des Handels zu ermutigen. Auf der Angebotsseite wolle man Clearinghäusern in der EU erleichtern, ihre Produktpalette auszuweiten. Das derzeitige Genehmigungsverfahren könne unnötig lang und aufwendig sein.
Auch soll es Anreize für Marktteilnehmer geben, ihre Geschäfte in der EU abzuwickeln, um mehr Liquidität aufzubauen. Drittens müsse man sicherstellen, dass das hiesige Finanzsystem die zusätzlichen Risiken auch managen könne.
Die Kommissarin betonte, dass die Wirksamkeit der Reform nicht nur von Gesetzesänderungen abhänge. „Wir sind auf die Mitarbeit aller Akteure, privater wie öffentlicher, angewiesen“, sagte sie. Das werde nicht einfach, weil das bisherige System gut funktioniere. Aber London sei nicht länger Teil des EU-Systems.
McGuinness hatte im Februar die Ausnahmeregelung für die britischen Clearinghäuser noch einmal bis Juni 2025 verlängert. Es blieb ihr nichts anderes übrig, weil europäische Firmen auf die Infrastruktur angewiesen sind. Schon damals hatte sie aber an die Unternehmen appelliert, ihre Abhängigkeit zu verringern. Eine weitere Verlängerung werde es nicht geben.
Bislang scheinen ihre Warnungen keine Wirkung zu zeigen. In der Branche wird darauf spekuliert, dass die Kommission die Frist auch noch einmal verlängern wird, wenn es nötig sein sollte.
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