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22.05.2019

18:56

Hauptversammlung

Commerzbank-Aktionäre kritisieren Verdi-Vertreter im Aufsichtsrat

Von: Yasmin Osman

Auf der Hauptversammlung der Commerzbank bekommt ein Aufsichtsrat den Zorn der Aktionäre zu spüren. Der Betroffene wehrt sich.

Bei der Hauptversammlung der Bank in Wiesbaden steht ein Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat in der Kritik. Bloomberg

Commerzbank

Bei der Hauptversammlung der Bank in Wiesbaden steht ein Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat in der Kritik.

Wiesbaden Kritik ist Alltag auf Aktionärstreffen deutscher Unternehmen. In der Regel ziehen dabei die Vorstände der Aktiengesellschaft den Zorn der Anteilseigner auf sich, häufig auch die Aufsichtsratsvorsitzenden. Die einfachen Mitglieder der Aufsichtsräte können ihre Zeit auf den Hauptversammlungen dagegen meist unbehelligt absitzen. Bei der Commerzbank war das am Mittwoch anders: Mehrere Aktionäre übten scharfe Kritik an Aufsichtsratsmitglied Stefan Wittmann.

Wittmann sitzt seit 2018 als Vertreter der Arbeitnehmer im Kontrollgremium der Commerzbank. Der Landesfachbereichsleiter Finanzdienstleistungen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi weiß, wie man griffig formuliert. Für den Geschmack einiger Commerzbank-Aktionäre hat er sich dabei in einigen Fällen im Ton vergriffen.

Im Falle der letztlich gescheiterten Fusion mit der Deutschen Bank werfen Aktionäre ihm geschäftsschädigende Äußerungen vor, weil das Verdi-Mitglied sich klar gegen ein Zusammengehen gestellt hatte. Und auch eine Aussage über eine mögliche Fusion mit dem italienischen Geldhaus Unicredit schlug hohe Wellen.

Klaus Nieding, Vizepräsident der Aktionärsvereinigung Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), ärgert sich über Aussagen Wittmanns zur Fusion mit der Deutschen Bank. So soll Wittmann unter anderem gesagt haben, „jeder potenziell Übernehmende schätzt die toxischen Risiken in den beiden Häusern so groß ein, dass sie sich potenziell zurückhalten“.

„Sie sind als Mitglied des Aufsichtsrats unseres Hauses verpflichtet, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Das öffentliche Schwadronieren über ‚toxische Risiken‘ in unserem Haus ist sicher nicht geeignet, den Aktienkurs positiv zu beeinflussen oder Ihre Pflichten als Aufsichtsrat zu erfüllen“, moniert der Anlegeranwalt.

Kritik an martialischer Wortwahl

Er will von Wittmann „bei allem Verständnis für die Betroffenheit und das Engagement als Arbeitnehmervertreter“ unter anderem wissen, wie er sich gegen die Fusion stellen kann, bevor eine Wirtschaftlichkeitsprüfung dazu abgeschlossen worden sei.

Der Aktionär Rolf Mugrauer wiederum griff Wittmann für eine Aussage an, die dieser mit Blick auf eine Fusion mit der italienischen Großbank Unicredit getroffen haben soll: „Bevor wir mit den Italienern fusionieren, wird sehr viel Blut fließen“, mit diesen Worten wurde Wittmann nach einer Podiumsdiskussion von Nachrichtenagenturen zitiert.

Mugrauer findet diese Wortwahl „martialisch“, für ihn sei das ein Skandal. „Sie sollten sich schämen, dass in Zeiten eines friedlichen Europas dieser Satz von Ihnen als Aufsichtsrat ausgesprochen wird. Das ist ein Sprachgut von Populisten und war das Sprachgut von Nazis“, schimpft Mugrauer und wirft Wittmann Volksverhetzung vor. „Für mich sind Sie als Aufsichtsrat dieser Bank untragbar“, schließt der Aktionär.

Diese Ansicht teilt auch ein weiterer Kleinaktionär, der den Antrag stellt, dass über die Entlastung von Vorständen und Aufsichtsräten einzeln abgestimmt wird. Dann könne jeder Aktionär selbst entscheiden, wie er zu Wittmann stehe. Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann kommt diesem Antrag nach.

Der Verdi-Gewerkschaftssekretär wehrt sich gegen die Vorwürfe. „Dass ich als Arbeitnehmervertreter jeden Merger kritisch beäuge, gehört zu meinen Aufgaben“, schrieb er dem Handelsblatt auf Anfrage. Mehr sei dazu nicht zu sagen.

„Dass mich ein Einzelaktionär als Nazi tituliert, ist unerträglich, scheint man aber heutzutage aushalten zu müssen“, so Wittmann. „Ich bin kein Populist und arbeite ernsthaft und engagiert an der Sicherung unserer Arbeitsplätze“, ergänzt er.

Wittmann sieht sein Zitat aus dem Zusammenhang gerissen

Das Unicredit-Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen worden, ergänzt er. Wittmann zufolge hatte ein Pressevertreter ihn auf einer Podiumsdiskussion gefragt, ob bei einem Zusammenschluss mit der Unicredit nicht viel Blut fließen würde angesichts der Stimmung, die es schon mit Blick auf die Fusionsgespräche mit der Deutschen Bank gegeben habe. Diese Frage habe er bejaht. Anders ausgedrückt: Wittmann sagt, die Formulierungen seien ihm in den Mund gelegt worden.

Ähnlich äußert sich auch Aufsichtsratschef Schmittmann auf der Hauptversammlung. „Herr Wittmann hat mir gesagt, dass er die Aussagen so nicht getroffen hat“, sagt er. Deshalb habe es im Aufsichtsrat darüber auch keine Debatte gegeben.

Den meisten Aktionären ist die Aufregung um Wittmann gleichgültig: Er zieht zwar einige Gegenstimmen mehr auf sich als andere Aufsichtsräte. Doch in Stimmanteilen gerechnet wirkt sich das nicht aus. Seine Ablehnungsquote ist mit nur 0,77 Prozent genauso niedrig wie bei allen anderen Aufsichtsräten auch.

Mehr: Commerzbank-Chef Zielke sieht das Management auf dem richtigen Weg – und wird bei der Hauptversammlung mit nahezu allen Stimmen der Aktionäre entlastet.

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