Der im Zentrum des Bilanzskandals stehende Braun ist frei. Wegen eines Margin Calls musste er Aktien für etwa 155 Millionen Euro abstoßen.
Ex-Wirecard-Chef Markus Braun
Die Justiz beschäftigt sich inzwischen mit ihm.
Bild: Bloomberg
Düsseldorf Vor einer Woche war Markus Braun noch Vorstandschef des Dax-Konzerns Wirecard und wurde als Milliardär hofiert. Danach kam der tiefe Fall: Am gestrigen Dienstag zahlte er eine Kaution von fünf Millionen Euro, um in München aus der Haft entlassen zu werden. Einmal pro Woche muss er sich bei der Polizei melden.
Am Montag stellte er sich selbst, nachdem der Österreicher in Wien erfahren hatte, dass die Münchener Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen ihn beantragt hat. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun in der Affäre um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro unrichtige Darstellung der Wirecard-Bilanzen und Marktmanipulation vor.
Nachdem dieser Bilanzskandal am Donnerstag publik geworden war, stieß Braun einen großen Teil seiner Aktien an dem existenzbedrohten Dax-Konzern ab. In einer Serie von Verkäufen erlöste der 51-Jährige am Donnerstag und Freitag insgesamt 155 Millionen Euro, wie Wirecard in mehreren Ad-hoc-Mitteilungen am Dienstagabend mitteilte. Braun hält damit nach aktuellem Stand noch Anteile an seiner Ex-Firma von 2,62 Prozent, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Stimmrechtsmitteilung hervorging. Vor einer Woche waren es noch 8,04 Prozent
Der Dax-Konzern hat insgesamt knapp 123,6 Millionen Aktien im Umlauf, überschlägig hat Braun 5,5 Millionen seiner rund 8,7 Millionen Wirecard-Aktien verkauft. Die Wirecard-Papiere haben seit Mittwochabend über zehn Milliarden Euro an Wert verloren, Braun selbst dürften die Kursverluste um über eine halbe Milliarde Euro ärmer gemacht haben.
Mit der Trennung von seinen Anteilsscheinen dürfte er einem sogenannten „Margin Call“ gefolgt sein, bei dem Aktien auch unter der Hinnahme von Verlusten veräußert werden müssen, um etwa den Verpflichtungen gegenüber Kreditgebern nachzukommen.
Der Begriff Margin Call stammt aus der Praxis von Brokern, die ihre Kunden anrufen, um sie darüber zu informieren, dass das vorhandene Kapital unterhalb des Mindestbetrags gefallen ist, der für die Fortsetzung des Deals notwendig ist.
Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge hat Braun 2017 eine Kreditlinie der Deutschen Bank in Höhe von 150 Millionen Euro durch etwa die Hälfte seiner damaligen Anteile abgesichert. Die Deutsche Bank hat die Kreditlinie inzwischen veräußert, berichtete Bloomberg weiter unter Berufung auf Insider.
Am vergangenen Mittwoch, bevor der Wirecard-Skandal in Fahrt geriet, wäre Brauns Aktienpaket noch 435 Millionen Euro wert gewesen. Mit dieser Summe hätte er das Darlehen leicht glattstellen können. Als aber am Donnerstag Wirecard verkünden musste, dass rund 1,9 Milliarden Euro – ein Viertel der Bilanzsumme des Dax-Konzerns – fehlen, waren die Anteile nur noch 166 Millionen Euro wert. Am Freitag sank der Wert auf rund 100 Millionen Euro.
Die Hinterlegung von Aktienpaketen durch Konzernvorstände und reiche Investoren bei Banken wurde in den vergangenen Jahren immer beliebter. Die Firmenlenker können auf der Suche nach Geldmitteln damit der Alternative entgehen, dass eine Bank Mitspracherecht im Unternehmen erhält. Zugleich wird die Zusammenarbeit zwischen Bank und Kreditnehmer gestärkt. Die Deutsche Bank und Brauns Firma Wirecard kamen sich einem Bericht von Bloomberg zufolge auch auf anderen Ebenen vor nicht einmal einem Jahr näher: So habe der Zahlungsdienstleister 2019 eine Fusion mit der Deutschen Bank erwogen.
Die Verpfändung von Aktienpaketen birgt allerdings Risiken für beide Seiten. So war etwa der Milliardär und Gründer von Luckin Coffee, Lu Zhengyao, nach einem Bilanzskandal zu einem Margin Call gezwungen. Trotz des Aktienverkaufs musste der Kreditgeber Credit Suisse einen Teil seines Darlehens an Lu als Verlust verbuchen.
Mit Agenturmaterial
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