Hohe Verluste in den wichtigsten Sparten, dazu neue Strafzahlungen: Die Credit Suisse gerät stärker in Schieflage. Helfen soll nun ein neuer Chef – und ein radikaler Schritt.
Zentrale der Credit Suisse in Zürich
Auch am Hauptquartier in Zürich drohen Einschnitte.
Bild: Bloomberg via Getty Images
Zürich Quartalsbilanzen zu kommentieren gehört eigentlich nicht zu den Aufgaben eines Chefaufsehers. Trotzdem stellte sich Axel Lehmann, der Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, am Mittwoch persönlich den Fragen der Analysten. Zu weitreichend waren die Entscheidungen, die Lehmann unmittelbar vor der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen getroffen hatte – und zu unsicher deren Auswirkungen für die Zukunft der seit Jahren in der Krise steckenden Bank.
Lehmann kündigte eine „umfassende Überprüfung“ der Strategie der Bank an. Konzernchef Thomas Gottstein wird an deren Umsetzung jedoch nicht weiterarbeiten: Der seit Anfang 2020 amtierende CEO tritt zurück. Sein Nachfolger wird Ulrich Körner, wie die Bank am Mittwoch bekannt gab. Körner ist bislang Chef des Asset-Managements, des Anlagegeschäfts mit professionellen Investoren.
Der Zeitpunkt für die Ablösung kam für viele Mitarbeiter überraschend. Zwar galt Gottstein schon seit geraumer Zeit als angeschlagen. Doch ein Aus zu den Halbjahreszahlen hatte bis vor Kurzem kaum jemand bei der Credit Suisse auf der Rechnung, wie Gespräche mit Insidern verdeutlichen. Der scheidende CEO deutete auch persönliche Motive für seinen Rücktritt an. Er habe den Entschluss auch aus „privaten und gesundheitlichen“ Gründen getroffen, sagte Gottstein am Mittwoch.
Nötig geworden war der Schritt, weil die Bank erneut einen Verlust in Höhe von 1,6 Milliarden Franken einräumen musste, weit mehr als von Analysten erwartet. Schlimmer noch: Das Ergebnis ließ sich nur teilweise aus steigenden Kosten für Rechtsstreitigkeiten oder einmaligen Abschreibungen erklären.
Vielmehr geriet das Kerngeschäft unter Druck. Die reichen Kunden zogen Milliarden ab, die wiederkehrenden Erträge in der Vermögensverwaltung schrumpften, und das Investmentbanking kollabierte. „Unsere Bank steht zweifellos vor einer großen Transformation“, so Lehmann. „Die enttäuschende Performance hat die Dringlichkeit zu handeln noch verschärft.“ Es gehe darum, den Prozess, der unter Gottstein angestoßen wurde, zu beschleunigen.
Im Fokus des Umbaus steht die Investmentbank. Sie solle in ein „kapitalschonendes, beratungsorientiertes Bankgeschäft und ein stärker fokussiertes Marktgeschäft“ verwandelt werden. Damit folgt Lehmann dem Vorbild der UBS. Der Prozess, Kapital aus der Investmentbank abzuziehen und in weniger riskante Geschäftsmodelle zu stecken, soll ebenfalls beschleunigt werden. Doch mit welchen Auswirkungen?
„Die enttäuschende Performance hat die Dringlichkeit zu handeln noch verschärft.“ Axel Lehmann, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse
Die Credit Suisse versteht sich seit jeher als Unternehmerbank, die an der Seite ihrer unternehmerisch denkenden Kunden bereit ist, größere Risiken als andere einzugehen. Das bedeutet jedoch auch: Sie begleitet etwa riskante Firmenübernahmen durch Private-Equity-Fonds und stellt das nötige Fremdkapital bereit.
Dieses sogenannte Leverage-Finance-Geschäft kam die Bank zuletzt teuer zu stehen. Sie muss darauf einen dreistelligen Millionenbetrag abschreiben. Hinzu kommt: Das Kapitalmarktgeschäft der Credit Suisse kam praktisch zum Erliegen. Auch der traditionell starke Anleihehandel schwächelte. Ziel sei es, das Kapitalmarktgeschäft in Zukunft besser mit den Bedürfnissen der Kunden in der Vermögensverwaltung in Einklang zu bringen, so Lehmann.
Eine Aussage, die sich wie eine Kritik an dem derzeitigen Investmentbanking-Chef Christian Meissner anhört. Er war vor etwas mehr als einem Jahr angetreten, um Investmentbanking und Vermögensverwaltung stärker zu verzahnen. Meissner gilt als großer Verlierer der Umstrukturierung, zumal er zwei Co-Leiter für die Bereiche Banking und Markets an die Seite gestellt bekommt. Die „Financial Times“ berichtete bereits, dass der Topbanker vor dem Abschied steht.
Dass Meissners Zeit bei der Credit Suisse zu Ende zu gehen scheint, ist ebenfalls eine Überraschung. Der Österreicher mit langjähriger Wall-Street-Erfahrung galt als Bindeglied zwischen der schweizerisch geprägten Vermögensverwaltung und der amerikanisch dominierten Investmentbank. „Der hält den Laden zusammen“, sagt ein hochrangiger CS-Banker. Mancher traute ihm gar zu, eines Tages Gottstein zu beerben.
Ulrich Körner
Der Chef der Asset-Management-Sparte der Schweizer Großbank wird neuer Chef des Konzerns.
Bild: dpa
Diesen Job muss nun Ulrich Körner ausfüllen. Er gilt als erfahrener Turnaround-Manager. Bis 2009 leitete er das Schweizgeschäft der Credit Suisse, bevor er zum Konkurrenten UBS wechselte. Die Neuausrichtung des Asset-Managements bei der UBS zählt als sein Meisterstück. Ähnliches sollte er auch bei der Credit Suisse bewirken. Er war Anfang 2021 als Chef des Asset-Managements zurückgekehrt.
Nun ist seine Aufgabe ungleich größer: Denn auch die Vermögensverwaltung, das wichtigste Geschäftsfeld der Credit Suisse, rutschte im zweiten Quartal deutlich ins Minus. Ein Grund war eine Reihe von Abschreibungen. Doch selbst auf bereinigter Basis, bei der diese Einmaleffekte ausgeklammert werden, betrug der Rückgang des Vorsteuergewinns in der Sparte 74 Prozent.
Auch die von Körner verantwortete Sparte Asset-Management steht alles andere als gut da: Zwar profitierte sie von einem gewinnbringenden Verkauf an einer Beteiligung in Japan, die den Vorsteuergewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdreifachte. Doch rechnet man diesen Sondereffekt heraus, steht unter dem Strich ein Einbruch des Vorsteuergewinns um 56 Prozent. Zudem ist die Sparte mit 400 Milliarden Franken verwaltetem Vermögen im Branchenvergleich eigentlich zu klein.
Scheidender Bankchef Thomas Gottstein
Der Zeitpunkt seiner Ablösung kam für viele Mitarbeiter überraschend.
Bild: © 2019 Bloomberg Finance LP
Und dann ist da noch das Problem der Refinanzierung: Eine Nachfolge für den scheidenden Finanzchef David Mathers ist noch nicht gefunden. Gleichzeitig will die Bank sogenannte AT1-Anleihen im Milliardenwert ausgeben, weil diese auch dem Eigenkapital zugerechnet werden können. Für diese Zinspapiere musste die Bank zuletzt Zinsen von über neun Prozent berappen. Zudem prüft sie einen Teilverkauf des profitablen, aber kapitalintensiven Geschäfts mit strukturierten Produkten, etwa mit Optionsscheinen und Derivaten.
Die Analysten bleiben skeptisch: „Viel Erfolg dabei, Kapital für das Geschäft mit strukturierten Produkten zu beschaffen“ spottete JP-Morgan-Analyst Kian Abouhossein. Anke Reingen, Analystin von RBC Capital Markets, sagte: „Strategische Veränderungen ergeben Sinn.“ Doch die Bank habe angesichts ihrer Kernkapitalquote von 13,5 Prozent wenig Flexibilität.
Diese Flexibilität will Lehmann jedoch mit einem „rigorosen Fokus auf die Kosten“ schaffen, wie er sagt. Die operativen Kosten sollen von derzeit 16,8 Milliarden Franken auf unter 15,5 Milliarden Franken sinken. Wie viele Jobs das kosten wird, darauf wollte sich Lehmann jedoch nicht festlegen.
Einen strategischen Vorteil hat die neu formierte Führungsriege um Axel Lehmann und Ulrich Körner: Sie kennt sich jahrelang aus ihrer gemeinsamen Zeit bei der UBS. Mit Markus Diethelm als Chefjurist spielt noch ein dritter Ex-UBSler eine wichtige Rolle beim Konzernumbau, muss er doch die juristischen Altlasten aus dem Weg räumen. Das erleichtere die Arbeit im Vorstand, heißt es in Branchenkreisen.
Eine Übernahme durch den Konkurrenten UBS, über die in Zürich immer mal wieder spekuliert wurde, wird dadurch jedoch nicht wahrscheinlicher. UBS-Chef Ralph Hamers sieht die größten Wachstumsmöglichkeiten in der US-Vermögensverwaltung – ein Markt, in dem die Credit Suisse notorisch schwach ist. Warum also, fragen sich Brancheninsider, sollte sich die UBS eine solch riskante Übernahme antun?
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