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18.01.2023

11:56

KfW-Kreditmarktausblick

Hohe Energiepreise, volle Lager: Der Boom bei neuen Firmenkrediten hält an

Von: Yasmin Osman

Während sich private Kunden zurückhalten, nehmen deutsche Unternehmen weiter massiv Darlehen auf. Das Kreditneugeschäft erreicht einen Höchststand – und dürfte weiter wachsen.

Hohe Energiepreise setzen private Haushalte, aber auch Unternehmen unter Druck. dpa

Gaskraftwerk in Leipzig

Hohe Energiepreise setzen private Haushalte, aber auch Unternehmen unter Druck.

Frankfurt Die hohen Energiepreise und die größeren Lagerbestände vieler Firmen sorgen weiterhin dafür, dass deutsche Unternehmen und Selbstständige in großem Umfang neue Bankdarlehen aufnehmen. Das Kreditneugeschäft stieg im dritten Quartal 2022 mit einem Zuwachs von 36,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf einen Rekordstand. Das geht aus dem jüngsten Kreditmarktausblick hervor, den die staatliche Förderbank KfW für das Handelsblatt exklusiv berechnet.

Zwar dürfte damit der Höhepunkt erreicht sein, doch die Wachstumsraten bleiben auf hohem Niveau. Für das vierte Quartal 2022 und das erste Quartal 2023 rechnet die KfW „mit einem weiter kräftigen, aber langsameren Wachstum von etwa 28 Prozent beziehungsweise 15 Prozent“.

Für die Ermittlung des Kreditneugeschäfts analysiert die KfW vierteljährlich die Veränderungen des von der Bundesbank erhobenen Kreditbestands und trifft Annahmen über die planmäßigen Tilgungen, also Kreditrückzahlungen, da diese dabei miteinkalkuliert werden müssen. Wohnungsbaudarlehen und Kredite an Versicherer und Finanzierungsinstitutionen rechnet die KfW aus den Bundesbank-Daten heraus.

Die aktuelle KfW-Prognose liegt über den ursprünglichen Erwartungen der Förderbank, die aufgrund der drohenden Wirtschaftsflaute schon länger mit einem Rückgang des Kreditgeschäfts rechnet. „Die Rezessionserwartungen für die deutsche Wirtschaft haben sich nach hinten verschoben und damit auch der Zeitpunkt, wann sich das Kreditwachstum abschwächen dürfte“, erklärt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.

Das Kreditgeschäft mit Unternehmen hat sich dabei besser entwickelt als das mit privaten Kunden: Eine Bundesbank-Umfrage unter Banken hatte ergeben, dass die Kreditnachfrage von Firmen im dritten Quartal 2022 noch leicht zugenommen hat – während die Nachfrage nach privaten Wohnungsbaukrediten so stark einbrach wie noch nie seit Beginn der Umfrage. Auch das Interesse von Privatkunden an Konsumentendarlehen hat demnach nachgelassen.

„Das dritte Quartal war noch von hohen Preissteigerungen für wichtige Vorprodukte für die Unternehmen geprägt, das hat die Nachfrage nach Finanzierungen nach oben getrieben“, sagt Köhler-Geib. Auch der Finanzierungsbedarf von Firmen der Energiebranche dürfte aus ihrer Sicht das Kreditneugeschäft angekurbelt haben.

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Diese Einschätzung deckt sich mit Daten des Analysehauses Barkow Consulting. Danach war der Kreditanstieg bei Energieversorgern im dritten Quartal mit 21 Prozent etwa zweimal so hoch wie das allgemeine Marktwachstum. Hauke Burkhardt, Leiter Unternehmensfinanzierung der Deutschen Bank, erläutert: „Vor allem im Juli und August haben sich die erhöhten Sicherheiten, die Energieunternehmen für ihre Terminkontrakte stellen mussten, auf den Finanzierungsbedarf von Firmen dieser Branche ausgewirkt.“

Burkhardt bestätigt, dass die Kreditnachfrage „auch in der zweiten Jahreshälfte deutlich über dem Niveau des Vorjahres“ lag - vor allem wegen der gestiegenen Preise für Vorprodukte, aber nicht nur. „Außerdem gehen mehr Unternehmen von einer Just-in-time-Produktion zu einer Just-in-case-Produktion über und legen größere Vorräte an kritischen Rohstoffen und anderen Vorprodukten an. Das liegt an den Erfahrungen, die sie mit gestörten Lieferketten gemacht haben“, ergänzt er.

Gefragt sind seiner Beobachtung nach daher in erster Linie Betriebsmittelkredite, also kurzfristige Finanzierungen für das laufende Geschäft. Vor allem Kredite mit Laufzeiten von bis zu einem Jahr und bis zu fünf Jahren würden verstärkt nachgefragt. „Die Nachfrage nach längerfristigen Darlehen von zehn Jahren und mehr, wie sie für Investitionen üblich sind, ist dagegen kaum gestiegen“, sagt er. Der Bedarf an Betriebsmittelkrediten sei auch im vierten Quartal 2022 „noch relativ hoch“ gewesen.

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KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib geht dennoch davon aus, dass der Boom nun allmählich abflaut. „Zum einen hat der Preisdruck bei Vorprodukten etwas nachgelassen, wie die bisherige Entwicklung der Erzeugerpreise zeigt. Zum anderen trifft die hohe Nachfrage zunehmend auf vorsichtigere Banken“, argumentiert sie. Denn viele Kreditinstitute prüfen Darlehensanträge mittlerweile strenger und verlangen auch höhere Zinsen.

Das zeigt auch die Entwicklung des Corporate Credit Index von Barkow Consulting. Danach ist der durchschnittliche Zinssatz für fünfjährige Unternehmenskredite in Deutschland seit Jahresbeginn von etwa 1,6 Prozent auf zuletzt rund vier Prozent gestiegen. Vergleicht man die Entwicklung der Zinskosten mit den Finanzierungskosten, die Banken am Kapitalmarkt selbst zu schultern haben, dann sind die Zinsmargen der Institute allerdings gesunken.

Dieses Phänomen ist dem Gründer des Analysehauses, Peter Barkow, zufolge, in Zeiten steigender Zinsen nicht ungewöhnlich. Ein Teil der Erklärung ist, dass sich viele Banken nicht am Geld- und Kapitalmarkt finanzieren müssen, sondern auf die Spareinlagen ihrer Kunden zurückgreifen können, die die Institute nach wie vor nur geringfügig verzinsen.

Doch trotz der gestiegenen Finanzierungskosten und des unsicheren ökonomischen Ausblicks bleibt Deutsch-Banker Burkhardt auch für das laufende Jahr optimistisch: „Im Jahr 2022 standen Betriebsmittelkredite im Fokus, 2023 wird der Bedarf an Investitionsfinanzierungen steigen“, sagt er. Die Unsicherheit lässt zwar viele Unternehmen noch zögern, „aber viele wichtige Investitionen in Energieeffizienz und Digitalisierung lassen sich nicht unbegrenzt aufschieben“.

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