Ehemalige und amtierende Vorstände der Deutschen Bank sollen Aktiengeschäfte auf Kosten der Steuerzahler zu verantworten haben. Die Ermittlungen laufen.
Anshu Jain
Gegen den Ex-Vorstand der Deutschen Bank, hier bei der Handelsblatt Bankentagung 2013, wird im Cum-Ex-Skandal ermittelt.
Bild: Reuters
Düsseldorf, Frankfurt Garth Ritchie ist in der Deutschen Bank die Nummer eins – zumindest gemessen am Gehalt. Für das Jahr 2018 strich der Vizechef und Leiter der Investmentbank insgesamt 8,6 Millionen Euro ein und überflügelte damit sogar den Vorstandsvorsitzenden Christian Sewing. Die Bank belohnte Ritchie mit drei Millionen Euro extra, weil er die Verantwortung für die Vorbereitungen auf den Brexit trug.
Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln, ob er auch für etwas anderes verantwortlich war. Nach Informationen des Handelsblatts verdächtigt die Strafverfolgungsbehörde Ritchie, an Steuerhinterziehung in großem Stil beteiligt gewesen zu sein. Für den Chef des Investmentbankings, der zuletzt auch wegen operativer Probleme in der Kritik stand, ist der Verdacht eine schwere Last.
Seinen Arbeitgeber treffen die Vorwürfe ebenfalls hart. Deutschlands großer Steuerskandal ist mitten in Deutschlands größter Bank angekommen. Ritchie ist nur einer von etwa 80 Beschuldigten, die für die Deutsche Bank arbeiteten oder arbeiten. Es geht um Aktienhandel der Marke Cum-Ex. Die Akteure täuschten die Finanzämter so, dass die mehrfach Kapitalertragsteuer erstatteten, die nur einmal abgeführt worden war. Mehr als hundert Banken beteiligten sich an den Geschäften auf Kosten der Steuerzahler. Geschätzter Gesamtschaden: zwölf Milliarden Euro.
Viele Ermittlungen laufen bei der Staatsanwaltschaft Köln zusammen. Zu den Männern, die sie als Beschuldigte führt, zählen neben Ritchie der ehemalige Vorstandschef Josef Ackermann und sein Nachfolger Anshu Jain. Sprecher von Ackermann und Jain wollten sich nicht dazu äußern.
Die Deutsche Bank betont, an den Geschäften allenfalls am Rande beteiligt gewesen zu sein. Aus ihrer Sicht seien die Ermittlungen „rein aus Gründen der Verjährungsunterbrechung“ eingeleitet worden. Das sei ein übliches Vorgehen. „Die Deutsche Bank hat an einem organisierten Cum-Ex-Markt weder als Leerverkäuferin noch als Cum-Ex-Erwerberin teilgenommen“, hieß es aus Frankfurt. Man sei lediglich teilweise in Cum-Ex-Geschäfte von Kunden eingebunden gewesen.
Nach Informationen des Handelsblatts ist dies mehr Wunsch als Wirklichkeit. Die Staatsanwaltschaft äußert sich nicht, Unterlagen zeigen jedoch, wie virulent das Thema Cum-Ex in der Deutschen Bank war. Besonders aufschlussreich sind sechs sogenannte Xenon-Berichte, bezahlt von der Deutschen Bank und erstellt von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, allesamt als „hochvertraulich“ gestempelt.
Band zwei vom 16. April 2015 befasst sich mit der „Beteiligung der Deutsche Bank AG (DB) am deutschen Cum/Ex-Markt im Zeitraum 2006–2011“. Die Anwälte notierten: „Es handelt sich um ein Aktiengeschäft, bei dem die Kapitalertragsteuer auf die Dividende einmal gezahlt, ihre Erstattung von der Finanzverwaltung aber aufgrund von Leerverkäufen mehrfach gefordert wird.“ Aufgabe der Kanzlei sei, das Verhalten einzelner Personen und potenzielle organisatorische Defizite in der Bank zu untersuchen. „Die Deutsche Bank verfügte im Untersuchungszeitraum über kein System, das den Abschluss von Cum-Ex-Geschäften technisch unmöglich machte“, hielten die Anwälte fest.
Vor allem die Londoner Händler nutzten die mangelhafte Risikovorsorge aus. 2008 etwa beteiligte sich die Bank an Cum-Ex-Deals der Fondsfirmen Nummus und Seriva. 2009 bauten Banker das Geschäft aus.
Die Deutsche Bank kooperierte gleich mit fünf Gesellschaften. Besonders relevant: die Ballance-Gruppe – eine der aktivsten Cum-Ex-Schnittstellen der Welt. Gegründet von Paul Mora, einem ehemaligen Händler der Hypo-Vereinsbank, wurde Bal‧lance zum Mittelpunkt milliardenschwerer Transaktionen. Mora arbeitete auch eng mit Hanno Berger zusammen, dem Mann, der vielen als Guru des potenziellen Steuerbetrugs gilt.
Beide, Mora und Berger, sind heute von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt angeklagt. Berger lebt in der Schweiz und hält die Cum-Ex-Geschäfte für legal. Die Ermittlungen gegen ihn bezeichnet Berger als Justizskandal. Mora äußert sich nicht und hat sich in seine Heimat Neuseeland zurückgezogen. Moras Geschäftspartner bei Ballance, Martin S. und Nick D., sind in Wiesbaden und Bonn angeklagt. Es gilt als hochwahrscheinlich, dass die Anklagen zugelassen werden und Prozesse folgen.
Die Angeschuldigten gehörten zu den Männern, mit denen die Deutsche Bank Geschäfte machte. Ihre Gesellschaften trugen Namen wie Ballance Overseas Holding Limited (Bohl), Instinct Investments Limited, BCF Fund Limited, Maltinvest Limited und Jay Say Investments Limited.
Die Firma Bohl kaufte oder lieh in den Jahren 2009 und 2010 deutsche Aktien kurz nach dem Dividendenstichtag von der Deutschen Bank. Der Verdacht: Bohl lieferte diese Aktien ganz oder teilweise an Leerverkäufer. BCF, Maltinvest, Instinct und Jay Say investierten Eigenkapital. Die Deutsche Bank hebelte die Investments mit Fremdkapital teils in Milliardenhöhe und sicherte die Geschäfte ab. Ohne das Frankfurter Geldhaus wären die Geschäfte kaum möglich gewesen.
Lässt sich all dies als „Beteiligung am Rande“ darstellen, wie die Deutsche Bank ihr Verhältnis zu Cum-Ex-Geschäften bezeichnet? Yassine B., der nach den Erkenntnissen der Ermittler eine wichtige Rolle bei den Deals spielt, wurde 2008 Chef des Aktienhandels. Damit war er Teil von Anshus Army, so nannte sich die Truppe um den damaligen Chef des Investmentbankings, Anshu Jain. Zahlreiche Banker aus Jains Team zählen nun zu den Beschuldigten.
Die gigantischen Profite der Sparte waren ein Grund, warum Jain später Co-Vorstandschef wurde. Dass die Gewinne teils aus äußerst fragwürdigen Quellen stammten, hinterfragte kaum jemand. Nun folgen die Rechnung und eine neue Einordnung der beiden. Anshu Jain schied 2015 aus der Bank aus. Einer seiner Nachfolger, Garth Ritchie, ist noch da. Cum-Ex-ist das Thema, das beide vereint.
Mehr: Gegen mehrere Dutzend Mitarbeiter des Geldhauses wird im Zusammenhang mit verbotenen Aktiendeals ermittelt. Auch Deutsche-Bank-Vize Ritchie und Ex-Chef Ackermann haben die Behörden offenbar im Visier.
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