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12.01.2023

17:31

Girokonto

Immer mehr Banken und Sparkassen kündigen Kunden das Bankkonto

Von: Elisabeth Atzler

Die Kunden hatten Preiserhöhungen nicht zugestimmt. Das Kündigungsschreiben sorgt dafür, dass viele die Konditionen doch noch billigen – manchmal schon durch einmal Geldabheben.

Wenn Banken und Sparkassen Preise anheben, brauchen sie dafür die explizite Zustimmung ihrer Kundinnen und Kunden. dpa

Kontoführungsgebühren

Wenn Banken und Sparkassen Preise anheben, brauchen sie dafür die explizite Zustimmung ihrer Kundinnen und Kunden.

Frankfurt Wenn Banken und Sparkassen die Gebühren für Girokonten anheben wollen, brauchen sie die explizite Einwilligung ihrer Kundinnen und Kunden. Viele Kreditinstitute schreiben diejenigen, die bisher nicht reagiert haben, ein drittes, viertes oder fünftes Mal an, um die Zustimmung noch zu erhalten. Doch einige Geldhäuser haben inzwischen auch Kündigungen ausgesprochen, weitere Banken schließen den Schritt nicht mehr aus.

Ende Oktober war bekannt geworden, dass die Sparkasse Nürnberg rund 10.000 Kunden, die den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht zugestimmt hatten, das Girokonto kündigen will. Die Kündigungen greifen per Ende Dezember 2022 oder per Ende Januar 2023. 95 Prozent der 210.000 Kunden hatten die aktuellen Konditionen explizit gebilligt.

Wie eine Handelsblatt-Umfrage unter großen privaten und genossenschaftlichen Banken sowie Sparkassen zeigt, gibt es weitere Fälle von Kündigungen. So hat die Sparkasse Hannover nach eigenen Angaben im dritten Quartal an rund 9000 Kunden ein Kündigungsschreiben versandt.

Auch die Kreissparkasse Köln, eine der größten Sparkassen in Deutschland, hat einigen Kunden eine Kündigung per Ende des Jahres 2022 ausgesprochen. Eine Zahl dazu will sie nicht nennen.

Die Volksbank aus Offenburg/Villingen-Schwenningen gibt an, dass nahezu alle Kunden schon im zweiten Halbjahr 2021 den AGB zugestimmt hätten. „Einige wenige Kündigungen wurden nur in Ausnahmefällen ausgesprochen“, erklärt Bankvorstand Clemens Fritz.

Auch bei der Commerzbank könnte es zu Kündigungen kommen: „Wenn Kunden weiterhin auf unsere Anfragen nicht reagieren, können wir eine Kündigung der Geschäftsbeziehung im weiteren Verlauf nicht ausschließen, da wir eine gültige Rechtsgrundlage benötigen.“

Sparkasse, Postbank und Co.: Unterschiedliche Behandlung von Kunden problematisch

Hintergrund für das Vorgehen der Geldhäuser ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von April 2021. Demnach müssen Geldhäuser bei Änderungen der AGB, zum Beispiel bei Preiserhöhungen, die ausdrückliche Zustimmung ihrer Kunden einholen (Az. XI ZR 26/20). Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) gegen die Postbank, die die Preise in den vergangenen Jahren mehrfach angehoben hatte.

Bis zum Urteil hatten Banken und Sparkassen die Gebühren üblicherweise über die bestehenden AGB-Klauseln erhöht. Sie gingen von einer stillschweigenden Zustimmung der Kunden aus, wenn diese einer Änderung nicht binnen zwei Monaten widersprachen. Da in der deutschen Kreditwirtschaft sehr ähnliche AGB verwendet werden, gilt die BGH-Entscheidung als maßgeblich für die gesamte Branche.

Die Geldhäuser holen nun zum einen die Zustimmung für gerade angekündigte Gebührenerhöhungen ein. Zum anderen brauchen sie die Einwilligung der Kunden zu Preisanhebungen in den vergangenen drei Jahren.

Dabei sehen Geldhäuser unter anderem das Problem, dass sie ohne vollständige Zustimmung verschiedene Kunden unterschiedlich behandeln. „Kunden, die den neuen Preisen nicht zugestimmt haben, führen das Konto in der Regel zu den vormals gültigen Preisen ähnlich einer Sonderkondition“, so die Berliner Volksbank, die größte Volksbank in Deutschland.

Wie die Bank mit Kunden verfahre, die die neuen AGB nicht anerkennen würden, sei derzeit offen. Im Sinne einer beherrschbaren Komplexität unterschiedlicher AGB-Versionen in den IT-Systemen schaue man „durchaus kritisch“ auf das Thema.

Andere große Geldhäuser aus dem öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Sektor bitten die verbleibenden Kunden erneut um Zustimmung. Dazu zählen die Sparkassen aus Berlin, Hamburg, München, Köln-Bonn und Frankfurt sowie die Frankfurter Volksbank.

Die Bank kündigte Anfang des Jahres 2022 mehrere Kundenkonten. dpa

Sparda-Bank Baden-Württemberg

Die Bank kündigte Anfang des Jahres 2022 mehrere Kundenkonten.

Die Sparda-Bank Baden-Württemberg, eine der größten Genossenschaftsbanken, wiederum hatte bereits Anfang 2022 Konten gekündigt, letztlich aber nur sehr wenige geschlossen. Ende Februar war zudem bekannt geworden, dass die Postbank, die zur Deutschen Bank gehört, als erste große Privatkundenbank Girokonten von Kunden, die den aktuellen Preisen und Bedingungen des Geldhauses nicht zustimmen, kündigt. Betroffen war eine mittlere fünfstellige Zahl an Kundinnen und Kunden.

Zustimmung bei gekündigtem Konto noch möglich

Die Postbank-Kunden konnten die Geschäftsbeziehung aber nach Ende der Kündigungsfrist erhalten und die AGBs automatisch annehmen, indem sie das Konto innerhalb einer gewissen Frist weiter nutzten. Das passierte schon durch eine einzige Überweisung, eine Kartenzahlung oder durch das Geldabheben am Automaten.

Die Deutsche Bank erklärte vor Kurzem auf Anfrage, dass 97 Prozent der Kunden letztlich zugestimmt hätten, rund 1000 Kunden nicht. Diese seien teils auf dem Postweg nicht erreichbar gewesen oder verstorben.

Ähnlich gehen beispielsweise die Kreissparkasse Köln und die Sparkasse Hannover vor. Verbunden sei die Kündigung mit der Möglichkeit, die Zustimmung nachträglich noch zu erteilen, so die Kreissparkasse Köln. Das könne schriftlich, über das Onlinebanking oder an einem Selbstbedienungsautomaten erfolgen.

Auch die Kontonutzung im Laufe des Januar 2023 wertet die Sparkasse als Einwilligung. 99 Prozent der Kundinnen und Kunden hätten die Zustimmung erteilt.

Bei der Sparkasse Nürnberg haben viele Kunden nach dem Kündigungsschreiben noch reagiert. Zwei Drittel von ihnen hätten den AGB zugestimmt, so die Sparkasse.

Nach Auslaufen der Frist würden die Konten nicht sofort aufgelöst, sondern für Umsätze gesperrt. Damit könnten Kundinnen und Kunden auch dann noch ihre Zustimmung erteilen und das Konto wieder aktivieren.

Girokonto gekündigt: Verbraucherschützer kritisieren

Während Verbraucherschützer gegen die Zustimmung durch Weiternutzung nach der Kontokündigung im Fall der Postbank keine Einwände haben, gibt es in einem etwas anders gelagerten Fall erneut eine juristische Auseinandersetzung. Aus Sicht des VZBV stimmen Kundinnen und Kunden durch die Nutzung ihres Kontos, etwa durch eine Überweisung oder einmal Geldabheben, nicht automatisch Vertragsänderungen wie Preiserhöhungen zu.

Die Sparda-Bank hatte laut dem VZBV Kunden zunächst in zwei Schreiben explizit um Zustimmung zu den Konditionen gebeten, in einem weiteren Schreiben erklärte die Bank, dass sie auch die künftige Nutzung des Kontos als Zustimmung werten wolle. Das Geldhaus hat inzwischen Berufung gegen die Gerichtsentscheidung eingelegt, wie es auf Anfrage mitteilte.

Erstpublikation am 02.01.23, um 04:00 Uhr.

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