Nach der Verhaftung des ehemaligen Wirecard-Chefs will sich die Staatsanwaltschaft Zugriff auf den langjährigen COO Marsalek sichern. Der könnte sich auf den Philippinen befinden.
Jan Marsalek
Nach dem Ex-COO von Wirecard wird gesucht.
Bild: Wirecard
Düsseldorf, Frankfurt, Bangkok Im Bilanzskandal des Finanzdienstleisters Wirecard besteht laut Handelsblatt-Informationen ein zweiter Haftbefehl. Ausgestellt ist er auf den Namen von Jan Marsalek, dem langjährigen COO des in Aschheim bei München ansässigen Dax-Konzerns. Der Österreicher Marsalek war am vergangenen Donnerstag von seinen Aufgaben freigestellt, am Montag dann fristlos entlassen worden.
Wie der zurückgetretene und zwischenzeitlich festgenommene CEO Markus Braun steht auch Marsalek im Verdacht, die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen von Wirecard durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht zu haben, um so das Unternehmen finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver darzustellen.
Im Zentrum der Ermittlungen stehen angebliche Bankguthaben auf Treuhandkonten bei zwei philippinischen Banken in Höhe von mehr als 1,9 Milliarden Euro. Wirecard hatte in der Nacht von Sonntag auf Montag gegen 3.00 Uhr früh in einer Ad-hoc-Mitteilung erklärt, dass diese Bankguthaben „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen“.
Die Staatsanwaltschaft München I hatte daraufhin am Montagmorgen einen Haftbefehl gegen Braun erwirkt. Braun, der sich in Wien aufhielt, erfuhr von dem Haftbefehl und stellte sich am Montagabend.
In einem ersten Gespräch habe er seine Mitarbeit zugesagt, teilte die Staatsanwaltschaft später mit. Am Dienstag schließlich wurde der Haftbefehl gegen die Zahlung von fünf Millionen Euro und wöchentliche Meldepflichten außer Vollzug gesetzt. Inzwischen hat Braun die Kaution gezahlt und befindet sich wieder auf freiem Fuß.
Noch in Freiheit befindet sich auch Jan Marsalek. Auch gegen ihn liegt laut Handelsblatt-Informationen ein Haftbefehl vor. Die Staatsanwaltschaft wollte dies nicht kommentieren. Am Dienstag erklärte eine Sprecherin, man könne das weder bestätigen noch dementieren.
Wo sich der mit Haftbefehl gesuchte Manager derzeit aufhält, ist nicht abschließend geklärt. Laut Handelsblatt-Informationen ist er aber mit hoher Wahrscheinlichkeit in der philippinischen Hauptstadt Manila, verlautet aus seinem erweiterten Umfeld. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über entsprechende Vermutungen berichtet.
Der philippinische Justizminister gab auf Nachfrage an, dass die Datenbank der Einwanderungsbehörde lediglich anzeige, dass Marsalek am 3. März auf die Philippinen gereist und am 5. März wieder abgereist sei.
Es gebe aber Indizien, dass Marsalek kürzlich wieder auf die Philippinen zurückgekehrt sei und sich noch immer im Land befinden könnte. Er habe eine Untersuchung beauftragt und die Ermittlungsbehörde National Bureau of Investigation (NBI) angewiesen, mit dem Anti-Geldwäsche-Rat AMLC zusammenzuarbeiten, um den Fall zu untersuchen.
Was will Marsalek auf den Philippinen? Es heißt, er wolle dort Informationen besorgen, die zur Aufklärung des Falls beitragen. Auch Marsalek beabsichtige demnach, sich dem Verfahren hierzulande zu stellen. Er sei nicht auf der Flucht und es bestehe über seinen Verteidiger Kontakt zur Staatsanwaltschaft, ist zu hören. Weder Marsaleks Verteidiger noch die Staatsanwaltschaft wollten sich auf Nachfrage dazu äußern.
Marsalek war als Chief Operating Officer (COO) viele Jahre für die organisatorische Weiterentwicklung sowie das Tagesgeschäft des heutigen Dax-Konzerns Wirecard verantwortlich. Zu dem einstigen Start-up kam der heute 40-Jährige bereits im Jahr 2000. Viele Male war Marsalek seither selbst in Asien, er zählt zu den wesentlichen Architekten des dortigen Geschäfts.
Im Haus galt er wegen seiner langen Zugehörigkeit ähnlich wie Vorstandschef Markus Braun als einer der Gründerväter des Unternehmens. Im Mai wurden seine Aufgaben im Zuge eines Vorstandsumbaus schließlich beschnitten. In der vergangenen Woche wurde er im sich zuspitzenden Bilanzskandal zunächst freigestellt und wenige Tage später entlassen.
Ob Marsalek bei einer freiwilligen Rückkehr nach Deutschland wie Braun von einer Untersuchungshaft verschont bliebe, gilt als ebenso offen wie die Frage, ob es nicht womöglich zu einem Zugriff auf den Philippinen kommt. Die Philippinen haben indes kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland.
Finanzkreisen zufolge besteht kein formeller oder informeller Kontakt zwischen der Konzernführung in Aschheim und ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern wie Marsalek. Wirecard hatte auf Anraten seiner Anwälte schon vor Tagen einen Informationsstopp verfügt.
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