Er sanierte die frühere HSH Nordbank und führte sie in die Einlagensicherung der Privatbanken: Jetzt tritt Stefan Ermisch überraschend ab – auf ungewöhnliche Weise.
Stefan Ermisch
„Nach zehn Jahren ist es irgendwann genug“, sagt der Manager in einer achtminütigen Pressekonferenz.
Bild: dpa
Frankfurt Stefan Ermisch hat in seinen zehn Jahren bei der Hamburg Commercial Bank (HCOB) einiges erlebt: Der Manager, der 2012 als Finanzvorstand kam und das Institut seit 2016 führt, hat die frühere Landesbank HSH Nordbank saniert, von Altlasten bereinigt, auf Geheiß der Europäischen Union privatisiert und profitabel gemacht.
Nun tritt der 56-Jährige Ende September für viele unerwartet ab. „Nach zehn Jahren ist es irgendwann genug“, sagte er auf einer Pressekonferenz anlässlich der Quartalszahlen. Die ehemalige HSH Nordbank habe „ein Stück Bankengeschichte in Deutschland geschrieben“, sagte er. „Ich bin sehr stolz darüber, dass ich dazu habe beitragen dürfen und viele Dinge davon auch sehr stark geprägt habe.“
Tatsächlich hat die ehemalige Landesbank, die 2019 in HBOC umbenannt wurde, eine bewegte Vergangenheit. Nachdem das Institut wegen fauler Schiffskredite mithilfe von Steuergeldern in Milliardenhöhe gerettet worden war, erzwang die Europäische Kommission den Verkauf an private Investoren. Ende 2018 ging die Landesbank für eine Milliarde Euro an Finanzinvestoren um Cerberus und JC Flowers.
Gegen einige Widerstände boxte Ermisch das privatisierte Institut, das bis zu diesem Zeitpunkt noch in den Rettungstöpfen der Sparkassen und Landesbanken verankert war, in das Einlagensicherungssystem der privaten Banken, „was auch recht kompliziert war“, wie Ermisch betont. Seit Januar ist die HCOB nun endgültig Mitglied in dem privaten Einlagenschutzsystem des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) – ein Präzedenzfall in der deutschen Finanzwelt.
„Das ist für ein Managerleben mehr als genug“, sagt Ermisch. Aus seiner Sicht ist das „der richtige Zeitpunkt“, um „den Staffelstab“ an seinen Nachfolger Ian Banwell weiterzugeben, der die Bank „sehr erfolgreich“ weiterführen werde.
In der Finanzbranche gibt es Spekulationen darüber, dass Ermisch und Banwell nicht allerbeste Freunde gewesen sein sollen. Auch in strategischen Fragen sollen sie nicht immer einer Meinung gewesen sein, ist zu hören. Was an solchen Gerüchten dran ist, ließ sich auf der Videokonferenz nicht klären. Denn Nachfragen zu dem unerwarteten Führungswechsel – oder auch zu den Quartalszahlen – ließ Ermisch nicht zu. Die Videokonferenz über den einschneidenden Führungswechsel endete deshalb nach nicht einmal acht Minuten.
Aufsichtsratschef Juan Rodríguez Inciarte ließ mitteilen, dass er Ermischs Wunsch „mit Bedauern zugestimmt“ habe, dessen Entscheidung aber selbstverständlich respektiere. Wie er den Führungswechsel ansonsten bewertet, hatte er zu Beginn der Veranstaltung deutlich gemacht. „Das ist ein großer Tag für die Bank“, so der Aufsichtsratschef. „Ich bin froh, den besten Übergang im Management-Team zu verkünden.“ Banwell kenne die Bank in- und auswendig.
Der 58-jährige Amerikaner ist seit 2019 Finanzvorstand der HCOB. Davor hatte der Manager für den Finanzinvestor Cerberus gearbeitet. Der Aufforderung seines Aufsichtsratschefs, sich mit ein paar Worten vorzustellen, widerstand Banwell. Dies sei ein Tag, um die Erfolge Stefan Ermischs zu würdigen, sagte er nur.
Die Halbjahreszahlen, den ursprünglichen Anlass für die Kurz-Konferenz, sprach Ermisch dann nur am Rande an.
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„Ich gehe mit Top-Zahlen und hinterlasse die Bank in einem perfekten Zustand mit sehr guten Financials“, sagte er im Wesentlichen. Das Halbjahresergebnis? „Oberhalb von 200 Millionen Euro nach Steuern.“ Die Kapitalquoten? „Enorm stark.“ Die Effizienz der HCOB? „Enorm verbessert.“
„Ich gehe mit Top-Zahlen und hinterlasse die Bank in einem perfekten Zustand mit sehr guten Financials.“ HCOB-Chef Stefan Ermisch
Tatsächlich hatte das Institut, das auf die Finanzierung von gewerblichen Immobilien und Schiffen sowie die Projektfinanzierung spezialisiert ist, in der ersten Jahreshälfte gut verdient. Zwar schrumpfte der Gesamtertrag des regulären Geschäfts um zehn Prozent. Der Grund dafür waren Bewertungsverluste im strategischen Investmentportfolio, die durch die Kursschwankungen an den Finanzmärkten verursacht wurden.
Doch weil die Bank einen Teil ihrer Risikovorsorge – rund 30 Millionen Euro – für faule Kredite auflösen konnte und außerdem ein Sonderertrag in Höhe von 40 Millionen Euro anfiel, stieg das Konzernergebnis dennoch von 194 auf 207 Millionen Euro. Die Eigenkapitalrendite nach Steuern stieg leicht auf 20,5 Prozent.
Operativ verlief das Halbjahr für die Bank aber gut. Die Nettozinsmarge ist gestiegen, die Bank hat außerdem mehr Neugeschäft gemacht. Die steigenden Zinsen dürften die gute Geschäftsentwicklung weiter unterstützen. Das Institut erhöhte deshalb seine Gewinnprognosen vor Steuern für das Gesamtjahr von 280 Millionen auf mehr als 300 Millionen Euro.
Doch auch Fragen zu „den technischen Details der Zahlen“ überließ Ermisch seiner Pressestelle. Alles, was die Zukunft angehe, werde sein Nachfolger ab Oktober besprechen.
Nur ein Zukunftsthema sprach Ermisch dann doch persönlich an: Die Bank werde im nächsten Jahr eine Dividende zahlen. „Das erste Mal nach gefühlt hundert Jahren“, wie er sagte. Zuletzt hatte das Vorgängerinstitut HSH Nordbank im Jahr 2009 eine Dividende zahlen wollen. Dieses Vorhaben wurde wegen der milliardenschweren Staatshilfen, die das Institut in Anspruch genommen hatte, dann aber gestoppt.
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