Weil alltägliche Anschaffungen teurer sind, können Haushalte weniger Geld auf die hohe Kante legen. Die DZ Bank rechnet aber mit einem Anstieg im Schlussquartal.
Frierendes Sparschwein
Da das Heizen teurer ist, haben viele deutsche Haushalte am Monatsende kein Geld übrig, das sie sparen könnten.
Bild: IMAGO/Christian Ohde
Berlin Die Deutschen legen angesichts der hohen Inflation weniger Geld beiseite. Die um saisonale Schwankungen bereinigte Sparquote der privaten Haushalte lag im ersten Halbjahr bei 11,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Das entspricht in etwa dem vor der Ausbruch der Corona-Pandemie 2019 erreichten Niveau von 10,8 Prozent.
Die Sparquote liegt aber weit unter dem im ersten Halbjahr 2021 gemessenen Rekordwert von 18,2 Prozent. Damals waren wegen Corona-bedingten Einschränkungen etwa Reisen, Restaurant- und Konzertbesuch nicht wie gewohnt möglich, weshalb viel Geld auf der hohen Kante landete.
„Für das erste Halbjahr 2022 heißt das: Je 100 Euro verfügbarem Einkommen sparten die privaten Haushalte saisonbereinigt im Durchschnitt 11,10 Euro“, erklärten die Statistiker zu ihrer Erhebung. Monatlich entspreche dies einem Betrag von durchschnittlich 240 Euro je Einwohner.
Abhängig von Einkommenshöhe, Sparneigung und Lebenslage gibt es jedoch sehr deutliche Unterschiede. „Während einige Haushalte nach wie vor viel Geld auf die Seite legen konnten, blieb bei anderen am Ende des Monats nichts übrig“, so das Bundesamt. Das gesamtwirtschaftliche Sparvolumen der privaten Haushalte wird für die ersten sechs Monaten dieses Jahres auf 121,2 Milliarden Euro beziffert.
„Starke Preisanstiege vor allem für Energie und Lebensmittel machen es aktuell für viele Haushalte immer schwerer, Geld auf die Seite zu legen und zu sparen“, betonten die Statistiker. Die Inflationsrate lag zuletzt mit zehn Prozent so hoch wie seit 1951 nicht mehr. Das schwächt die Kaufkraft der Verbraucher. Der private Konsum dürfte daher vorerst als Stütze der Konjunktur ausfallen, prognostizieren Ökonomen.
DZ-Bank-Ökonom Michael Stappel rechnet aber damit, dass die Sparquote „im jetzt angebrochenen Schlussquartal wieder höher ausfallen“ dürfte. Denn die Menschen hielten sich angesichts der hohen Unsicherheit mit größeren Anschaffungen zurück und würden mehr Vorsorge betreiben.
Die Sparquote ergibt sich aus dem Sparen aller privaten Haushalte gemessen an ihrem verfügbaren Einkommen insgesamt einschließlich betrieblicher Versorgungsansprüche. Bewertungsbedingte Änderungen wie Kursgewinne oder -verluste bei Aktien und Wertänderungen bei Immobilien zählen nicht zum Sparen, da sie nicht aus erwirtschaftetem Einkommen entstanden sind.
Der Bankenverband BVR hatte Ende September die Prognose abgegeben, dass die Sparquote in Deutschland im laufenden Jahr erstmals seit 2014 wieder in den einstelligen Bereich absinken wird.
Doch die hohe Inflation lässt nicht nur die Sparquote schrumpfen, sondern auch das Geldvermögen der deutschen Privathaushalte in diesem Jahr. Der Wertverlust auf das verzinsliche Geldvermögen betrage voraussichtlich 395 Milliarden Euro, wie aus der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung der DZ Bank hervorgeht. „Bezogen auf die Gesamtbevölkerung sind das über 4700 Euro pro Kopf“, heißt es darin.
Stappel zufolge liegt das an der sehr hohen Inflation. Diese sorge für einen negativen Durchschnitts-Realzins in Höhe von minus 6,9 Prozent – trotz der mittlerweile eingeleiteten Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB). Das sei ein neuer Negativrekord und liege um 4,4 Prozentpunkte tiefer als im vergangenen Jahr.
Insgesamt beträgt das Geldvermögen der Haushalte den Angaben zufolge derzeit rund 7,7 Billionen Euro. Im ersten Halbjahr sei es durch Kursverluste bei Wertpapieren um 1,8 Prozent gesunken – und das, obwohl über 160 Milliarden Euro gespart und neu angelegt worden seien. Mit Blick auf das kommende Jahr rechnet Stappel damit, dass das private Geldvermögen bei freundlicherer Stimmung an den Aktienmärkten wieder zulegen werde.
Die steigenden Lebenshaltungskosten, der russische Krieg gegen die Ukraine und die anhaltende Corona-Pandemie wirken sich einer Umfrage zufolge zunehmend negativ bei den Menschen in Deutschland aus: Nur noch 34 Prozent fühlen sich finanziell gut oder sogar sehr gut aufgestellt, wie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) zu seiner jährliche Befragung mitteilte.
„Rund 90 Prozent der Befragten treibt die Inflation um“, sagte DSGV-Präsident Helmut Schleweis bei der Vorstellung des Vermögensbarometers. „Etwa zwei Drittel der Befragten verzichten in ihrem Alltagsleben auf früher übliche Ausgaben. Mehr als die Hälfte will sich weiter einschränken.“
Besonders Haushalte mit niedrigen Einkommen unter 1000 Euro sind betroffen: Hier müssen bereits 83 Prozent auf Alltägliches verzichten. Aber auch wer mehr verdient, macht sich Sorgen. „Der Druck kommt auch in der Mittelschicht an, die bisher vergleichsweise gut über die Runden gekommen ist und nicht von staatlichen Transferleistungen abhängig war“, sagte Schleweis. 58 Prozent der Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 2500 Euro verzichteten bereits im Alltag.
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