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16.03.2023

15:23

Finanzaufsicht

EZB fragt Engagement europäischer Banken bei Credit Suisse ab

Von: Andreas Kröner, Yasmin Osman

Das Engagement deutscher Institute ist einem Insider zufolge überschaubar. Mehr Sorgen bereiten Banken und Aufsichtsbehörden mögliche Zweitrundeneffekte.

Die Aktienkurse der deutschen Großbanken erholten sich am Donnerstag leicht. Reuters

Skyline des Frankfurter Bankenviertel

Die Aktienkurse der deutschen Großbanken erholten sich am Donnerstag leicht.

Frankfurt Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) hat bei den größten europäischen Geldhäusern eine Abfrage über deren Engagement bei Credit Suisse gestartet. Dabei gehe es beispielsweise um Derivategeschäfte oder Finanzierungen, sagten mehrere mit dem Thema vertraute Personen dem Handelsblatt. Die EZB wollte sich dazu nicht äußern.

Die Finanzaufsicht wolle sich durch die Abfrage, über die zuerst das „Wall Street Journal“ berichtet hatte, einen Überblick über mögliche Ansteckungskanäle verschaffen, sagten Insider. Das sei in solchen Situationen ein Standardvorgehen. Die Anspannung sei jedoch bei allen Beteiligten groß. Am Mittwoch habe es einen sehr regen Austausch zwischen Banken und ihren Aufsichtsteams (JSTs) gegeben, zum Teil bis weit in die Abendstunden.

Das direkte Engagement der deutschen Banken bei Credit Suisse sei überschaubar, sagte eine mit der Abfrage vertraute Person. Dabei gehe es vor allem um Derivategeschäfte oder Geschäftsbeziehungen im Zahlungsverkehr. Credit Suisse sei schließlich kein Institut, das sich in erster Linie über andere Banken finanziere.

Mehr Sorgen als das direkte Engagement bei Credit Suisse machen Banken und Aufsichtsbehörden mögliche Zweit- und Drittrundeneffekte. „Das größte Risiko ist eine weitere Verschlechterung der Stimmung am Markt“, sagte die mit der EZB-Abfrage vertraute Person. „Das betrifft, wie wir gesehen haben, alle Banken.“

Bereits zu Wochenbeginn waren die Papiere von Deutscher Bank und Commerzbank stark unter Druck geraten. Analysten führten dies auf die gestiegene Unsicherheit nach der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) zurück, aber auch auf die geänderten Zinserwartungen.

Nach den jüngsten Entwicklungen in den USA gehen die Märkte davon aus, dass die EZB ihre Zinsen weniger stark anheben wird als erwartet. Das wäre schlecht für die deutschen Großbanken, die von höheren Zinsen profitieren.

Die Aktie der Commerzbank legt zu

Nachdem sich die Lage an den Märkten am Dienstag kurzzeitig beruhigt hatte, verloren die Aktien von Deutscher Bank und Commerzbank am Mittwoch im Sog von Credit Suisse erneut jeweils neun Prozent. Credit-Suisse-Aktien waren zeitweise um 31 Prozent eingebrochen. In der Nacht auf Donnerstag eilte dem Institut dann die Schweizer Nationalbank (SNB) zu Hilfe. Bei ihr will die Credit Suisse einen Kredit von bis zu 50 Milliarden Euro in Anspruch nehmen.

Die Lage an den Märkten beruhigte sich daraufhin am Donnerstag etwas. Die Aktie der Deutschen Bank notierte am Nachmittag fast zwei Prozent im Minus, die der Commerzbank notierte nahezu unverändert. Grundsätzlich stellen sich Banken und Aufsichtsbehörden jedoch darauf ein, dass es an den Märkten noch einige Zeit turbulent zugehen wird – auch wegen der großen geopolitischen und geldpolitischen Spannungen.

Analysten, Finanzaufseher und Politiker gehen bisher nicht davon aus, dass es wegen der SVB-Pleite und des Chaos bei Credit Suisse zu größeren Verwerfungen am deutschen Bankenmarkt kommen wird. So sagte Bundesfinanzminister Christian Linder am Mittwochabend in der ARD-Sendung „Maischberger“: „Die Bundesregierung ist mit allen Beteiligten in einem ständigen und intensiven Austausch.“

Mit der Bafin habe man eine leistungsfähige Finanzaufsicht. „Und wir haben die Bundesbank, die ebenfalls eine stabilitätspolitische Tradition hat“, sagte der FDP-Vorsitzende. „Wir können deshalb sehr klar sagen: Das deutsche Kreditwesen – private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute – ist stabil. Und dafür sorgen wir auch weiter.“

Bafin begleitet kleinere Institute eng

Zuvor hatte bereits die Bafin erklärt, dass sie für das deutsche Finanzsystem aktuell „keine direkte Ansteckungsgefahr aus den Problemen stark technologieorientierter amerikanischer Banken“ sieht.

Die Silicon Valley Bank hatte im großen Stil Anleihen verkauft, weil sie liquide Mittel brauchte, und damit wegen der Zinswende einen Verlust von 1,8 Milliarden Dollar erlitten. Als sie versuchte, diese Lücke durch eine Kapitalerhöhung zu schließen, zogen Kunden reihenweise ihre Einlagen ab, sodass die Bank kollabierte.

In Deutschland haben Sparkassen und Genossenschaftsbanken wegen der Zinswende ebenfalls hohe Abschreibungen auf ihre Eigenanlagen vornehmen müssen. Dabei handelt es sich jedoch nur um Verluste auf dem Papier, die die Institute in den kommenden Jahren wieder aufholen können. In der Regel halten sie ihre Anleihen nämlich bis zur Endfälligkeit.

Die Bafin erwartet von Banken, dass sie ihre Zinsänderungsrisiken im Blick haben und rechtzeitig gegensteuern. „Dabei gilt unser Hauptaugenmerk aktuell einigen kleineren Banken mit wenig Überschusskapital und erhöhten Zinsänderungsrisiken – diese Institute begleiten wir eng.“

Die aktuellen Entwicklungen in den USA zeigten, dass die von der Bafin skizzierten Risiken Realität werden könnten. „Bisher zeigt sich, dass das deutsche Bankensystem robust ist und die Auswirkungen der gestiegenen Zinsen verdauen könnte“, erklärte die Bafin. Grundsätzlich seien höhere Zinsen gut für das Bankgeschäft, die Mehrheit der Institute dürfte davon mittelfristig profitieren.
Mehr: Credit Suisse leiht sich bis zu 50 Milliarden Franken bei Schweizer Nationalbank

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