Ein Roboter, der für Sie die Geldanlage übernimmt? Das gibt es. Fintechs bieten längst digitale Vermögensverwaltung. Traditionelle Institute tun sich schwer damit. Warum, das weiß man bei der Deutschen Bank nur zu genau.
Maschine statt Mensch
Die Zahl sogenannter Robo-Advisors, die Anlageverwaltung mit automatisierten Prozessen anbieten, wächst stetig.
Bild: Imago
Frankfurt Auf den ersten Blick klang die Idee des „Anlagefinders“ der Deutschen Bank vielversprechend. Der digitale Tippgeber, auch Robo-Advisor genannt, sollte für Anleger individuelle Portfolios erstellen. Ende 2015 warb die Deutsche Bank in großem Stil dafür, doch jetzt steht der Anlagefinder vor dem Aus. Ein Jahr nach dem Start liegt die Zahl der Kunden gerade mal im niedrigen dreistelligen Bereich.
Aus Sicht der Nutzer bietet der Anlagefinder zu wenig Service, aus Sicht der Finanzaufsicht Bafin ist es schon zu viel. Sie wertet das Angebot als Anlageberatung. Eigentlich müssten Bank und Kunde deshalb viel mehr Informationen austauschen – und das teilweise per Unterschrift dokumentieren. Offenbar hat das Geldinstitut eine Schonfrist bekommen, doch die Tage des Anlagefinders sind gezählt. Schon heute ist er auf der Internetseite von Maxblue, der Online-Investment-Plattform der Deutschen Bank, nur noch mit Mühe zu finden.
Ein Nachfolger steht bereits in den Startlöchern. Der neue Robo-Advisor der Deutschen Bank wird eine „digitale Vermögensverwaltung“ bieten und soll im Sommer live gehen. „Damit können Kunden ihre Vermögensverwaltung komplett delegieren“, sagt Markus Pertlwieser, Digitalchef des Privat-, Vermögens- und Firmenkundengeschäfts bei der Deutschen Bank, dem Handelsblatt. Der Robo-Advisor stellt das Portfolio zusammen, überwacht es und passt es regelmäßig an die veränderte Risikolage am Markt an.
Der Anlagefinder dagegen sei der Versuch gewesen, das klassische Wertpapiergeschäft der Einzeltitelberatung zu digitalisieren. „Dieser Weg hat unter den jetzigen regulatorischen Anforderungen nicht zum Ziel geführt“, gesteht Pertlwieser. Doch das Institut hat aus seinen Fehlern gelernt: Bei der Entwicklung der digitalen Vermögensverwaltung stehe man in engem Austausch mit der Bafin.
Der Fall des Anlagefinders zeigt, welche Probleme bei der Digitalisierung der Banken entstehen können. Für junge Finanz-Start-ups, kurz Fintechs, ist dieses Prinzip von Versuch und Irrtum meist selbstverständlich. Doch etablierte Geldhäuser tun sich damit schwer. Ein Produkt zu entwickeln und es dann wieder einzustampfen ist für sie ein Albtraum, die Angst vor einem Reputationsverlust ist groß. Das gilt umso mehr, wenn Fintechs bereits mit Angeboten auf dem Markt sind und Banken hinterherhinken. Wie im Fall von Robo-Advice. 23 Robo-Advisor zählt Michael Mellinghoff vom Fintech-Beratungshaus Techfluence in Deutschland und 64 in der EU. Nur wenige davon stammen von Banken.
„Die Banken müssen Robo-Advice ernst nehmen und etwas tun“, fordert Martin Faust, Bankenprofessor an der Frankfurt School. Er zieht einen mahnenden Vergleich: „Als die ersten Direktbanken mit ihren Angeboten kamen, haben die etablierten Banken zu spät reagiert.“ Bankgeschäft per Internet und ohne Filialen konnten sich viele traditionelle Kreditinstitute nicht vorstellen. Heute sind etwa ING-Diba und die Consorsbank nicht mehr wegzudenken.
Auch digitale Vermögensverwaltung wurde von etablierten Geldhäusern lange skeptisch beäugt. Doch eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Accenture, die dem Handelsblatt vorliegt, zeigt, dass die Kunden erstaunlich offen für computergesteuerte Beratung sind: 61 Prozent der befragten Deutschen gaben an, dass sie bei der Kapitalanlage einen Robo-Advisor nutzen würden. Laut Betina Wunderlich, die bei Accenture den Bereich Vertrieb und Marketing für Banken leitet, ist ein solches Angebot deshalb Pflicht: „Bei den Banken heißt es oft, der Kunde sei noch nicht so weit. Diese Ausrede zieht jetzt nicht mehr.“
Viele Geldhäuser können derzeit noch kein digitales Anlage-Tool vorweisen, manche nur eine einfache Version. Andere nutzen die Technologie von Fintechs. ING-Diba zum Beispiel kooperiert mit Easyfolio. 1822direkt, eine Tochter der Frankfurter Sparkasse, und die Smartphone-Bank N26 haben sich für Vaamo entschieden. Auch für Santander ist Vaamo Partner. In diesem Fall betreibt Vaamo die technische Plattform, die Anlagestrategie stammt von Santander. Mit eigenen Produkten warten zum Beispiel Quirin Bank, Consorsbank, Targobank und Comdirect auf. Weitere Geldhäuser stehen aktuell vor dem Start, beobachten den Markt oder prüfen Kooperationen. Bankenprofessor Faust rät ihnen, selbst Know-how aufzubauen: „Für Banken ist es langfristig keine Lösung, mit bestehenden Robo-Advice-Firmen zu kooperieren.“ Das wollen die Fintechs auch nicht vorbehaltlos. „Für Start-ups ist es wichtig, dass sie sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren und ihre Linie nicht verlieren“, sagt Lars Reiner, Gründer des Robo-Advisors Ginmon, der mit der Fidor Bank kooperiert.
Noch sind die Kundenzahlen der jungen Firmen bescheiden, und das verwaltete Vermögen ist gering. Scalable Capital meldete kürzlich, dass es innerhalb von etwa einem Jahr die Grenze von 120 Millionen Euro durchbrochen habe. Auch Konkurrent Ginmon gibt an, kurz vor den 100 Millionen Euro zu stehen. Durch Werbeoffensiven und etablierte Partner können die Fintechs aber schnell Fahrt aufnehmen. Scalable Capital hat gerade eine Partnerschaft mit Siemens geschlossen. Der Konzern will das Angebot des Fintechs über seine Tochter Siemens Private Finance den eigenen Mitarbeitern empfehlen. Inklusive ehemaliger Angestellter und der Angehörigen ergibt das 250.000 potenzielle Kunden in Deutschland. „Ich rate Banken zur Eile“, so Beraterin Wunderlich.
Doch eine schnelle Lösung ist kaum möglich, denn die Ansprüche der Finanzaufsicht wie der Kunden sind hoch. Das musste auch die Deutsche Bank feststellen. Beim Anlagefinder mussten die Kunden viel selbst machen, bei der neuen Vermögensverwaltung geben sie die Verantwortung ab. Dafür müssen sie bei der Anmeldung für das Produkt umfangreiche Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen, ihrer Erfahrung mit Finanzprodukten und ihrer Risikoneigung machen.
Die Depots werden beim Deutsche-Bank-Robo aus passiven Fonds (ETFs) zusammengesetzt – so wie bei den meisten Konkurrenten. Bei der Risikobewertung wird mit dem Maß Value-at-Risk (VaR) gearbeitet. Das gibt die ‧Verlustschwelle an, die in einem bestimmten Zeitraum mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Ähnlich macht es Scalable Capital.
Deutschbanker Pertlwieser betont jedoch die Unterschiede zur Konkurrenz: „Die Kunden bekommen in unseren Algorithmen das ganze Wissen aus dem Risikomanagement der klassischen Vermögensverwaltung“, sagt er. Und hinter der Asset-Allokation stehe das globale Kapitalmarkt-Know-how der Bank und ihres Chef-Anlagestrategen Ulrich Stephan. Er verwaltet die „Best Alloca‧tion“-Fonds der Bank mit einem Volumen von mehr als drei Milliarden Euro. Diese oder andere Fonds sollen aber nicht zu den Anlageinstrumenten des Robo-Advisors gehören. Die Geschäftsbereiche blieben getrennt. Gleichwohl soll die digitale Vermögensverwaltung zu einem späteren Zeitpunkt auch Bestandsdepots einbeziehen können.
Der fertige Robo soll zunächst bei Maxblue platziert werden – wo sich erfahrene Kapitalanleger tummeln. Im zweiten Schritt werde das Angebot breiter beworben, um auch Neukunden zu gewinnen. Der Mindestanlagebetrag soll bei höchstens 10 000 Euro liegen, die Gebühr werde sich auf das Volumen des verwalteten Vermögens beziehen.
Grundsätzlich sprechen viele der digitalen Angebote eher Kunden mit Anlageerfahrung und größeren Vermögen an. Doch das könnte sich ändern. Wegen neuer EU-Vorgaben, festgelegt in der Mifid-2-Verordnung, wird es für Banken immer teurer, Kunden persönlich zu beraten. „Nur bei sehr hohen Anlagesummen wird eine persönliche Beratung noch kostendeckend möglich sein“, so Accenture-Beraterin Wunderlich. Automatisierte Beratung dagegen könne auch Anlegern mit kleinen Guthaben angeboten werden. „Diese Zielgruppe sollten die Banken nicht übersehen.“
Mellinghoff von Techfluence rechnet mit einem rasanten Wachstum der Branche. „Mich würde es nicht überraschen, wenn es in Europa in fünf bis zehn Jahren 500 Robo-Advisors gäbe“, sagt er. Bankenprofessor Faust warnt dagegen vor zu viel Optimismus. „Wenige der Robo-Advisor-Firmen werden auf Dauer bestehen“, sagt er. „Das Interesse der Kunden ist da, doch es ist eine Frage des Vertrauens, ob sie auch wirklich investieren.“
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