Der Nettogewinn der Fondstochter der Deutschen Bank für 2022 fällt um fast ein Viertel. Auf die Zahlen reagiert die DWS-Aktie mit einem Verlust von sechs Prozent.
Frankfurt Als die DWS am Donnerstagfrüh ihre Zahlen für das vierte Quartal und das Gesamtjahr 2022 veröffentlicht, fällt die Börse ein erstes Urteil: Der Kurs der Aktie verliert sechs Prozent – bei einem starkem deutschen Gesamtmarkt mit kräftigem Dax-Gewinn.
Das ist eine Reaktion auf die Geldabzüge von Investoren und insbesondere den starken Rückgang des Nettogewinns von 23 Prozent für 2022. Gleichzeitig will die Gesellschaft, die seit längerer Zeit auch wegen Greenwashing-Vorwürfen in der Diskussion ist, für das abgelaufene Jahr eine höhere Dividende von 2,05 Euro je Aktie vorschlagen.
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Im vierten Quartal zogen Anleger insgesamt Gelder aus Produkten der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS ab. Die Nettoabzüge beliefen sich auf 1,6 Milliarden Euro. Rechnet man die Geldmarktprodukte heraus, die Investoren oft lediglich zur Liquiditätssteuerung dienen, ergeben sich höhere Abzüge von 9,6 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr liegt das Minus bei 19,9 Milliarden Euro, ohne Geldmarktfonds bei 13,9 Milliarden Euro.
„Das sind hohe Abflüsse, auch im Branchenvergleich“, sagt dazu Michael Klimek, Gründer Beratungsfirma Klimek Advisors. Seine Vermutung: „Das sieht nach Problemen im Vertrieb aus.“ Hinzu käme der Chefwechsel im vergangenen Sommer, der das Vertrauen von Investoren strapaziert haben könnte. „Stefan Hoops kommt nicht aus dem Asset-Management wie sein Vorgänger. Und alle paar Jahre wechselt der CEO, das ist eher ein Nachteil.“
Hoops sprach in einem Call mit Analysten einige Probleme an, auch DWS-spezifische. „Das vergangene Jahr als herausfordernd für uns zu beschrieben, wäre eine Untertreibung.“ Er nannte unter anderem die schlechten Nachrichten über das eigene Haus. Dazu gehören auch die Vorwürfe der Schönfärberei bei nachhaltigen Investmentangeboten. Hier ermitteln unter anderem SEC und Bafin. Laut Hoops diskutiert die DWS mit allen relevanten Stellen und hoffe, hier bald zu einer Lösung zu kommen.
Auch getrieben von den Börsenverlusten des vergangenen Jahres fiel das verwaltete Vermögen in dem Jahr um 107 Milliarden auf 821 Milliarden Euro. Damit sinken automatisch die Einnahmen, da die verlangten Managementgebühren an die Kapitalhöhe gekoppelt sind. Diese Gebühreneinnahmen bezifferte DWS-Finanzvorständin Claire Peel für 2022 auf knapp 2,7 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr könnten diese Einnahmen laut Hoops sinken, allein schon wegen der anhaltenden Unsicherheit an den Börsen.
Die Erträge fielen im vierten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um acht Prozent auf 634 Millionen Euro. Der Vorsteuergewinn erhöhte sich um ein Prozent auf 254 Millionen Euro. Gleichzeitig fiel der Nettogewinn um 25 Prozent auf 111 Millionen Euro.
Für das Gesamtjahr 2022 ergibt sich ein um 23 Prozent geringerer Nettogewinn von 599 Millionen Euro. Die Gründe sind laut DWS unter anderem eine Wertminderung nicht abgeschriebener immaterieller Vermögenswerte, der geplante Anstieg der Transformationskosten und Kosten für Rechtsberatung. Zudem wurde im Jahr 2021 noch eine Performancegebühr bei einem großen Mischfonds vereinbart, die im letzten Jahr weggefallen ist. Eine Performancegebühr zahlen Investoren im Falle überdurchschnittlicher Fondserträge.
Hoops begründete die Jahreszahlen: „2022 war für die DWS das ‚ultimative Superbären-Szenario‘: alle Anlageklassen unter Druck, ein Krieg in Europa und Sorgen um die deutsche Wirtschaft – hinzu kamen DWS-spezifische Herausforderungen.“ Positiv sieht er: „Wir konnten unsere Erträge nahezu stabil halten, die Managementgebühren steigern und mit einer wachsenden Dividende Wert für unsere Aktionäre schaffen.“
Im vergangenen Jahr seien so hohe Managementgebühren vereinnahmt worden wie noch nie, sodass die Erträge fast das Niveau des Jahres 2021 erreicht hätten. Allerdings seien die Performancegebühren geringer ausfallen. Bei den Gebühreneinnahmen sei jedoch positiv, dass die Geldabflüsse vor allem aus Anlageklassen mit geringeren Margen erfolgten, wie Produkten für Anleihen, Geldmarktanlagen und Indexfonds. Zuflüsse habe es vor allem bei den höhermargigen Klassen gegeben, bei alternativen Anlagen, Mischfonds und ESG-Produkten.
Per saldo wird die Aufwand-Ertrag-Relation für das Gesamtjahr mit 60,6 Prozent angegeben. Das ist deutlich mehr als die 58,1 Prozent des Vorjahrs. „Grund hierfür waren niedrigere Performancegebühren und mit unserem Wachstumskurs in Einklang stehende höhere Kosten“, heißt es in der DWS-Mitteilung. Im vierten Quartal war die Relation insgesamt bei 60,0 Prozent.
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Für die Geschäftsentwicklung wichtig sind die Teilbereiche für aktives und passives Management. Im aktiven Bereich zogen die Anleger im vierten Quartal netto 6,1 Milliarden Euro ab, wenn man die Geldmarktprodukte herausrechnet. Für das Gesamtjahr liegt das Minus bei 7,4 Milliarden Euro.
Auch aus Anleiheprodukten wurden Gelder abgezogen. „Sie litten unter der hohen Inflation und steigenden Zinssätzen“, begründet die DWS. Zuflüsse gab es dagegen bei Flaggschifffonds wie dem bekannten „DWS Concept Kaldemorgen“, geführt von Fondsmanager Klaus Kaldemorgen.
Die Managerfrage stellte sich gerade in den letzten Tagen wieder. Es gab einige Personalveränderungen in den letzten Monaten. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der ebenfalls bekannte Fondsmanager Tim Albrecht die DWS verlässt. Dessen großer Fonds „DWS Deutschland“ hat von Scope Fund Analysis nur ein „D“-Rating erhalten, was unterdurchschnittliche Anlageleistung bedeutet.
Neben dem aktiven Management als Kerngeschäftsfeld sieht die DWS auch den passiven Bereich mit den börsengehandelten Indexfonds, kurz ETF, als Wachstumsfeld. Hier zogen Anleger im vierten Quartal netto 0,5 Milliarden Euro ab, im Gesamtjahr 7,1 Milliarden Euro.
„Die DWS strebt ein starkes jährliches ETF-Wachstum an und möchte wieder unter die Top-2-Anbieter kommen“, sagt Barbara Claus, Fondsexpertin bei Scope Fund Analysis. Momentan führt in Europa auf diesem Feld Blackrock, gefolgt von Amundi. Einen Negativpunkt erkennt Claus bei den Wachstumsplänen allerdings: „Die DWS gehört zu den wenigen ETF-Anbietern, die 2022 mit Abflüssen von Kundengeldern zu kämpfen hatten.“
Die DWS will bis 2025 bei den passiv verwalteten Geldern um mehr als zwölf Prozent jährlich wachsen. Sie nennt bei den alternativen Anlagen ein analoges Ziel von mehr als zehn Prozent. Die Aufwand-Ertrag-Quote soll unter 59 Prozent fallen, allerdings werde für das laufende Jahr eine deutlich höhere Zahl erwartet. Außerdem will die DWS das Ergebnis je Aktie auf 4,50 Euro steigern.
Zur Erreichung dieser Ziele spielen auch Kostensenkungen eine Rolle, wie Hoops im Analystencall erklärte. „Wir arbeiten aktiv an unserer Kostenbasis“, sagte er. Zu den Themenfeldern gehörten hier die Kompensation der Fondsmanager, die Zahl der beschäftigten Mitarbeiter und die Organisationsstruktur. Zum letzten Punkt gehörten die jüngsten Verkäufe zweier Geschäftsbereiche: der Verkauf der digitalen Investment-Plattform IKS und eines Teils der Private-Equity-Sparte.
In Europa und Deutschland plant die DWS weitere Partnerschaften für den Produktabsatz. Wichtige Rollen sollen dabei die passiven Produkte spielen. Die alternativen Anlagen möchte sie auch zur Stützung der Transformation in Europa einsetzen. Dabei plant die DWS, bis 2027 privates Kapital von bis zu 20 Milliarden Euro einzusammeln. In Amerika will die DWS das Geschäft mit passiven und alternativen Anlagen ausbauen.
An der Börse reagierte die DWS-Aktie zu Handelsbeginn mit einem massiven Rückgang um sechs Prozent auf die Präsentation der Zahlen und den Unternehmensausblick. Die Notierung liegt momentan etwa auf dem Niveau beim Börsengang vor knapp fünf Jahren.
Laut der Agentur Bloomberg empfehlen zehn Analysten die Aktie derzeit zum Kauf, neun stellen sie auf Halten. Unter den jüngeren Empfehlungen stammt die pessimistischste Kursprognose von Goldman Sachs mit 31 Euro, die optimistischste von Kepler Chevreux mit 44,70 Euro.
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Im europäischen Kontext der Wettbewerber ist die DWS-Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von unter neun preiswerter als etwa Amundi oder Schroders. Der große französische Asset-Manager Amundi wird mit einem KGV von elf bewertet. Der Kurs ist seit dem Börsentief im vergangenen Herbst stärker gestiegen als der DWS-Kurs, hat rund die Hälfte an Wert gewonnen. Die britische Schroders ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 im Vergleich noch teurer.
Die Greenwashing-Vorwürfe gegen die DWS beschäftigen den Anbieter seit Mitte 2021. Untersuchungen der US-Börsenaufsicht SEC, der deutschen Bafin und der Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Schönfärberei laufen weiter. DWS-Chef Stefan Hoops hatte in einem Handelsblatt-Interview im Dezember gesagt: „Man kann im Nachhinein schon feststellen, dass es eine Zeit lang überschwängliches Marketing bei dem Thema Nachhaltigkeit gab.“
Das Thema erkennt auch Barbara Claus von Scope Fund Analysis. „Es war ein absolut notwendiges Signal des neuen CEO, künftig übertriebene und überschwängliche Marketingsprache für ESG-Fonds zu vermeiden“, sagt sie.
Hoops habe erste Maßnahmen ergriffen wie etwa die Schaffung eines Sustainability Oversight Office zur ESG-Überwachung und Qualitätssicherung in diesem Bereich. „Ob es der DWS gelingt, eine ESG-Vorreiterrolle in der europäischen Asset-Management-Branche einzunehmen, wird sich aber noch zeigen müssen“, meint Claus.
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