Die Zeit der großen Finanzierungsrunden dürfte erst einmal vorüber sein – doch es gibt Ausnahmen, zum Beispiel die Steuer-App Taxfix.
Taxfix-Gründer Lino Teuteberg (links im Bild) und Mathis Büchi
Die Gründer haben Investoren erneut überzeugt.
Bild: Taxfix
Frankfurt Mathis Büchi hat allen Grund zur Freude. Während andere Start-up-Gründer wegen der Coronakrise gerade um ihre Existenz bangen und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, hat er für seine Steuer-App Taxfix 59 Millionen Euro von Investoren erhalten. „Die Gespräche mit den Investoren haben wir schon vor Ausbruch der Krise aufgenommen und sie von unserer Mission und Technologie überzeugt, deshalb haben sie zum Glück keinen Rückzieher gemacht“, sagte er dem Handelsblatt. Es ist in diesem Jahr die bislang größte Finanzierungsrunde eines deutschen Finanz-Start-ups. Und der Ausblick auf die nächsten Monate ist eher düster.
Schon das erste Quartal dieses Jahres ist nach einer Analyse des Datenspezialisten Barkow Consulting „extrem schwach“ ausgefallen. Insgesamt summierten sich die Investments auf gerade mal 171 Millionen Euro. Im ersten Quartal 2019 waren es noch 695 Millionen Euro. Der Ausbruch der Coronakrise hat nach Ansicht von Peter Barkow, Inhaber des Analysehauses, dabei aber noch keine Rolle gespielt. „Die Verträge werden meist mit einigen Monaten Vorlauf geschlossen und es ist unwahrscheinlich, dass im März viele Investments abgeblasen wurden“, sagt er. Außerdem: „Auch ohne Corona wäre es schwierig gewesen, den Rekordwert von 2019 zu toppen.“
Die üppigen Finanzierungsrunden des vergangenen Jahres könnten zudem dazu führen, dass einige Unternehmen nun einen finanziellen Puffer haben und im ersten Quartal noch kein neues Geld brauchten. „Manche haben 2019 so viel Geld eingesammelt, dass es für 18 bis 24 Monate reichen müsste“, so Barkow. Den größten Deal hat nach seiner Analyse der Hotel-Manager Limehome abgeschlossen. Er erhielt 21 Millionen Euro, die er angesichts der auf Eis liegenden Tourismusbranche nun wohl auch gut gebrauchen kann.
Weitere 18 Millionen Euro gingen an den digitalen Geschäftskontenanbieter Penta. Omnius, ein Technologieanbieter für Versicherer, erhielt zwölf Millionen Euro. Die Anzahl der Deals liegt mit 31 sogar zehn Prozent über dem Vorjahreswert. „Der überwiegende Teil der Runden kam mit 26 aus dem B2B-Bereich“, sagt Barkow. Damit setzt sich ein Trend fort, der schon seit etwa zwei Jahren deutlich zu beobachten ist: Konzentrierten sich die ersten Fintechs noch auf das Privatkundengeschäft, rücken nun die Geschäftskunden immer stärker in ihren Fokus. Verglichen nach Segmenten sei zudem der Proptech-Bereich mit einigen kleinen Runden stark vertreten – also solche Start-ups, die sich in der Immobilienbranche tummeln.
Vorsichtige Investoren
Dass Fintechs im zweiten Quartal an die Finanzierungsrekorde aus dem Vorjahr anknüpfen können, gilt als unwahrscheinlich. Nach Einschätzung des niederländischen Investors Finch Capital wird sich die Coronakrise akut noch bis ins dritte Quartal dieses Jahres auf die Fintech-Branche auswirken. „Danach wird eine zwölf- bis 18-monatige Erholungsphase folgen“, prognostiziert Radboud Vlaar, Co-Gründer der Investmentfirma. Allgemein sei zu erwarten, dass Investoren vorsichtiger werden und die teils hohen Bewertungen der Start-ups unter Druck geraten. Dadurch könnte es vermehrt zu Übernahmen kommen – durch andere Fintechs oder auch durch etablierte Finanzunternehmen.
Der Start-up-Investor und ehemalige Strabag-Chef Peter Jungen rechnet zudem damit, dass einige Wagniskapitalgeber in der Krise eher nicht in neue Start-ups investieren werden, sondern ihr Kapital lieber für die Firmen zurückhalten, in die sie bereits investiert haben und die Unterstützung brauchen. Wie etablierte Unternehmen bemühen sich deshalb längst auch Start-ups um staatliche Unterstützung.
Die große Finanzierungsrunde von Taxfix könnte im aktuellen Umfeld also eine Ausnahme bleiben. Angeführt wird die Runde von Index Ventures. Neil Rimer, Partner bei dem internationalen Risikokapitalgeber, stammt wie Büchi und sein Co-Gründer Lino Teuteberg aus der Schweiz. „Es gibt nicht viele Apps, die eine so wertvolle Rolle beim persönlichen Finanzmanagement spielen“, lobt er. Auch die bisherigen Investoren Valar Ventures – der Fonds des Starinvestors Peter Thiel – sowie Creandum und Redalpine haben sich laut Büchi erneut beteiligt. Zuletzt hatten sie vor einem Jahr bereits rund 27 Millionen Euro in das Unternehmen aus Berlin gesteckt.
In der Smartphone-App Taxfix werden die Nutzer über einen Chat durch die Steuererklärung geführt. Seit dem Start der App vor zweieinhalb Jahren hätten sich damit Hunderttausende Nutzer insgesamt mehr als 270 Millionen Euro an Steuererstattungen vom Fiskus zurückgeholt, sagt Büchi. Die Hoffnung auf solche Rückzahlungen treibe auch die aktuelle Nachfrage. „Mit Beginn der Coronakrise sind die Nutzerzahlen stark gestiegen“, sagt der Gründer. Und aktuell hätten viele Menschen auch Zeit, sich um ihre Steuererklärung zu kümmern.
Das neue Kapital möchte er für Produkterweiterungen in Richtung eines digitalen Finanzassistenten, eine Vergrößerung des Teams von 200 auf 300 Mitarbeiter und die internationale Expansion nutzen.
Kurzarbeit beim Vorzeige-Fintech
Davon können andere Start-ups gerade nur träumen. Sogar das deutsche Vorzeige-Fintech N26 hat in der vergangenen Woche bekanntgegeben, dass es etwa 150 seiner Mitarbeiter – also etwa jeden zehnten – in Kurzarbeit schickt. Dabei hatte die Smartphonebank aus Berlin im vergangenen Jahr üppige 412 Millionen Euro von Investoren erhalten und damit wesentlich dazu beigetragen, dass 2019 mit insgesamt 1,7 Milliarden Euro Risikokapital ein Rekordjahr in Sachen Fintech-Finanzierung wurde.
Taxfix hat gegenüber vielen Konkurrenten einen wichtigen Vorteil: Die Firma verdient mit ihren Kunden bereits Geld. Zwar arbeitet sie noch nicht profitabel, aber wenn Nutzer ihre Steuererklärung über die App ans Finanzamt schicken, zahlen sie dafür rund 35 Euro – sofern die Steuererstattung über 50 Euro liegt. Genaue Angaben zum Umsatz macht Büchi nicht, doch in den vergangenen zwölf Monaten habe sich dieser verdreifacht, denn 90 Prozent der Nutzer würden für die Leistung auch zahlen.
Bei anderen Start-ups sind die Geschäftsmodelle häufig noch mit der Hoffnung verbunden, dass die Kunden irgendwann bereit sein werden, für Premiumvarianten zu bezahlen, oder dass Erträge durch Kooperationen entstehen. N26 zum Beispiel bezieht einen Großteil seiner Umsätze aus dem Zahlungsverkehr. Wenn Kunden mit Karte bezahlen, erhält die Bank vom Händler eine Gebühr. Doch wegen Ausgangs- und Reiserestriktionen geben die Kunden aktuell insgesamt weniger Geld aus. Solche Abhängigkeiten dürften viele Fintechs belasten, und Investoren werden in diesen Zeiten noch genauer prüfen, welche Geschäftsmodelle auf Dauer tatsächlich tragfähig sind.
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