Gründer und ihre Investoren haben die Silicon Valley Bank erst groß gemacht – und dann ihr Ende beschleunigt. Nun diskutiert die Branche, was sich ändern muss.
Silicon Valley Bank
Fußgänger vor einer SVB-Filiale in San Francisco: Die Pleite der Bank ist auch ein Rückschlag für viele Start-ups.
Bild: AP
Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, New York, San Francisco Die Silicon Valley Bank (SVB) und die Gründerszene – lange war das eine Symbiose. „Die SVB war der Goldstandard“, sagt der Investor Bernhard Gold, Venture-Partner beim Wagniskapitalfinanzierer Relay Ventures. In der Vergangenheit habe er Start-ups geraten, ihre Konten bei der SVB zu führen. Die Bank sei immer ein guter Partner der Start-up-Landschaft in den USA gewesen.
Gold ist nicht der einzige Geldgeber, der jungen Firmen den Start-up-Finanzierer aus dem kalifornischen Santa Clara ans Herz legte. Mehrere Start-ups aus dem Silicon Valley berichten dem Handelsblatt, dass Investoren sie in der Frühphase dazu regelrecht drängten, Konten bei der SVB zu eröffnen. In der Regel war diese Bedingung nicht Teil der schriftlichen Vereinbarung rund um ein Investment, wurde aber deutlich kommuniziert.
Auch für viele Wagniskapitalfinanzierer selbst war die SVB Hausbank und natürliche Verbündete. „Die SVB hat sich stärker als jede andere etablierte Geschäftsbank über Jahrzehnte auf das Geschäft mit von Wagniskapital finanzierten Technologie-Firmen eingestellt“, sagt Fabian Heilemann, Gründer und CEO des Risikokapitalgebers Aenu.
Doch nun ist der Schaden groß. Vergangene Woche brach die SVB zusammen und löste neue Ängste vor einer Bankenkrise aus. US-Präsident Joe Biden trat Anfang der Woche an die Öffentlichkeit und versprach den Schutz aller Einlagen bei den US-Bankhäusern.
Die Krise der SVB war von immensen Mittelabzügen ausgelöst worden, die das Institut zwangen, Niedrigzinsanleihen mit hohem Verlust zu veräußern, was letztlich zum Zusammenbruch führte. Dies nährt die Furcht vor Kreditausfällen im Bankensektor – aber bringt auch viele Start-ups in die Bredouille.
Denn die engen Bande der Gründerszene mit der SVB haben zumindest in den USA dazu beigetragen, dass viele junge Tech-Firmen und ihre Geldgeber nun so abhängig davon sind, dass die US-Regierung ein Rettungspaket für die SVB-Kunden schnürt. Gerade einmal vier Prozent aller Kundeneinlagen der Bank sind durch die amerikanische Einlagensicherung geschützt.
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War die Gründerszene zu naiv? Der Kollaps der SVB hat in der Branche eine Diskussion über eigene Fehler und notwendige Lehren daraus entfacht. „Start-ups müssen Kunden bei mehreren Banken sein“, stellte David Sacks, Partner bei Craft Ventures diese Woche im US-Börsensender CNBC klar. Das sei auch eindeutig die Ansage an seine Portfoliofirmen.
Der größte Teil der Finanzressourcen müsse zudem bei einer der Großbanken gehalten werden, die als systemisch relevant eingestuft und daher besonders streng reguliert wird. Dazu zählen unter anderem JP Morgan Chase, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo.
Die Debatte über die richtigen Konsequenzen findet auch in Deutschland statt. Dabei war die Abhängigkeit von der SVB in Europa nie so ausgeprägt wie in den USA. „Die SVB-Pleite war für deutsche Start-ups weniger relevant, weil nur sehr wenige dort ihr Hauptkonto hatten – in den USA und Großbritannien sah das ganz anders aus“, sagt Filip Dames, Gründer von Cherry Ventures.
Smartphone-Bank N26
Viele deutsche Milliarden-Start-Ups haben nach eigenen Angaben keine Geschäftsbeziehung zur Silicon Valley Bank.
Bild: dpa
Bei einer Umfrage des Handelsblatts unter den 36 deutschen Einhörnern, also den Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Dollar von Investoren bewertet werden, gab ein Drittel an, dass keine Kontakte zur SVB bestanden. So gab es beispielsweise bei Milliarden-Start-ups wie N26, Volocopter, Forto, Enpal, Flix, Trade Republic, Flink, Solaris, Omio und Grover keine geschäftlichen Beziehungen – weder in Deutschland noch zur US-Mutter oder britischen Tochter.
Die Mehrheit der Einhörner beantwortete die Anfrage jedoch nicht. Start-ups wie Personio, Celonis und Mambu hatten zwar entweder Einlagen oder Kreditlinien, setzten aber neben der SVB auch auf andere Banken. Es bestand zu keiner Zeit ein Risiko für unser Geschäft oder unseren Betrieb, teilte Personio mit.
Fälle, in denen Investoren ihren Start-ups ein Konto bei der SVB regelrecht aufdrängten, sind in der deutschen Gründer- und Investorenszene nicht bekannt. Es gibt sogar Fälle, in denen es ganz anders läuft. Der Chef einer 60-Mitarbeiter-Firma in Berlin erzählt etwa, ihn hätten seine Investoren zu mehr Vorsicht gezwungen.
„Aller Wahrscheinlichkeit sind wir, die Tech-Community, mit einem Schrecken davongekommen“, postete der Berliner Frühphasen-Investor Christoph Janz diese Woche auf LinkedIn. Die Aufarbeitung der Lehren daraus werde dauern, „aber was ich mir wirklich vorwerfe, ist, dass ich Gründern nicht gesagt habe, dass sie ihre Barmittel auf unterschiedliche Banken verteilen sollen“.
Wenn ein unerfahrener Gründer an so etwas nicht denke, sei das in Ordnung. „Aber ich hätte es besser wissen müssen“, schreibt Janz. Investoren wie er würden „enorm viel Zeit“ darauf verwenden, um mit Gründern über Themen wie die Burn Rate, also die monatlichen Kosten, über Runway, also die Zeit, die einem Start-up bei einer bestimmten Burn Rate bis zur Insolvenz bleibt, oder Finanzierung reden. „Aber wie sicher unser Geld gelagert ist, das habe ich nie gefragt, und ich erinnere mich nicht an so eine Frage von irgendeinem anderen Wagniskapitalgeber.“
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Ähnlich sieht das Sebastian Becker von Redalpine: „In den Board Meetings von Startups waren Bankbeziehungen bisher selten ein Thema. Künftig werden Risikokapitalgeber verstärkt drauf schauen, bei welchen, respektive wie vielen Banken, Startups ihre Konten führen und dass sie nicht automatisch dahin gehen, wo es 0,5 Prozent bessere Zinsen gibt“, sagt er.
So intensiv sich die Szene nun mit der Frage der richtigen Bankverbindungen beschäftigt, so intensiv beschäftigt sie die Frage, welche Rolle die Wagniskapitalgeber beim schnellen Zusammenbruch der langjährigen Hausbank der Tech-Szene spielte. Vieles deutet darauf hin, dass die Investorenszene das Ende der SVB zumindest beschleunigt hat.
Denn es sind Gerüchte, dass wichtige Tech-Investoren wie Sequoia oder Peter Thiels Founders Fund ihren Start-ups empfehlen, besser ihr Geld von der SVB abzuziehen, die schließlich eine Massenflucht bei der Bank auslösen. „Wir hören von einem Bankrun bei der Silicon Valley Bank. Wenn ihr dort ein Konto habt, raten wir euch, das gesamte Geld so schnell wie möglich abzuziehen“, heißt es in einer Nachricht des Start-up-Finanzierers an die Firmen, an denen Global Founders Capital (GFC) beteiligt ist und die dem Handelsblatt vorliegt.
Als nach dem Aus der SVB weitere US-Banken in Not geraten, schickt GFC an mehr als 200 Adressaten die Empfehlung, ihr Geld von Digitalbanken und solchen Instituten abzuziehen, die auf den Tech-Sektor spezialisiert sind. GFC nennt einige Geldhäuser namentlich, darunter auch die nun ebenfalls geschlossene Signature Bank. Stattdessen sollen die Gründer ihre Guthaben nun bei „großen, traditionellen Banken wie JP Morgan, Citibank, Bank of America, Morgan Stanley, Wells Fargo“ parken.
Signature Bank in New York
In Folge der Pleite der Silicon Valley Bank haben Kunden im großen Stil Einlagen bei der Signature Bank abgezogen.
Bild: IMAGO/Xinhua
GFC war wohl weder der erste und erst recht nicht der einzige Investor, der in den vergangenen Tagen solche Botschaften an seine Portfoliounternehmen schickte, also an die Start-ups, in die er investiert hat. Die Massenflucht der Kunden torpediert die Bemühungen der SVB, Investoren für eine rettende Kapitalerhöhung zu finden. Einen Tag nachdem die Bank ihren Kapitalbedarf öffentlich gemacht hat, übernimmt die US-Einlagensicherung das Ruder und schließt das Institut, mitten am Tag, was selten vorkommt.
Die Investoren hätten vermutlich eine wichtige Rolle in der Krise der SVB gespielt, sagte der Investor Kristofer „Kriffy“ Perez, Berater beim Future-Today Institute und Mitgründer von Global PayTech Ventures. „Die VCs bilden eine enge Gemeinschaft, die genau schaut, was andere Spieler in der Branche machen“, sagte Perez. In Krisenzeiten wie bei der SVB hätten vermutlich erste Unsicherheiten dazu geführt, dass Investoren ihre Portfoliofirmen schon zu einem frühen Zeitpunkt dazu aufgefordert hätten, ihre Abhängigkeit von der SVB so weit wie möglich zu reduzieren.
Die Verantwortung sieht die Szene in erster Linie bei den Investoren, die die Welle ins Laufen brachten. „Wenn Sequoia und der Founders Fund das wirklich angestoßen haben, sehe ich die Verantwortung bei denen“, sagt der Chef eines großen deutschen Start-ups. „Wären die anders mit dem Thema umgegangen und hätten gesagt: Hey Silicon Valley Bank, lasst uns reden, ihr überweist 50 Prozent oder gebt gewisse Garantien ab, dann hätte man das komplett vermeiden können.“
Die Investoren, die auf diese erste Welle reagiert hätten, hatten aus seiner Sicht keine andere Wahl. „Wenn alle ihr Geld abziehen, kannst du nicht warten. Du hast auch eine Verantwortung gegenüber deinen Firmen und deinen Investoren“, sagt er. Er sei nachts von Investoren angerufen worden. „Und das ist auch richtig so.“
Doch bei aller Kritik an zu viel Abhängigkeit, mit der Silicon Valley Bank selbst hat die Gründerszene nicht gebrochen. „Wir stehen weiter zur Silicon Valley Bank“, sagte Investor Bernhard Gold, Venture-Partner bei Relay Ventures. Die Bank sei immer ein guter Partner der Start-up-Landschaft in den USA gewesen.
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