Nach der Zurückhaltung während der Pandemie nehmen die Kampagnen aggressiver Investoren sprunghaft zu. Die Attacken sind längst nicht im Interesse aller Aktionäre.
Das Logo des Bayer-Konzerns
Das Unternehmen wird derzeit von mehreren aktivistischen Investoren attackiert.
Bild: Reuters
Frankfurt Mit der Ruhe dürfte es 2023 endgültig vorbei sein – aktivistische Investoren bereiten eine neue Welle von Kampagnen gegen börsennotierte Konzerne vor. Vorstände und Aufsichtsräte müssen sich darauf einstellen, dass vor allem angelsächsische Hedgefonds sich bei ihren Unternehmen einkaufen und dann auf Änderungen der bisherigen Strategie drängen werden.
So erwarten heute 68 Prozent der Führungskräfte in europäischen Aktiengesellschaften, dass der „Shareholder-Activism“ in den nächsten zwölf Monaten zunehmen wird. Fast 40 Prozent der Befragten rechnet sogar mit einer deutlichen Zunahme, das geht aus einer Umfrage der Kanzlei Skadden und des Analysehauses Activistmonitor hervor.
„Shareholder-Activism bleibt ein Topthema in Europa. Meistens finden die Gespräche hinter verschlossenen Türen und unterhalb der Meldepflichten statt. Hauptthemen 2023 und 2024 sind der Kapitaleinsatz in den verschiedenen Geschäftsbereichen und eine klare Konzernstruktur“, sagt Michele Iozzolino, Leiter des Investmentbankings in Deutschland von JP Morgan. Volatile Märkte, in denen für viele Unternehmen eine starke Diskrepanz zwischen Marktwert und Fundamentalwert bestehe, böten attraktive Möglichkeiten für aktivistische Investoren.
Das vergangene Jahr brachte schon ein eindrucksvolles Comeback der aktivistischen Aktionäre. Laut einer Analyse der Investmentbank Lazard gab es 2022 weltweit insgesamt 235 neue Kampagnen, das entspricht einem Plus von 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nachdem sich die Aktivisten während der Pandemie zurückgehalten hatten, kletterte die Zahl der Vorstöße 2022 auf den höchsten Stand seit vier Jahren. Und die Investmentbanker, Rechtsanwälte und Berater sind überzeugt, dass es im neuen Jahr so weitergeht.
Prominentestes Beispiel für gleich mehrere Kampagnen bei einem Unternehmen ist der Chemiekonzern Bayer. Aktivistische Fonds wie Inclusive Capital, Bluebell oder Alatus Capital wollen in einem entscheidenden Jahr die Agenda beim deutschen Großunternehmen mitbestimmen – dazu gehört die Suche nach einem neuen Vorstandschef.
Der Konzern vereint Agrarchemie und Medizingeschäfte unter einem Dach. Viele ähnliche Konzerne haben in den vergangenen Jahren die Trennung vollzogen und reine Pharma- oder Agrarchemieanbieter geschaffen.
Von einem solchen Schritt erwarten einige Hedgefonds in ihren Bewertungsmodellen eine kräftige Steigerung des Börsenwerts von Bayer. „Das Beispiel Bayer zeigt, dass nicht alle aktivistischen Aktionäre nach dem gleichen Muster agieren – das Feld reicht von evolutionärer Verbesserung als externer Ideengeber über Mitarbeit in den Gremien bis hin zu radikalen Forderungen, die von außen beziehungsweise über die Hauptversammlung getrieben werden“, erläutert Kai Tschöke, Co-Chef Investmentbanking bei Rothschild & Co. im deutschsprachigen Raum.
Weitere prominente Beispiele für aktivistische Attacken sind laut Activistmonitor Atlas Investissement beim Telekomkonzern Vodafone, Dark Horse Capital beim Reiseportal Lastminute.com und Fundsmith Equity Fund beim Konsumgüterriesen Unilever. In Deutschland mischten sich in den vergangenen Monaten Aktivisten in die Strategien von Fresenius und dem Softwareunternehmen Teamviewer ein.
Oftmals angezogen von einer schlechten Performance an der Börse, gibt es laut der Analyse von Skadden und Activistmonitor fünf Hauptforderungen der Aktivisten:
„Aktivisten konzentrieren sich in jüngster Zeit auch wieder vermehrt auf Kapitalallokationsentscheidungen mit dem Ziel, zum Beispiel durch größere Aktienrückkäufe, eine temporäre Unterbewertung zu reduzieren“, sagt Iozzolino. Außerdem stellen die Aktivisten Investitions- und M&A-Entscheidungen auf den Prüfstand.
Manche Hedgefonds-Manager würden die Unternehmen dazu drängen, ihren freien Cashflow für Aktienrückkäufe einzusetzen, statt die Mittel für Übernahmen auszugeben, meint ein Londoner Investmentbanker. „Ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld, gestiegene Energie- und Zinskosten sowie Druck auf Umsatz und Margen führen dazu, dass Unternehmen oftmals eine konservativere Verschuldungs- und Bilanzpolitik verfolgen. Aus Sicht von Aktivisten bieten ineffiziente Bilanzen allerdings Angriffsfläche“, warnt Jens Maurer, Co-Head des Investmentbankings bei Morgan Stanley in Deutschland.
Im laufenden Jahr könnten vor allem Technologiekonzerne ins Visier der Aktivisten geraten, was in den USA schon der Fall ist. Laut Lazard entfielen 27 Prozent der Kampagnen in den Vereinigten Staaten auf Tech-Unternehmen, ein Rekord und weit über dem langjährigen Durchschnitt von rund 16 Prozent. Hier locken laut Lazard vor allem die niedrigen Bewertungen nach den Kursrückgängen.
Viele der befragten Unternehmen wiesen auf eine deutliche Zunahme der Kontakte von Hedgefonds, Erstaktivisten und Private-Equity-Fonds hin, die eine neue Gruppe potenzieller aktivistischer Investoren darstellen. Report „Activist Investing in Europe 2023“
Die Zunahme der Kampagnen liegt auch am breiter werdenden Feld der Aktivisten. Außerdem wächst die Zahl von Geldmanagern, die sich vorher noch nicht als Aktivisten betätigt haben. „Viele der befragten Unternehmen wiesen auf eine deutliche Zunahme der Kontakte von Hedgefonds (54 Prozent), Erstaktivisten (46 Prozent) und Private-Equity-Fonds hin, die eine neue Gruppe potenzieller aktivistischer Investoren darstellen“, heißt es in dem Report mit dem Titel „Activist Investing in Europe 2023“. Erstaktivisten können erst vor Kurzem gegründete Fonds oder schon länger als Anleger tätige Investoren oder Gesellschaften sein, die in der Vergangenheit noch nicht aktivistisch aufgetreten sind.
Für die Aktionäre brachten die Kampagnen im vergangenen Jahr gemischte Ergebnisse, nicht jede Ankündigung eines Einstiegs von Aktivisten wurde vom Markt honoriert. Laut Lazard gab es in 56 Prozent der Fälle nach drei Monaten eine Outperformance der jeweiligen Aktie – gemessen am Total Shareholder Return, also der Kombination aus Dividenden und Kurssteigerungen. Vor allem Technologie- und Einzelhandelsunternehmen schnitten oftmals schlechter ab als der Gesamtmarkt.
Vorstände und Managementteams, die es versäumen, aufmerksam zu bleiben und proaktive Strategien zu verfolgen, riskieren eine Konfrontation mit aktivistischen Investoren. Armand Grumberg, Leiter der europäischen M&A-Praxis von Skadden
Wenn es um die Abwehr von aktivistischen Kampagnen geht, dann wird immer wieder auf die Kommunikationsstrategie der Konzerne verwiesen. Eine effiziente Kommunikation mit den Investoren könne durchaus aktivistische Forderungen verhindern oder begrenzen, insbesondere dann, wenn der Aktivist als Folge der Kommunikation befürchten muss, keine ausreichende Unterstützung von anderen beziehungsweise wichtigen Aktionären oder in den Medien zu erhalten, heißt es bei Skadden.
Auch wenn eine Kampagne bereits begonnen habe, könne deren Wirkung oft mit Kommunikation effektiv eingegrenzt werden. Der Dialog zwischen Aktionären, institutionellen Anlegern und Aktivisten ist nach wie vor ein wichtiges Instrument, um den Attacken zu begegnen. „Vorstände und Managementteams, die es versäumen, aufmerksam zu bleiben und proaktive Strategien zu verfolgen, riskieren eine Konfrontation mit aktivistischen Investoren“, warnt Armand Grumberg, Leiter der europäischen M&A-Praxis von Skadden.
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