Die Dominanz britischer Anbieter bei der Abwicklung von Derivategeschäften in Euro stellt aus Sicht der Esma ein Risiko für die europäischen Finanzmärkte dar.
Skyline von London
In der britischen Hauptstadt wird bislang die Mehrzahl der Euro-Derivategeschäfte abgewickelt.
Bild: imago/Cronos
Frankfurt Die europäische Aufsichtsbehörde Esma drängt wegen des Brexits auf die Verlagerung weiterer Finanzgeschäfte von Großbritannien in die EU.
Für die Stabilität des europäischen Finanzmarkts seien Angebote der britischen Abwicklungshäuser LCH und ICE Clear systemisch bedeutsam, erklärte die Esma. Aufgrund dieser Abhängigkeit gebe es für die EU „Risiken und Verwundbarkeiten“, die adressiert werden müssten.
Aktuell haben die britischen Clearinghäuser eine dominante Stellung bei der Abwicklung von Derivategeschäften in Euro (Euro-Clearing). Die EU-Kommission hat Banken und Unternehmen wiederholt aufgefordert, mehr Clearinggeschäfte in die EU zu verlagern – allerdings mit überschaubarem Erfolg. Der Marktanteil der Deutschen Börse bei der Abwicklung außerbörslich gehandelter Zinsderivate verharrt seit einiger Zeit bei rund 20 Prozent.
Die Esma schlägt deshalb nun „regulatorische und/oder aufsichtliche Maßnahmen“ vor, um Anreize zu schaffen, damit Marktteilnehmer und Kunden mehr Clearinggeschäft in die EU verschieben. Darüber hinaus möchte die Esma mehr Befugnisse, um Probleme bei Clearinghäusern zu verhindern sowie im Krisenfall besser durchgreifen zu können.
„Es sollten Instrumente eingeführt werden, um grenzüberschreitende systemische Risiken in einer Krise adressieren zu können“, erklärte die Esma. Dazu zähle auch die Stützung oder Abwicklung von Clearinghäusern, die von vielen EU-Marktteilnehmern genutzt würden.
Abwicklungshäuser stellen sich im Handel zwischen Käufer und Verkäufer und springen ein, falls einer der Beteiligten ausfällt. Nach der Finanzkrise 2008 hat die Politik beschlossen, mehr Geschäfte über Clearinghäuser abwickeln zu lassen. So soll die Transparenz und Sicherheit des Finanzsystems erhöht werden.
Durch diese Reformen sind Clearinghäuser selbst jedoch zu hochgradig systemrelevanten Institutionen geworden. Wenn eines der großen Abwicklungshäuser in Schwierigkeiten geraten sollte, würden Schockwellen durch das gesamte globale Finanzsystem gehen.
Neben Sicherheitsaspekten spielen im Kampf um das Euro-Clearing auch politische Erwägungen eine Rolle. Die EU will ihre strategische Autonomie und ihre Finanzmarktinfrastruktur stärken – und deshalb auch einen größeren Marktanteil im Euro-Clearing.
Viele europäische Banken wollen ihre Derivategeschäfte dagegen weiter in London abwickeln, weil sie sonst Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Geldhäusern befürchten. Zudem widerspricht eine politisch motivierte Verlagerung aus ihrer Sicht der globalen Natur des Derivatemarkts und würde zu weniger Effizienz und Liquidität führen.
Aktuell können europäische Banken die britischen Clearinghäuser dank einer Ausnahmegenehmigung noch bis Juni 2022 nutzen. Entgegen früheren Ankündigungen hat die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness kürzlich erklärt, die Ausnahmeregelung Anfang 2022 erneut zu verlängern. Bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen der EU-Kommission spielen die Empfehlungen der Esma eine wichtige Rolle.
Die Finanzaufsicht spricht sich dagegen aus, die britischen Clearinghäuser nicht mehr anzuerkennen, „weil die Kosten und Risiken für die EU dadurch zum gegenwärtigen Zeitpunkt größer wären als die Vorteile“. Aus Sicht von Experten wäre bei einer abrupten Verlagerung von Clearinggeschäften die Finanzstabilität in Gefahr.
Die Deutsche Börse dürfte sich über die Vorschläge der Esma freuen. Vorstand Thomas Book findet, dass „ein signifikanter Anteil des Euro-Clearings“ in der EU stattfinden sollte. „Dazu ist es wichtig, klare Anreize zu setzen, damit Banken und deren Kunden mehr Clearinggeschäft in die EU verlagern“, sagte er kürzlich im Handelsblatt-Interview.
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