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01.02.2022

16:47

Klimaschutz

„Greenwashing“: Nachhaltigkeitsbank GLS kritisiert neue EU-Regeln zum Klimaschutz

Von: Elisabeth Atzler

PremiumGLS-Chef Thomas Jorberg betrachtet die EU-Taxonomie als wettbewerbsverzerrend. Allein die Einstufung als grün mache Atom- und Gaskraftwerke nicht für grüne Investoren attraktiv.

Die Bochumer Nachhaltigkeitsbank ist 2021 deutlich gewachsen. Ihre Bilanzsumme stieg auf gut neun Milliarden Euro, die Zahl der Kunden auf mehr als 320.000. picture alliance / Oliver Berg/dpa

GLS Bank

Die Bochumer Nachhaltigkeitsbank ist 2021 deutlich gewachsen. Ihre Bilanzsumme stieg auf gut neun Milliarden Euro, die Zahl der Kunden auf mehr als 320.000.

Frankfurt Die GLS Bank, die mit Abstand größte Nachhaltigkeitsbank in Deutschland, greift die neuen EU-Vorgaben, die EU-Taxonomie, für mehr Klimaschutz bei Geldanlagen scharf an. Bankchef Thomas Jorberg sagte am Dienstag: „Die Taxonomie verfehlt ihr Ziel und ist in ihrer aktuellen Form Greenwashing, unwirksam und wettbewerbsverzerrend.“

Unter Greenwashing versteht man Schönfärberei bei Nachhaltigkeitsangaben, beispielsweise wenn eigentlich klimaschädliche Aktivitäten als grün deklariert werden. Die EU will mit der Taxonomie festlegen, welche Investitionen als klimafreundlich eingestuft werden und welche nicht. Die Pläne der EU-Kommission sehen derzeit vor, auch Atom- und Gaskraftwerke als nachhaltig zu klassifizieren. Dies kritisiert Jorberg deutlich.

Der GLS-Chef sieht noch weitere Fehler bei der Taxonomie, auch wenn er einen Mindeststandard für nachhaltige Geldanlage grundsätzlich als sinnvoll betrachtet. Er kritisiert, dass klassische mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat der Transformation seien, nicht von den EU-Regeln erfasst würden. So fallen zunächst nur große Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter haben und kapitalmarktfähig sind, unter die Taxonomie.

Kleine Unternehmen, also auch viele Kunden der GLS Bank, sind damit gar nicht „taxonomiefähig“. Sie können nicht als grüne Investitionen ausgewiesen werden. Das sei wettbewerbsverzerrend, sagte Jorberg, der seit rund 30 Jahren dem Vorstand der Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken angehört.

GLS Bank ist zuletzt deutlich gewachsen

Die GLS Bank sieht sich als „Qualitätsmarke im Markt grüner Geldanlagen“. Das Bochumer Institut gilt als eines der wenigen Geldhäuser, die Kredit- wie Anlageentscheidungen heute schon nach strengen Nachhaltigkeitskriterien treffen. Für Atom- oder Kohleenergie, für Gentechnik in der Landwirtschaft, Massentierhaltung oder Waffen gibt es bei der GLS zum Beispiel keinen Kredit.

Die GLS Bank zweifelt daran, dass allein die Einstufung als grün in der EU-Taxonomie Atom- und Gaskraftwerke für Investoren auch attraktiv macht. Für Jorberg würden solche Investitionen an der langfristigen Wirtschaftlichkeit und am Risiko scheitern.

Dass das Thema Nachhaltigkeit immer mehr Menschen und Unternehmen bewegt, allerdings keinen rasanten Umschwung bringt, zeigt auch das Beispiel der GLS Bank selbst. Das Geldhaus ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Per Ende 2021 stieg die Bilanzsumme um 15 Prozent auf gut neun Milliarden Euro, 820 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt die GLS Bank. Damit gehört sie zu den 15 größten Genossenschaftsbanken in Deutschland.

Die Berliner Volksbank, die Frankfurter Volksbank sowie mehrere Sparda-Banken kommen aber auf deutlich höhere Bilanzsummen. Vor allem im Vergleich zu anderen überregional tätigen Geldhäusern ist die GLS Bank damit immer noch klein. Sie hat rund 320.000 Kunden – ebenfalls ein Plus von 15 Prozent – und führt etwa 200.000 private Girokonten. Zur weiteren Entwicklung der Bank sagte Jorberg: „Wir erwarten vergleichbares Wachstum in den Folgejahren.“

Umstrittenes BGH-Urteil in der Diskussion

Laut Vorstandsmitglied Dirk Kannacher prüft die GLS Bank derzeit noch, wie sie nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu allgemeinen Geschäftsbedingungen Vereinbarungen mit Kunden vornimmt. „Wir werden das zeitnah umsetzen.“ Viele Geldhäuser haben ihre AGBs bereits angepasst. Die GLS Bank hatte auch schon erklärt, dass sie sich nicht mehr auf die AGB-Klauseln, die der BGH für unwirksam erklärt hat, beruft.

Das oberste deutsche Zivilgericht hatte Ende April geurteilt, dass Geldhäuser bei Änderungen der AGBs, zum Beispiel bei Preiserhöhungen, die Zustimmung ihrer Kunden einholen müssen (Az. I ZR 26/20). Geklagt hatte der Verbraucherzentrale-Bundesverband gegen die Postbank.

Bislang haben Kannacher zufolge auch kaum Kundinnen und Kunden Entgelte zurückgefordert – und meistens letztlich die Preise akzeptiert.

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