Finanz-Start-ups waren die Lieblinge der Investoren. In der Coronakrise sind Geldgeber skeptischer. Eine Studie untersucht die künftigen Potenziale.
Programmiererin am Laptop
Nach der Coronakrise könnten Fintechs als IT-Dienstleister für Banken besonders gefragt sein.
Bild: dpa
Frankfurt Eben noch konnten sie sich über Finanzierungsrunden in Rekordhöhe und immer höhere Bewertungen der Investoren freuen, jetzt gerät das Geschäft etlicher Finanz-Start-ups ins Stocken. Wie genau sich die Corona-Pandemie auf einzelne Geschäftsmodelle auswirkt und in welchen Segmenten es nach der Krise zu einem Boom kommen könnte, hat die niederländische Investment-Gesellschaft Finch Capital untersucht. Der Report, der dem Handelsblatt vorliegt, zeigt: Das größte Potenzial haben jene Fintechs, die als Dienstleister für etablierte Finanzinstitute agieren. In anderen Bereichen werden Firmen aus dem Markt ausscheiden.
Dass die Coronakrise einen großen Einfluss auf den Umgang der Menschen mit ihren Finanzen hat, zeigt sich schon an der Ladenkasse: Die Kunden nutzen weniger Bargeld und zahlen häufiger mit Karte. Auch in den Bankfilialen schauen sie seltener vorbei – aus Selbstschutz, und weil diese vielfach geschlossen sind. Experten sind sich sicher: Die Coronakrise wird der Digitalisierung einen Schub verleihen.
So sagt Radboud Vlaar, Co-Gründer von Finch Capital: „Die Krise wird den bisherigen Trend beschleunigen, und es wird normal, dass Finanzgeschäfte in erster Linie digital abgewickelt werden.“ Auch Peter Barkow, Inhaber des Analysehauses Barkow Consulting, meint: „Viele Kunden dürften jetzt merken, dass es nicht zwingend nötig ist, einem Bankberater persönlich gegenüberzustehen, und sie dürften offener für digitale Angebote werden.“
Doch längst nicht jedes digitale Geschäftsmodell wird profitieren. Für seine Analyse haben Vlaar und sein Team Gründer und Entscheider in Finanzinstituten befragt sowie eigene Untersuchungen und Marktstudien herangezogen. Ihrer Erwartung nach wird sich die Coronakrise akut noch bis ins dritte Quartal dieses Jahres auf die Branche auswirken. „Danach wird eine zwölf- bis 18-monatige Erholungsphase folgen“, sagt Vlaar.
Allgemein sei zu erwarten, dass Investoren vorsichtiger werden und die teils hohen Bewertungen der Start-ups unter Druck geraten. Dadurch könnte es auch vermehrt zu Übernahmen kommen – durch andere Fintechs oder auch durch etablierte Finanzunternehmen. Hier sind die Ergebnisse für die einzelnen Geschäftsfelder:
Mit Einbußen müssten insbesondere digitale Vermögensverwalter rechnen. Hinsichtlich ihrer Performance haben diese Robo-Advisors die Krise bisher sehr unterschiedlich gemeistert. Dass Kunden ihr Kapital komplett abziehen, sei zunächst selten vorgekommen, berichteten sie. Vlaar erwartet jedoch, dass sie durch einen Rückgang der Gebühren unter Druck geraten. „Die Gebühren richten sich nach dem verwalteten Vermögen, und wenn das sinkt, sinken auch die Umsätze. Außerdem müssen die Anbieter gerade mehr Ressourcen in die Kundenbetreuung stecken, das ist in ihren Geschäftsmodellen so nicht vorgesehen“, sagt er. Die Anbieter selbst hoffen indes darauf, dass Kunden gerade jetzt die günstigen Aktienkurse zum Einstieg nutzen.
Bessere Chancen schreiben die Studienautoren den Trading-Fintechs zu – schließlich würden stark schwankende Aktienkurse besonders zum schnellen Aktienhandel einladen. Tatsächlich hat der digitale Broker Trade Republic gerade ein starkes Kundenwachstum gemeldet. Vlaar rechnet damit, dass die neuen Kunden auch nach der Krise treu bleiben werden.
Im Zahlungsverkehr sind Fintechs schon besonders lange aktiv. In Deutschland gab es in diesem Bereich laut Fintech-Studie der Comdirect im vergangenen Herbst 46 Anbieter. Zugleich haben in diesem Segment schon etliche den Markt wieder verlassen. Die Konsolidierung dürfte sich nach der Coronakrise fortsetzen. Zu den Leidtragenden in der Krise zählen laut den Studienautoren nun unter anderem Anbieter, die Zahlungslösungen für kleine Unternehmen bieten. Ein geringeres Transaktionsvolumen während der Krise bedeutet für sie geringere Einnahmen. „Danach wird es zwei Effekte geben: Positiv wird sein, dass die Kunden auch künftig verstärkt auf Kartenzahlung setzen“, so Vlaar. Belastend könnte sich aber auswirken, dass die Reisebranche nur langsam wieder Fahrt aufnehme. Dadurch gehe ein hohes Transaktionsvolumen verloren.
Zu den Stars der Fintech-Welt gehörten bisher Smartphonebanken. Mit einer Bewertung in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar ist N26 das am höchsten bewertete deutsche Fintech. Kritiker mahnen schon lange, dass diese Bewertung zu hoch ist, denn die Umsätze der jungen Bank waren bisher überschaubar und resultierten zu einem großen Teil aus Gebühren im Zahlungsverkehr. Solche Einnahmen gehen aktuell zurück.
Das bestätigte jüngst auch N26-Finanzchef Maximilian Tayenthal gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Die Kartenumsätze unserer Kunden im März sind bislang leicht rückläufig. In gewissen Märkten verzeichnen wir bei den Kontoeröffnungen einen Rückgang von maximal zehn Prozent”, sagte er.
Langfristig jedoch könne sich die Krise positiv auf das Unternehmen auswirken, so Tayenthal: „Wir gehen davon aus, dass viele Leute ein Onlinekonto eröffnen werden, weil immer mehr Filialen wegen der Coronakrise zumachen. Digitale Banken werden stark an Bedeutung gewinnen.“
Finch Capital dagegen rechnet damit, dass die Bewertung solcher Digitalbanken erst einmal stagniert oder sogar sinkt – auch weil traditionelle Banken aufholen könnten. „Wegen einer gesteigerten Nachfrage nach digitalen Angeboten dürften traditionelle Banken ihre Aktivitäten in diesem Bereich ausweiten. Trotz Verlusten im Zuge der Krise werden sie dann immer noch größere Budgets für Marketing haben als die Fintech-Konkurrenten“, so der Investor. Manche Smartphonebanken könnten auch zu Übernahmekandidaten werden.
Besonders großes Potenzial schreibt Finch Capital solchen Fintechs zu, die als Dienstleister für andere Finanzinstitute agieren. Bei diesen hatte der Investor schon vor Ausbruch der Coronakrise große Chancen gesehen. Zwar würden Banken nun manche Innovationen ausbremsen, die zentralen Digitalisierungsprojekte dürften aber Vorrang haben. „Anbieter, die Banken dabei helfen, Prozesse zu automatisieren und zu digitalisieren, sind jetzt gefragt“, sagt Vlaar.
Das gelte zum Beispiel für Unternehmen, die Chatbots bereitstellen, oder solche, die Kunden online identifizieren, ohne dass sie in einer Bankfiliale vorstellig werden müssen. Ähnlich sieht es in der Versicherungsbranche aus: Hier seien künftig ebenfalls Software-Anbieter gefragt, zum Beispiel solche, die automatisierte Schadenbearbeitung ermöglichen.
Etliche Fintechs bieten Kredite und andere Finanzierungsprodukte für kleine und mittlere Unternehmen. Während der Krise könnten sie von Kreditausfällen betroffen sein. Zugleich erhöht sich die Nachfrage, doch wegen der gleichzeitig ansteigenden Risiken kann diese nur begrenzt bedient werden. So sagte etwa Auxmoney-Co-Gründer Raffael Johnen kürzlich im Gespräch mit dem Handelsblatt: Zwar könne er dank seiner Scoringsysteme weiterhin Anfragen annehmen, die viele Banken wegen vermeintlich schlechterer Bonität oder zu aufwendiger Prüfung ablehnen würden. „Aber auch wir haben unsere Annahmekriterien präventiv bereits verschärft.“
Nach Ansicht von Vlaar profitieren diese Fintechs nun davon, dass sie die Kredite meist noch nicht auf die eigenen Bücher nehmen. Oft vermitteln sie die Darlehen nur, und das Ausfallrisiko tragen externe Geldgeber. „So können sie sich nach der Krise ohne Altlasten dem Neugeschäft widmen“, sagt Vlaar. Noch stärker könnten seiner Ansicht nach Anbieter im Bereich der digitalen Baufinanzierung profitieren. Aktuell liege das Geschäft mehr oder weniger auf Eis, nach der Krise dürften solche Firmen aber einen Schub bekommen.
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