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23.08.2019

17:13

Gebührenerhöhung

Ende des Gratis-Girokontos: So umgehen Banken und Sparkassen die Minuszinsen

Von: Elisabeth Atzler

Um Minuszinsen zu verhindern, erhöhen einige Geldhäuser ihre Gebühren. Eine Sparkasse verabschiedet sich jetzt vom Gratiskonto, eine andere bleibt dabei.

Zahlreiche Kreditinstitute haben in den vergangenen drei Jahren bereits ihre Preise angehoben. dpa

Geldautomaten der Sparkasse

Zahlreiche Kreditinstitute haben in den vergangenen drei Jahren bereits ihre Preise angehoben.

Frankfurt Johannes Hüser weiß, dass Sparkassenvorstände aus ganz Deutschland schon lange auf ihn und sein Geldhaus schauen. Er ist Chef der Kreissparkasse Wiedenbrück, die seit mehr als 70 Jahren privaten Kunden ein kostenloses Girokonto bietet. Damit ist die Kreisparkasse gewissermaßen ein Exot: Die allermeisten der knapp 400 deutschen Sparkassen verlangen dafür fünf, sieben oder acht Euro im Monat.

„Diese große Besonderheit ist unseren Kundinnen und Kunden wie auch uns selbst sehr bewusst“, sagt Hüser auf Handelsblatt-Anfrage. Doch mit diesem Exoten-Status ist es bald vorbei. Ab Oktober kosten auch die Girokonten in Rheda-Wiedenbrück monatlich fünf Euro. Darüber hat das Geldhaus seine Kunden vor einigen Wochen informiert. Der Grund: die dauerhaft niedrigen Zinsen.

Man habe sich nach einem langen Analyse- und Entscheidungsprozess dazu entschlossen, die Quersubventionierung der Girokonten aufzugeben und Kontoführungspreise zu erheben, erklärt Hüser.

Bisher hat die vergleichsweise schlank aufgestellte Sparkasse so viel verdient, dass sie sich erlauben konnte, Girokonten gratis anzubieten. Gewinne in anderen Geschäften fingen das locker auf. „Ein langanhaltendes Niedrigzinsumfeld bedeutet schlicht, dass der wesentliche Baustein im Geschäftsmodell regional verankerter Kreditinstitute deutlich weniger ertragreich ist“, so der Sparkassenchef.

Bei der Kreissparkasse Wiedenbrück ist das Ende des Gratiskontos eine besonders augenfällige Reaktion darauf, dass die Institute die Folgen der Mini- und Minuszinsen in der Euro-Zone immer mehr spüren. Der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt seit langem bei null. Der Einlagenzins, den Geschäftsbanken zahlen, wenn sie kurzfristig Geld bei der EZB parken, könnte im September sogar auf minus 0,5 Prozent sinken.

Deshalb sinkt die Zinsspanne der Banken. In ihrem Kerngeschäft – dem Ausreichen von Krediten und der Hereinnahme von Einlagen – verdienen Banken und Sparkassen immer weniger. Schließlich sind die Kreditzinsen bereits sehr niedrig, und auch bei neuen Eigenanlagen müssen die Geldhäuser mit negativen Zinsen rechnen, beispielsweise wenn sie in Bundesanleihen investieren.

Grafik

Inzwischen ist aus der Finanzbranche immer wieder zu hören, dass Geldhäuser angesichts der Lage darüber nachdenken, den EZB-Strafzins auch an normale Sparer weiterzureichen – auch wenn es rechtliche Hürden gibt und in der Politik bereits eine Debatte über Verbote läuft.

Großkunden müssen längst Strafzinsen für hohe Einlagen zahlen. Doch wenn es um private Kunden geht, reagieren Banken und Sparkassen bisher anders: mit Gebührenerhöhungen.

Zwar haben zahlreiche Kreditinstitute in den vergangenen drei Jahren bereits die Preise angehoben. Doch in den vergangenen Wochen folgten weitere Ankündigungen.

Ein Beispiel ist die Postbank: Dort steigen ab Oktober die monatlichen Gebühren des beliebten „Giro plus“-Kontos von 3,90 Euro auf 4,90 Euro. Die Postbank, die zur Deutschen Bank gehört, hatte erst 2016 ihr kostenloses Girokonto abgeschafft und damals die monatliche Kontoführungsgebühr von 3,90 Euro für einen Großteil der mehr als fünf Millionen Kunden eingeführt.

So wie die Postbank könnten auch andere Anbieter künftig vorgehen. „Das dauerhafte Zinstief zwingt Banken und Sparkassen, ihre Preise dauerhaft zu überprüfen. Daher werden auch in Zukunft die Gebühren für Privat- und Geschäftskonten steigen“, sagt Oliver Mihm, Chef der Beratungsfirma Investors Marketing. „Die Gebührenanpassungen werden moderater als in der Vergangenheit sein, dafür aber in kürzeren Zyklen erfolgen – so wie bei der Bahn auch.“

Manche Sparkassen sehen sich aber auch gezwungen, zum ersten Mal seit langer Zeit, höhere Gebühren zu verlangen. Die Sparkasse Bochum hebt per November das erste Mal seit 17 Jahren die Preise für Girokonten an, wie sie Anfang August mitteilte. Bei der Sparkasse Witten werden die Konten nach sieben Jahren erstmals wieder teurer.

Das sind keine Einzelfälle. Das Verbraucherportal Biallo hat ermittelt, dass in der ersten Jahreshälfte mehr als 300 Banken und Sparkassen die Preise ihrer Girokonten erhöht haben – und das im Schnitt rund um 30 Prozent. Häufig haben die Geldhäuser ihre Onlinekonten verteuert.

Damit allerdings steige die Gefahr, dass die onlineaffinen Kunden zu Direktbanken wie der ING wechselten, sagt Biallo-Inhaber Horst Biallo. Auffällig in der Erhebung sei zudem gewesen, dass immer mehr Kreditinstitute selbst das Einzahlen von Bargeld bepreisen – sowohl am Schalter als auch am Automaten. Biallo zählt aktuell noch 40 kostenlose Girokonten. Das Verbrauchermagazin „Finanztest“ registrierte kürzlich 22 Gratiskonten, hat aber auch nicht alle Geldhäuser unter die Lupe genommen.

Konkurrenz durch Onlinebanken

Ein Institut, das auf eine Kontoführungsgebühr bei ihrem Standardangebot verzichtet, ist die Sparkasse Karlsruhe. Sie will auch dabei bleiben, wie ihr Chef Michael Huber sagt. „Wir haben die Konditionen 2017 auf den Prüfstand gestellt und entschieden, dass die Kontoführung gratis bleibt. Die nächste Überprüfung soll 2022 folgen“, so Huber im Gespräch mit dem Handelsblatt.

„Es ist heute aus betriebswirtschaftlicher Sicht viel schmerzlicher, ein Gratiskonto anzubieten. Aber der Wettbewerb ist nach wie vor hart – zumal durch die Konkurrenz der Onlinebanken.“

Die Sparkasse Karlsruhe hatte das Gratisgirokonto im Jahr 2007 eingeführt und hat seitdem die Kundenzahl stabil gehalten. Der Grund für den Schritt: In Karlsruhe sind die BBBank (vormals Badische Beamtenbank) und die Sparda-Bank Baden-Württemberg stark aktiv, beide genossenschaftlichen Institute bieten ein kostenloses Girokonto an.

Strafzinsen für normale private Kunden wäre aus Hubers Sicht das „allerletzte Mittel“. Aber der Sparkassenmanager hätte im Gegensatz zu vielen anderen Geldhäusern ja noch eine andere Möglichkeit: überhaupt wieder Gebühren zu berechnen.

Mehr: Finanzminister Olaf Scholz will Negativzinsen verbieten. Die Branche kritisiert den Vorstoß, Verbraucherschützer halten ihn für eine Scheinlösung.

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