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07.09.2021

10:00

Finanz-Start-up

Britischer Finanzinvestor Anacap übernimmt Mehrheit am Identitätsdienst WebID

Von: Elisabeth Atzler

Das Fintech, das vor allem von Solingen aus arbeitet, will mit frischen Mitteln weltweit wachsen – bevor die Wettbewerber aus den USA und China den Markt unter sich aufteilen.

WebID zählt zu den ersten Firmen, die das Thema Online-Identifikation vorangebracht haben. WebID/Jannis Dirsksen

Identitätsdienst WebID

WebID zählt zu den ersten Firmen, die das Thema Online-Identifikation vorangebracht haben.

Frankfurt Zehn Jahre kam der Identitätsdienst WebID im Wesentlichen ohne externe Finanzierung aus. Dabei klopften immer wieder Finanzinvestoren bei Frank und Sven Jorga, den beiden operativ noch tätigen Co-Gründern, an. Nun steckt die britische Private-Equity-Firma Anacap Geld in das Finanz-Start-up (Fintech).

WebID-Chef Frank Jorga sagte dem Handelsblatt: „Wir wollen einen Investor, der das weltweite Wachstum von WebID finanziert, und haben mit Anacap den geeigneten Partner gefunden.“ Anacap erwerbe die Mehrheit an WebID. Wie viel der Investor aus London in den Identitätsdienst steckt und wie hoch dessen Anteil nun genau ist, wollte Jorga nicht sagen. Der Firmenchef bleibt der größte private WebID-Investor.

Deutsche Fintechs haben dieses Jahr so viel Geld von Kapitalgebern eingesammelt wie noch nie. Die meisten aber arbeiten nahezu von Beginn an mit Mitteln von Wagniskapitalfonds. Bis zum Anacap-Einstieg hielten Sven Jorga, der Technikchef, Frank Jorga sowie zwei weitere Co-Gründer 90 Prozent der Anteile. Der Rest lag bei kleineren Investoren.

WebID zählt zu den ersten Firmen, die das Thema Online-Identifikation vorangebracht haben. Beim Video-Ident-Verfahren – das WebID, so reklamiert die Firma für sich, im deutschen Markt erfunden hat – können Kundinnen und Kunden ihre Identität vom heimischen Sofa aus bestätigen lassen. Sie halten ihren Personalausweis vor eine Webcam, beantworten im Videochat ein paar Fragen – und können sich auf diese Weise legitimieren, etwa für die Eröffnung eines Kontos, für einen Kreditantrag oder um eine SIM-Karte freizuschalten. Für die Zulassung des Verfahrens führte Frank Jorga selbst Gespräche beim Bundesfinanzministerium.

Zu den Kunden gehören Deutsche Bank, Check24 und Trade Republic

Zur Vermeidung von Geldwäsche müssen Banken die Identität ihrer Kunden prüfen, im Fachjargon heißt der Prozess „Know your customer“, kurz KYC. Bis vor einigen Jahren mussten Verbraucherinnen und Verbraucher sich in der Bankfiliale ausweisen oder zur Post gehen. Beim früher meist üblichen Postident-Verfahren prüfen Post-Mitarbeiter den Ausweis, heute gibt es auch hier eine Onlinevariante.

Mit diesem Geschäft haben der 52-jährige Frank Jorga und sein ein Jahr jüngerer Bruder ihr Unternehmen groß gemacht. Heute hat WebID rund 800 Mitarbeiter und ist in mehreren Ländern aktiv, wobei die wichtigsten Kunden nach wie vor aus dem Heimatmarkt kommen. Dazu zählen die Deutsche Bank, die Onlinebank DKB, das Vergleichsportal Check24, Vodafone Deutschland und der Neobroker Trade Republic. Ein deutscher Konkurrent ist IDnow.

Doch das reicht den Eigentümern nicht mehr. „Wir brauchen einen Investor, der WebID die Möglichkeit gibt, eine globale Marke zu werden“, sagt Frank Jorga. „Das Ziel ist, dass wir für Unternehmen weltweit die Kundenprüfung übernehmen können. Jetzt besteht die Chance, dass wir uns als deutsches Unternehmen gegen amerikanische und chinesische Wettbewerber behaupten.“ In fünf Jahren sei der globale Markt der Identifikationsdienste wahrscheinlich verteilt.

Auch zur Unternehmensbewertung schweigt Firmenchef Jorga. Sie dürfte angesichts des Umsatzes und der Anacap-Beteiligung bei mindestens 100 Millionen Euro liegen. Bis 2025 soll es zehnmal so viel sein: „Wir wollen binnen vier Jahren zum Einhorn werden“, sagt Frank Jorga. Als „Einhorn“ werden Start-ups bezeichnet, die mindestens eine Milliarde Dollar wert sind.

Börsengang in einigen Jahren als Option

„In den Jahren danach halten wir einen Börsengang für eine Option.“ Die Alternative aus seiner Sicht: Es könnte auch ein anderer Finanzinvestor hinzukommen oder ein strategischer, global agierender Investor.

Gewachsen ist WebID auch zuletzt schon rasch. Der Umsatz soll von rund 13 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 30 Millionen Euro in diesem Jahr steigen. Beim Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) plant die Firma für 2021 mit fünf Millionen Euro, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr.

Wo die Grenzen für WebID aber derzeit liegen, hat der Start in den USA gezeigt. Seit 2018 ist die Firma dort aktiv, bisher hat sie nur fünf US-Kunden gewonnen. Als wesentlichen Grund dafür führt WebID an, dass man sich angesichts des Wachstums auf den Heimatmarkt konzentriert habe. Nun will die Firma mit bestehenden Kunden auch das US-Geschäft mehr angehen.

Helfen sollen beim internationalen Wachstum zudem Übernahmen. „Wir wollen nun verstärkt durch Zukäufe wachsen und so auch in weiteren Märkten aktiv werden“, sagt Frank Jorga. „Zum einen streben wir an, in anderen Ländern Identifikationsdienste zu kaufen oder uns daran zu beteiligen. Zum anderen suchen wir Firmen, deren Technologie unser Geschäftsmodell ergänzt.“ So dürfte nun die automatische Identifikation, die ohne Gespräch zwischen Verbraucher und Video-Ident-Mitarbeiter auskommen kann, eine immer größere Rolle spielen.

Anacap ist auf Finanzunternehmen spezialisiert. In Deutschland hatte der Investor zeitweise Anteile am Zahlungsdienstleister Unzer, der ehemals Heidelpay hieß, gehalten. Vor gut zwei Jahren erwarb der Finanzinvestor KKR indes die Mehrheit an Heidelpay. Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die Finanzaufsicht Bafin eine Sonderprüfung beim Zahlungsdienstleister Unzer gestartet hat.

Nicht nur die lange Phase ohne Finanzinvestor unterscheidet WebID von anderen Fintechs. Der Hauptsitz ist zwar Berlin, die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber sitzen in Solingen.

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