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19.05.2022

17:28

Hauptversammlung

Vorstellung per Video: Neuer Chefaufseher der Deutschen Bank gibt sich als Tech-Fan

Von: Yasmin Osman, Michael Maisch

Die Aktionäre haben auf der Hauptversammlung einen neuen Aufsichtsratschef gewählt. Den Vorgänger von Alexander Wynaendts verabschiedet das Institut mit einem persönlichen Video.

Der Personalwechsel fällt in eine Zeit bei der Deutschen Bank, in der der Finanzkonzern wieder an Stabilität gewonnen hat. dpa

Alexander Wynaendts

Der Personalwechsel fällt in eine Zeit bei der Deutschen Bank, in der der Finanzkonzern wieder an Stabilität gewonnen hat.

Frankfurt Der scheidende Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Paul Achleitner, hat ein Faible für Fußballvergleiche. Kein Wunder also, dass Achleitner am Donnerstag den Sieg der Frankfurter Eintracht in der Europaliga am Vorabend dazu nutzte, um für seinen designierten Nachfolger, den Niederländer Alexander Wynaendts, zu werben.

„Die Europaliga kann man aus Frankfurt heraus also offensichtlich schon gewinnen, selbst mit einem Österreicher als Coach. Für die Champions League braucht es sicher dann noch einen holländischen Trainer“, sagte er in seiner Abschiedsrede auf dem virtuellen Aktionärstreffen.

Die Wahl des langjährigen früheren Aegon-Chefs Wynaendts galt von vorneherein als sicher: Am Ende erhielt er 97,8 Prozent der Stimmen. Dabei hatten einige Investoren im Vorfeld der Hauptversammlung auch Kritik geübt: Die Fondsmanagerin von Union Investment, Alexandra Annecke, will Wynaendts zum Beispiel nicht wählen, weil er aus ihrer Sicht zu viele andere Mandate wahrnimmt. Sie hatte aber auch moniert, dass er wenig Erfahrung mit deutscher Corporate Governance oder der Führung einer Großbank hat.

Der 61-jährige Niederländer, der auch persönlich anwesend war,  kennt die Kritik. In seinem Vorstellungsvideo, das er auf Deutsch und Englisch eingesprochen hat, versuchte er, auf die Skeptiker zuzugehen. Er betonte seine Begeisterung für Technologie sowie seine Erfahrungen aus der Zeit bei der niederländischen Großbank ABN Amro, dem niederländischen Versicherer Aegon und als Aufsichtsrat der US-Großbank Citigroup.

Das Mandat bei der Citigroup, das ihm nach eigenem Bekunden „sehr am Herzen lag“, habe er für die Deutsche Bank „gern“ aufgegeben. Er verspreche, sich „mit ganzer Kraft für dieses großartige Institut einzusetzen“, sagte Wynaendts. Damit signalisierte er klar seine Prioritäten mit Blick auf seine anderen Mandate, wie die Aufsichtsratsposten bei Uber und Air France-KLM sowie das Beratungsmandat bei Salesforce.

Achleitner blickt auf turbulente Zeiten zurück

Andere Aktionärsvertreter wie das Fondshaus Deka oder die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz wollen Wynaendts dagegen stützen. Die Kritik, der Niederländer sei nicht ausreichend in Deutschland vernetzt, habe zu wenig Bankenerfahrung und keine Hausmacht in den Zwillingstürmen an der Frankfurter Taunusanlage gehe am eigentlichen Punkt vorbei, sagte etwa Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). All diese Kriterien erfülle bereits Vorstandschef Christian Sewing

Nach Niedings Meinung wäre es eher schädlich für die Bank, wenn Wynaendts versuchen würde, eine Art Ersatz-Vorstandschef zu werden. Es reiche, wenn sich der Niederländer auf die Kontrolle des Vorstands konzentriere. Einen Blankoscheck will der Aktionärsschützer dem neuen Aufsichtsratschef aber auch nicht ausstellen: „Es ist für mich ein Gebot der Fairness, ihm eine Chance zu geben – und dann werden wir nach einem Jahr sehen, ob er wirklich geeignet ist“, sagte Nieding.

„Wir halten ihn für den richtigen Mann an der Aufsichtsratsspitze“, sagte Deka-Fondsmanager Andreas Thomae über Wynaendts. „Anders als sein Vorgänger steuert er hoffentlich durch eine etwas ruhigere Phase.“ 

Damit spielte Thomae auf die turbulenten, oft krisenhaften Zeiten an, die die Bank während Achleitners Ära als Aufsichtsratschef durchlebt hatte: die Phase der größten Finanzskandale der Bank, die das Geldhaus viele Milliarden Euro an Strafen kostete und über die 2015 das Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen gestolpert war. Die Phase, in der die Bank Milliardenverluste schrieb, weil die Transformation viel Geld kostete. Die Phase, in der kaum ein Investor der Deutschen Bank die Wende zutraute.

Regelmäßig stand dabei auch Aufsichtsratschef Achleitner in der Kritik. Weil er lange am Führungsduo Jain und Fitschen festgehalten hatte – und weil er zum Teil Managerinnen und Manager in den Vorstand holte, die an ihren Aufgaben scheiterten. Einigen galt er deshalb als Teil des Problems, nicht als Teil der Lösung. 

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Zu Unrecht, wie Vorstandschef Sewing findet. Achleitner habe viel Kritik und viele persönliche Angriffe einstecken müssen, oft für Dinge, die er geerbt und nicht zu verantworten gehabt habe. Achleitner habe dem Vorstand in schwierigen Zeiten immer den Rücken freigehalten. „In diesen Momenten einen Aufsichtsratschef zu haben, der zuhört und der mit Rat und Tat unterstützt und dabei eben nicht impulsiv wird, sondern die Ruhe bewahrt, ist von unschätzbarem Wert.“

Den kritischen Würdigungen Achleitners in den Medien stellte die Bank auf der Hauptversammlung ein rund sechsminütiges Video gegenüber. Darin schilderten aktuelle und ehemalige Vorstände sowie Aufsichtsräte ihre durchweg positiven Erinnerungen an Achleitners Amtszeit.

„Er führt mit Humor und behält in wirklich unangenehmen Situationen Contenance im allerbesten Sinne“, sagte etwa Henriette Mark, die lange als Vertreterin der Arbeitnehmer in dem Gremium saß. Zu dieser Ruhe dürfte die Haltung Achleitners beigetragen haben, die er gegenüber David Folkerts-Landau, dem Chefvolkswirt des Instituts, einmal geäußert hat: „Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.“

Viele lobende Worte für Achleitner

Auf Achleitners letztem Aktionärstreffen hielt sich die Kritik an ihm allerdings in Grenzen. Dazu dürften die jüngsten operativen Erfolge des Geldhauses ebenso beigetragen haben wie die Dividende, die das Geldhaus nach zweijähriger Pause wieder zahlen will. Rund 20 Cent je Anteilschein, insgesamt 400 Millionen Euro, wendet die Bank dafür auf. Hinzu kommen 300 Millionen Euro, die das Institut für einen Aktienrückkauf aufgewendet hat.

Fondsmanagerin Annecke von Union Investment monierte zwar eine „deutliche Unwucht zwischen hohen Gehältern und Boni“ und sprach Defizite aus Achleitners Amtszeit an. Sie würdigte den scheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden aber auch als „Fels in der Brandung“ und dankte ihm ausdrücklich dafür, dass er „nach einer Odyssee mit vielen Vorstandswechseln“ die Bank wieder „in ruhigeres Fahrwasser“ gebracht habe.

Besonders wohlwollend fiel das Urteil der Fondsgesellschaft Deka aus. „Das Transformationsprogramm ist sehr gut umgesetzt worden, und die Bank fokussiert sich wieder auf ihre Stärken“, sagte deren Fondsmanager Thomae. Er verwies auf die gestiegenen Erträge und darauf, dass die Bank in dem für sie wichtigen Anleihehandel Marktanteile gewonnen hat. „Dem Vorstand und der Belegschaft wollen wir als Investor dafür auch einmal Danke sagen.“

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