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19.01.2023

14:24

Girokonten

Banken und Sparkassen wollen Preise wieder leichter anheben können

Von: Elisabeth Atzler, Heike Anger

Die Finanzbranche hält die aktuelle Zustimmungspflicht für eine „Zumutung“ – auch für die Kunden. Sie schlägt eine kleine BGB-Änderung vor, die große Folgen hätte.

Die deutsche Finanzbranche will wieder Gebühren von Girokonten erhöhen, ohne die explizite Einwilligung ihrer Kundinnen und Kunden einholen zu müssen. Die Banken und Sparkassen schlagen dafür eine Gesetzesänderung vor. IMAGO/Christian Offenberg

Banken in Frankfurt

Die deutsche Finanzbranche will wieder Gebühren von Girokonten erhöhen, ohne die explizite Einwilligung ihrer Kundinnen und Kunden einholen zu müssen. Die Banken und Sparkassen schlagen dafür eine Gesetzesänderung vor.

Frankfurt, Berlin Die deutschen Banken und Sparkassen wollen die Zustimmungspflicht bei Gebührenerhöhungen wieder loswerden. Sie streben eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches an, nach der Preisanhebungen bei Girokonten grundsätzlich ohne explizite Einwilligung der Kundinnen und Kunden möglich wären – so wie es bis vor zwei Jahren der Fall war. Das geht aus einem Positionspapier der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.

Aus Sicht der Finanzinstitute erfordert die aktuelle Situation das Handeln des Gesetzgebers. Ein Modell der ausdrücklichen Zustimmung zu Vertragsänderungen sei nicht massentauglich und „für die Kunden eher eine überflüssige Zumutung als eine Verbesserung“, heißt es in dem DK-Papier.

„Wir wollen eine für alle Beteiligten praktikable Lösung“, sagte Daniel Quinten, Vorstand des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), dem Handelsblatt. Die Zustimmungspflicht zu jeder Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) beschwere sowohl Kreditinstituten als auch für Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Komplexität und Bürokratie.

Hintergrund der DK-Initiative ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von April 2021. Demnach müssen Geldhäuser bei Änderungen der AGB, zum Beispiel bei Preiserhöhungen, die ausdrückliche Zustimmung ihrer Kunden einholen (Az. XI ZR 26/20). Geklagt hatte damals der Verbraucherzentrale Bundesverband gegen die Postbank, die die Preise in den vergangenen Jahren mehrfach angehoben hatte.

Bis zu diesem Urteil hatten Banken und Sparkassen die Gebühren üblicherweise über die bestehenden AGB-Klauseln erhöht. Sie gingen von einer stillschweigenden Zustimmung der Kunden aus, wenn diese einer Änderung nicht binnen zwei Monaten widersprachen. Da in der deutschen Kreditwirtschaft sehr ähnliche AGB verwendet werden, gilt die BGH-Entscheidung als maßgeblich für die gesamte Branche.

Die ersten Geldhäuser kündigen tausende Konten

Für die Geldhäuser folgt aus dem Urteil von 2021 die Verpflichtung, bundesweit die Zustimmung für kürzlich angekündigte Gebührenerhöhungen bei ihren Kunden einzuholen. Zudem brauchen sie die Einwilligung der Kunden zu allen Preisanhebungen, die innerhalb von drei Jahren vor Urteilsverkündung umgesetzt wurden.

Für künftige Preisanpassungen ist es ebenso relevant, was den Banken Sorge bereitet. Angesichts der hohen Inflation und steigenden Sachkosten bei vielen Geldhäusern würden sie die Preise für ihre Girokonten eigentlich gern weiter anpassen.

Das läuft weniger glatt als die Banken hoffen würden. Denn ein Teil der Kundinnen und Kunden – meist drei bis zehn Prozent – stimmt den AGB auch nach etlichen Aufforderungen durch die Kreditinstitute nicht zu. Ihnen kündigen nun immer mehr Banken und Sparkassen das Girokonto.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass die Sparkasse Köln-Bonn, eine der fünf größten Sparkassen des Landes, an 38.000 Kunden Kündigungsschreiben versandt hat. Die Sparkasse Nürnberg hat Ende vergangenen Jahres rund 10.000 Kündigungen verschickt.

„Kreditinstitute wollen weder Girokonten noch andere Verträge kündigen. Aber nach dem BGH-Urteil können Banken Girokonten ohne Zustimmung zu den AGB nicht dauerhaft weiterführen und müssen deshalb irgendwann kündigen“, sagte Quinten dazu. Der BVR ist derzeit Federführer bei der DK. Dass ein Institut mit allen Kunden einheitliche Verträge unterhält, ist Quinten zufolge zudem ein Anliegen der Finanzaufsicht Bafin.

Das Justizministerium prüft Vorschlag noch

Ob die Finanzbranche mit ihrem Vorschlag ausreichend Unterstützung in der Politik bekommt, ist jedoch fraglich. Das Bundesjustizministerium teilte auf Anfrage mit, es prüfe derzeit, ob sich vor dem Hintergrund des BGH-Urteils eine Änderung des AGB-Rechts empfehle. „Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.“ Gegenstand der Prüfung sei auch der Vorschlag der Kreditwirtschaft.

Ähnlich hatte sich das Ministerium jedoch schon in der Vergangenheit geäußert. Denn Gespräche zwischen der Finanzbranche und der Politik laufen seit längerem. Nach eigenen Angaben hat die DK ihre genaue Position mehrfach überarbeitet.

Konkret schlagen die Bankenverbände, die sich in der DK zusammengetan haben, nun vor, dass §675g des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergänzt wird. Ergebnis wäre, dass zumindest Preisanhebungen bei bereits kostenpflichtigen Girokonten wieder ohne Zustimmung möglich sind. Festgeschrieben würde damit letztlich, dass eine Gebührenanhebung ohne explizite Einwilligung keine unangemessene Benachteiligung der Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet.

Anders beurteilt die DK den Fall, wenn eine Bank zum ersten Mal Gebühren verlangt. „Die erstmalige Einführung eines Entgelts bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers“, heißt es im DK-Vorschlag zur Ergänzung des BGB.

Bereits diese „kleine Lösung würde der aktuellen Misere bei bankrechtlichen Dauerschuldverhältnissen Abhilfe leisten und auch dem Verbraucherschutz Rechnung tragen“, meint die DK. Man wolle auch eine Debatte darüber, „was echter Verbraucherschutz wirklich bedeutet“, erklärt Quinten die Sicht der Banken. Denn das BGH-Urteil habe nicht zu mehr Verbraucherschutz geführt.

„Letztlich können Kontoführung und Kontowechsel allein dadurch teurer werden.“ In einem Gutachten für die DK geht der Juraprofessor Matthias Casper davon aus, dass Banken den höheren Aufwand für die Einholung der Zustimmung in Form höhere Gebühren auf die Kunden umlegen werden.

Mit Rückendeckung der Unionsparteien immerhin kann die Finanzbranche rechnen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Ende des vergangenen Jahres einen Antrag für eine Gesetzesänderung eingebracht, der in dieselbe Richtung geht wie der DK-Vorschlag. Auch er zielt auf eine Ergänzung des §675g BGB ab.

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