Der mitangeklagte Oliver Bellenhaus beschuldigt den Ex-Vorstandschef im Gerichtsprozess. Brauns Verteidigung fordert am Donnerstag ein Verwertungsverbot.
Markus Braun
Laut Anklage agierten Braun und Komplizen als Betrügerbande, die mithilfe erfundener Umsätze und Gewinne Banken und Kreditgeber um über drei Milliarden Euro prellten.
Bild: dpa
München Alfred Dierlamm kennt viele sprachliche Kniffe, um Oliver Bellenhaus einen Lügner zu schimpfen. Der Kronzeuge im Wirecard-Prozess täusche, verschleiere und betrüge – und zwar sein gesamtes Leben lang, auch nach Wirecards Zusammenbruch.
So stellt es Dierlamm, Hauptverteidiger des wegen Betrugs angeklagten Ex-Wirecard-Chefs Markus Braun, an diesem Donnerstag vor dem Landgericht München dar, als er eine ausführliche Erklärung zu der Aussage von Bellenhaus im bisherigen Prozessverlauf abgibt.
Bellenhaus habe sich sein eigenes „Lügenmuster“ gestrickt, er umkleide einen Kern aus Wahrheit stets mit Lügen und Schwindeleien, so Dierlamm. Der Kronzeuge zünde inhaltliche „Nebelkerzen“, und seine Aussagen widersprächen sich.
Bellenhaus, ehemals Statthalter Wirecards in Dubai, ist der einzige der drei Angeklagten, der die Vorwürfe der Münchener Staatsanwaltschaft einräumt. Er belastete vor Gericht sowohl Braun als auch den ebenfalls angeklagten ehemaligen Chefbuchhalter Stephan von Erffa schwer.
Bellenhaus hatte erklärt, Braun habe bei dem mutmaßlichen Milliardenbetrug Wirecards eine zentrale Rolle gespielt. Braun habe als Kopf einer kriminellen Bande gehandelt, Einkünfte aus dem sogenannten Drittpartnergeschäft vorgetäuscht und so Kunden und Anleger Wirecards um Milliarden Euro betrogen. Letztendlich wäre Braun damit am meisten für den Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters aus Aschheim bei München verantwortlich gewesen.
Für die Staatsanwaltschaft München zählt Bellenhaus‘ Geständnis zu einem der wichtigsten Beweismittel, um Braun den mutmaßlichen Anlagebetrug nachzuweisen. Vor Gericht hakt Brauns Anwalt Dierlamm hier ein. Bellenhaus‘ Erzählungen glichen einer „Farce“ und seien zudem eine „Gefälligkeitsaussage ohne jeden Realitätsbezug“. Bellenhaus wolle seine Schuld auf Braun abwälzen und gerade nicht dabei helfen, die Wahrheit zu ergründen.
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Denn eigentlich stimme so gut wie gar nichts, was Bellenhaus dem Gericht erzählt habe, zürnt Dierlamm. Er meint: Der ehemalige Statthalter Wirecards in Dubai sei kein Kronzeuge. Vor Gericht verwandle sich Bellenhaus zum Baron von Bellenhausen.
So habe das Drittpartnergeschäft Wirecards sehr wohl existiert – aber Bellenhaus habe die erwirtschafteten Erlöse daraus über Gesellschaften mit Namen wie Pittodrie, Ceridian Canada Payroll sowie weitere Firmen in der Karibik veruntreut. Um das zu vertuschen, habe Bellenhaus wiederum Beweismittel vernichtet, darunter unter anderem „authentische Transaktionsdaten“ von Hochrisikokunden aus Wirecards Drittpartnergeschäft. Außerdem habe Bellenhaus auch „verfahrensrelevante E-Mails“ verschwinden lassen und Chats gelöscht.
Über einen Zeitraum von beinahe zwei Stunden wiederholt Dierlamm immer wieder ein Wort, um Bellenhaus zu charakterisieren: Lügner. Lügner. Und nochmals: Lügner.
Mit dieser Sicht der Dinge stößt Dierlamm bei der Staatsanwaltschaft München auf Ablehnung. Diese baut ihre Anklage gegen Braun und von Erffa zu einem großen Teil auf Bellenhaus‘ Geständnis auf. Für Verteidiger Dierlamm ein Unding. Er meint, die Staatsanwaltschaft glaube die angeblichen Lügenmärchen ohne eine notwendige kritische Grundhaltung.
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Brauns Verteidiger forderten zudem, Bellenhaus‘ Aussage vor Gericht als Beweismittel abzulehnen. Bellenhaus hatte während seiner Aussage und im Anschluss daran keine Fragen von Brauns Verteidigern beantwortet. Somit unterläge Bellenhaus‘ Aussage einem „Verwertungsverbot“ als Beweismittel, weil die Anwälte Brauns den Wahrheitsgehalt nicht hinterfragen konnten.
Brauns Verteidigung legte an diesem Donnerstag vor Gericht eine 27 Seiten lange Erklärung vor. Stephan von Erffas Verteidigerin Sabine Stetter hielt sich etwas kürzer. Auf mehr als 20 Seiten schalt sie Bellenhaus ebenfalls als Lügner, der sogar die eigene Gattin belogen und hintergangen habe. Wann immer Wirecard unter Problemen gelitten habe, habe sich der „Fixer“ Bellenhaus um eine Lösung gekümmert. Bellenhaus hasse Stephan von Erffa und wolle ihn deshalb belasten. Als Kronzeuge sei Bellenhaus nicht zu trauen.
Der ehemalige Chefbuchhalter von Erffa wird zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens aussagen. Am kommenden Montag will sich Ex-CEO Braun erklären. Er will umfassend aussagen und auch Fragen beantworten.
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