Crowdfunding ist eine interessante Alternative, um Unternehmen zu finanzieren. Kontraproduktiv könnten sich Pläne der Bundesregierung auswirken, die Haftung zu verschärfen.
Sebastian Koeppel
„In schlechten Zeiten ist es seit Basel III für Mittelständler schwieriger geworden von klassischen Banken eine Finanzierung zu bekommen“, sagt der geschäftsführender Gesellschafter des Fruchtsaftherstellers Beckers Bester.
Bild: PR
Berlin, Düsseldorf Die Gespräche mit den Banken verliefen erfolglos. Mark Schwippert, Gründer des Unternehmens Fairfood Freiburg, war enttäuscht – an den Zahlen konnte es nicht liegen. Das 2014 gegründete Unternehmen wächst rasant und konnte seinen Umsatz im Vergleich zu 2020 sogar verdoppeln. Für dieses Jahr rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz im mittleren einstelligen Millionenbereich. Die Nachfrage nach den Fairfood-Produkten, fair gehandelten Cashewkernen, Erdnüssen, Mandeln und Macadamianüssen, steigt stetig. Nun musste eine neue Nussküche finanziert werden.
„Aber wenn man nicht regelmäßig Gewinne ausweist, hat man als junges Unternehmen Probleme, Kredite zu erhalten“, sagt Mark Schwippert, einer der Gründer des Unternehmens. Für Kredite in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro hätten die Gesellschafter persönlich haften müssen, obwohl das Unternehmen eine GmbH ist. So entstand die Idee, ein Crowdfunding-Modell zu initiieren und die eigenen Kunden zu mobilisieren.
Beim Crowdfunding wird Kapital über Internetplattformen in der Regel bei vielen Kleinanlegern (Crowd) eingesammelt. Fairfood setzte dabei mit Crowddesk auf eine professionelle Plattform, die das Crowdinvestment oder -lending rechtssicher abwickelt und die Zinszahlungen regelt. Interessenten konnten sich an der Darlehenssumme ab 1000 Euro beteiligen, eine Begrenzung nach oben gab es nicht.
Und es gab für die Investoren einen wichtigen Hinweis, der im Crowdfunding nicht fehlen sollte: Ein Totalverlust ist möglich. Plattformen sind verpflichtet, Investoren bei jedem Engagement auf das Risiko hinzuweisen.
Doch Fairfood überzeugte die Crowd. Innerhalb weniger Wochen summierte sich die eingeworbene Darlehenssumme auf rund 400.000 Euro. Zwei Drittel der 130 Investoren stellten dabei Kredite von bis zu 5000 Euro zur Verfügung, der höchste Einzelbetrag lag bei 20.000 Euro. Der Kredit wird mit zwei Prozent verzinst. Wer sich seine Zinsen in Form von Nüssen auszahlen lässt, erhält dagegen ganze fünf Prozent Zinsen.
Aus Sicht der Bundesregierung bieten Crowdfinanzierungen für unterschiedliche Branchen und Unternehmen eine Alternative zu herkömmlichen Finanzierungsquellen. Die Entwicklung einer innovativen Idee zum serienreifen Produkt mit internationalen Vertriebswegen sei häufig zeitintensiv und teuer. Zudem sei Crowdfunding auch eine Chance, Geschäftsmodelle in der digitalen Welt vorzustellen, heißt es in einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der FDP.
Das Interesse an dieser alternativen Finanzierung ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen – mit einer Ausnahme. Die Pandemie ging auch an der Crowdfunding-Branche nicht spurlos vorüber.
So verringerte sich nach Angaben des Crowdfunding-Bundesverbandes im abgelaufenen Jahr die Schwarmfinanzierung von rund 496 Millionen Euro auf 412 Millionen Euro. Insbesondere der Trend, in Immobilien durch Crowdfunding zu investieren, bewegte sich deutlich abwärts.
Dennoch geht die Branche davon aus, dass die Entwicklung 2020 nur eine Delle markiert. Im ersten Quartal 2021 wurde mit einem Finanzierungsvolumen von 100 Millionen Euro bereits das Niveau von 2019 wieder erreicht.
Nach Angaben des Bundesverbandes Crowdfunding gibt es derzeit 78 aktive Plattformen mit Sitz in Deutschland, über die Anleger in Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Instrumente investieren können (Crowdinvesting). Über 16 weitere Plattformen mit Sitz in Deutschland können Anleger in Fremdkapital oder fremdkapitalähnliche Instrumente investieren (Crowdlending). Hinzu kommen einige ausländische Plattformen, die sich an deutsche Anleger richten.
Alternativen zum Kredit
Das Handelsblatt stellt in einer Serie die wachsende Zahl an Alternativen zum klassischen Darlehen vor – passend zu den jeweiligen Bedürfnissen der Unternehmen.
Dass Crowdfunding ist auch eine Finanzierungsquelle für Mittelständler. Das belegt etwa das Familienunternehmen Beckers Bester aus Lütgenrode. Seit vier Generationen wird dort naturbelassener Fruchtsaft produziert.
„In schlechten Zeiten ist es seit Basel III für Mittelständler schwieriger geworden, von klassischen Banken eine Finanzierung zu bekommen“, sagt Sebastian Koeppel, geschäftsführender Gesellschafter. Denn es muss mehr Eigenkapital bereitstehen. Bereits drei Mal sammelte Beckers Bester per Crowdfunding über die Plattform Finnest Geld ein – zuletzt 2020 1,8 Millionen Euro. Mehr als 340 Investoren legten dabei durchschnittlich 5300 Euro an. Die Laufzeit des Darlehens liegt bei fünf Jahren. Wer seine Zinsen in Form von Beckers-Bester-Säfte auszahlen lässt, erhält bis zu 7,5 Prozent.
Das Kapital wird für die Modernisierung und Erweiterung der Füllanlage genutzt. Zudem investierte das Unternehmen in die Entwicklung neuer Bio-Produkte. Auch profitiert das Unternehmen davon, dass Crowdinvesting in dieser Form als Eigenkapital gilt. Das verbessert zugleich die Finanzierungschancen bei Banken.
Doch es gibt auch eine Kehrseite. „Als Geschäftsführer hafte ich persönlich höher als bei einem Bankkredit. Bedienen wir die Investorenschaft nicht pünktlich, könnte ich strafrechtlich belangt werden“, erläutert Koeppel.
Schwarmfinanzierung könnte nach Einschätzung von Jamal El Mallouki, Chef des Bundesverbandes Crowdfunding und Geschäftsführer der Frankfurter Crowddesk GmbH, an Bedeutung gewinnen. Dafür müssten aber weitere Finanzierungsinstrumente zur Verfügung stehen.
Nach dem Vermögensanlagegesetz dürfen nämlich nur Nachrangdarlehen, partiarische Darlehen oder Genussrechte angeboten werden. „Diese Restriktionen kann ich nicht nachvollziehen“, sagt El Mallouki. Hilfreich für viele Unternehmen wäre es etwa, wenn auch in GmbH-Anteile investiert werden könnte.
Das ist derzeit nicht zu erwarten. Der Grund: Die für Schwarmfinanzierungszwecke zugelassenen Instrumente dürfen nach Aussagen des Bundesfinanzministeriums keinen Beschränkungen unterliegen. Eine Übertragung von GmbH-Anteilen müsste dagegen notariell beglaubigt werden.
Individuelle Finanzierungsmodelle helfen Firmen, investieren zu können und verschaffen Großinvestoren stabile Renditen. Die Risiken nehmen jedoch zu.
Kontraproduktiv könnten sich nach Ansicht der Branche auch die Pläne der Bundesregierung auswirken, die Haftung speziell für Emissionen nach der EU-Crowdfunding-Verordnung zu verschärfen. Zum Schutz der Anleger sollen Informations- und Offenlegungspflichten für ein Anlageinformationsblatt festgeschrieben werden.
Verantwortliche Mitglieder von Leitungs- oder Aufsichtsorganen von Emittenten müssen dann schon für einfache Fahrlässigkeit haften, sofern angegebene Informationen irreführend oder unrichtig sind. Auch dürfen wichtige Informationen für Anleger nicht fehlen.
Die FDP wirft der Bundesregierung eine stiefmütterliche Behandlung der Crowdfinanzierung vor. Die neuen Haftungselemente bergen die Gefahr, „dass mit überzogener nationaler Regulierung deutsche Anbieter von Crowdfinanzierungs-Plattformen aus dem Markt gedrängt werden“, befürchtet FDP-Wirtschaftspolitiker Gerald Ullrich. Das Geschäft auf dem deutschen Markt könnten dann Plattformen aus EU-Staaten machen, für die nicht so strenge Haftungsregeln gelten.
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