Immer mehr Kunden wickeln ihre Bankgeschäfte mobil ab. Eine Studie zeigt, welchen Instituten die Balance zwischen bequemer Nutzung und Datenschutz am besten gelingt.
Digitale Gesundheitsanwendungen
Hersteller starten ihre Apps auf Rezept mit höheren Preisen.
Bild: dpa
Köln Die klassische Bankfiliale um die Ecke wird in der Coronakrise zum Auslaufmodell: Laut einer Umfrage des Vergleichsportals Verivox im November 2020 gehen nur noch sieben Prozent der Kunden in Deutschland für alle ihre Bankangelegenheiten in eine Niederlassung vor Ort.
Mehr als jeder Dritte gab an, zuletzt vor über einem Jahr in einer Bankfiliale eine Beratung in Anspruch genommen zu haben. Laut einer aktuellen Erhebung des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität rechnen 95 Prozent der Topbanker für 2021 mit weiteren Filialschließungen.
Onlinebanking profitiert in der Krise – und damit steigt auch die Nutzung entsprechender Apps. „Sobald das Vertrauen in das digitale Banking vorhanden ist, wächst auch die Neugier auf die mobile Nutzung“, sagt Johannes Higle, Marktforscher beim Hamburger Institut SWI Finance.
Das Smartphone sei in allen Altersklassen zum täglichen Begleiter und zur zentralen Kommunikationsplattform geworden. Die Corona-Situation beschleunige nun „die Entwicklung zum Mobile Banking ganz entscheidend“. Laut Studie des IT-Branchenverbands Bitkom nutzt mehr als die Hälfte der Onlinebanking-Anwender eine Smartphone- oder Tablet-App. Noch vor drei Jahren waren es nur 30 Prozent.
Die Banken haben dieses Potenzial erkannt. SWI Finance hat für das Handelsblatt die Mobile-Banking-Lösungen von 14 Instituten untersucht, darunter die größten bundesweit aktiven Institute mit Filialnetz sowie die größten Direktbanken und drei Neobanken. Dabei wurden Nutzungsqualität und Funktionsumfang getestet. „Die Untersuchung fiel mehrheitlich positiv aus“, sagt Higle
Grundfunktionen wie Überweisungen, Daueraufträge oder Änderungen am Profil seien in fast allen Apps problemlos möglich. In der Untersuchung des Vorjahrs habe es hier noch deutlich mehr Lücken gegeben.
In den Apps seien Transaktionen oft schneller und unkomplizierter möglich als beim Onlinebanking am PC. „Die Banken setzen auf Mobile Banking als neuen alltäglichen Nutzungskanal“, sagt Higle. Bisherige technische Probleme seien weitgehend ausgebügelt worden, zudem erhielten die Apps häufiger Updates.
Das werde den Trend nun noch weiter verstärken: „Wenn die Qualität stimmt und das Vertrauen in die Apps weiter wächst, ist mobiles Banking kaum aufzuhalten.“ Auch das kontaktlose Bezahlen über das Smartphone erhält in Pandemie-Zeiten einen Schub.
Die Studie setzt den Fokus auf die Untersuchung der Nutzungsqualität, also die schnelle und bequeme Bedienung. Dies sei den Kunden erfahrungsgemäß wichtiger als ein besonders großer Umfang von Funktionen. Die Grundfunktionen müssten dennoch stimmen – etwa ein einfacher und zuverlässiger Log-in.
„Über nichts regen sich Kunden mehr auf, als wenn sie plötzlich keinen Zugang mehr zu ihrem Konto haben“, sagt Higle. Mit einer guten App könnten die Institute heute auch die Konkurrenz ausstechen: „Wenn die Konditionen bei zwei Banken ähnlich sind, kann das jeweilige mobile Angebot den Ausschlag geben.“ Gerade jüngere Nutzer orientierten sich hier an Bewertungen in den App-Stores.
Steigen die Nutzerzahlen von Banking-Apps, ruft das auch Kriminelle auf den Plan. Das Sicherheits-Softwareunternehmen Eset warnte 2020 in seinem jährlichen Bericht vor vermehrter Banking-Malware, vor allem auf Geräten mit Android-Betriebssystem. Die Schadsoftware arbeitet etwa mit gefälschten Anmeldebildschirmen, um Nutzer dazu zu bringen, ihre Bankdaten preiszugeben. Die Trojaner werden zum Beispiel über Links in sogenannten Phishing-Mails verbreitet.
Im vergangenen Jahr tauchte auf Android-Handys vor allem in Europa eine neue Version des Trojaners „Cerberus“ auf, der erstmals im Sommer 2019 entdeckt wurde. Laut Experten ist dieser potenziell in der Lage, Sicherheitsmechanismen von Banking-Apps zu umgehen. Die Cerberus-Trojaner verbreiten sich auch deshalb rasch, weil Cyberkriminelle mittlerweile in Untergrund-Foren im Netz auf den vollständigen Quellcode zugreifen und diesen für sich nutzen können.
Dennoch: „Insgesamt ist Mobile Banking als weitgehend sicher zu bewerten“, sagt der selbstständige IT-Sicherheitsberater Vincent Haupert. Dazu habe auch die 2018 in nationales Recht umgesetzte EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 beigetragen, welche die Authentifizierung über zwei unterschiedliche Faktoren vorschreibe.
„Das ist mittlerweile auch bei der letzten Bank angekommen und trägt Früchte“, sagt Haupert. Probleme könne es geben, wenn beide Faktoren der Authentifizierung über dasselbe Gerät laufen – etwa wenn die TAN-Nummer per SMS verschickt wird.
„Wenn das Smartphone tief genug mit Schadsoftware kompromittiert ist, können die Kriminellen dann womöglich auf beide Faktoren zugreifen.“ Das SMS-Verfahren wird von vielen Banken daher nicht mehr angewandt. Als technischer Goldstandard gelte das Chip-TAN-Verfahren, bei dem die Bankkarte in ein externes Gerät gesteckt wird, sagt Haupert.
Die Banken stehen hier vor einem Dilemma: Werden mehrere Geräte und Karten benötigt, leidet wiederum die Bequemlichkeit. „Wenn sich Banken ausschließlich auf die möglichst einfache Bedienung konzentrieren, kann das Risiken bergen“, sagt Haupert.
Viele Apps bieten heute auch bequeme biometrische Verfahren über Fingerabdruckscanner oder Gesichtserkennung an. Die meisten Kunden vertrauen der Technologie: In einer Studie der Unternehmensberatung PwC aus dem Jahr 2020 stufen 68 Prozent der Befragten biometrische Verfahren als sicher ein.
„Wichtig ist vor allem, die Nutzer bei der Sicherheit an die Hand zu nehmen, ihnen klare Anleitungen zu geben“, sagt Haupert. Zwar sei die Sicherheit den meisten Menschen wichtig – beim konkreten technischen Wissen hapere es allerdings. „Sie sehen hier in der Regel die Bank in der Verantwortung – und erwarten auch, dass diese im Schadensfall geradesteht.“
Es sei aber ebenso wichtig, dass Kunden ihre Transaktionen im Blick haben. Oft werde etwa nicht überprüft, ob die jeweilige IBAN-Nummer korrekt sei. „Das sicherste Verfahren bringt nichts, wenn den Nutzern das Bewusstsein fehlt.“ Wichtig sei es auch, schnell das Konto zu sperren, wenn das Smartphone verloren gehe oder gestohlen werde.
Geht es um Nutzungsqualität und Funktionen, schneidet bei den Testnutzern wie schon im Vorjahr das mobile Angebot der Deutschen Bank am besten ab. Sie belegt im Gesamtranking den Spitzenplatz. Die Tester hoben etwa Funktionen wie die Foto-Überweisung, bei der Papier-Rechnungen automatisch mit dem Smartphone gescannt werden, oder die Integration eines CO2-Fußabdruck-Rechners positiv hervor.
Platz zwei im Gesamtranking belegen die Sparkassen. Im Vergleich zum Vorjahr seien deren Resultate erkennbar verbessert, sagt Studienleiter Higle. „Es scheint, als sei hier die Corona-Zeit genutzt worden, um sich im digitalen Bereich verbessert aufzustellen.“ In der Kategorie Nutzungsqualität belegt der Verbund sogar den ersten Platz. Die App wird nach Angaben der Sparkasse von 11,2 Millionen Kunden genutzt – das sind 21 Prozent mehr als im Vorjahr.
Das Smartphone werde zur „Schaltzentrale für finanzielle Angelegenheiten“, sagt Thomas Rienecker, Sprecher beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband. „Wir rechnen damit, dass die App zu einem der wichtigsten Zugangskanäle für Kunden wird.“
Bei der Weiterentwicklung fließe immer auch das Feedback der Nutzer ein. So entstünden neue Funktionen – seit dem letzten Jahr sei etwa die Kontoeröffnung direkt aus der App heraus möglich. In puncto Sicherheit setzt die Sparkasse unter anderem auf eine Verschleierung des Programmcodes sicherheitskritischer Module.
Die drei untersuchten Neobanken schneiden unterschiedlich ab: Während N26 im Gesamtranking auf Platz fünf landet, belegen Revolut und C24 die beiden letzten Plätze. Die Anbieter schwächeln insbesondere beim Zugang über den Browser – Revolut und C24 bieten diesen gar nicht an und setzen auf eine reine App-Lösung.
C24 ist als ein Konto-Angebot des Vergleichsportals Check24 erst im Oktober gestartet. Noch sei der Funktionsumfang hier zu gering, um gegen die Konkurrenz zu bestehen, sagt Studienleiter Higle. Der Trend aber ist klar: Die klassischen Banken müssen sich auf neue Konkurrenz einstellen, die sich auf Mobile Banking spezialisiert.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (3)