Die Sparkassen im Ländle wollen sich bei Nachzahlungen aus Sparverträgen außergerichtlich einigen – nicht die einzige juristische Auseinandersetzung.
Sparkasse in Stuttgart
Die Sparkassen scheinen die Coronapandemie weiterhin gut zu verkraften.
Bild: dpa
Frankfurt Bei Auseinandersetzungen um die Nachzahlungen aus Sparverträgen einigen sich die Sparkassen in Baden-Württemberg zusehends im Zuge von Vergleichen mit Kundinnen und Kunden. Der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider sagte am Dienstag, es würden zahlreiche entsprechende Gespräche geführt: „Wir bemühen uns um möglichst viele Vergleiche.“ Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) müsse umgesetzt werden. Auch der Sparkassenverband empfehle Vergleiche.
In dem Streit geht es um die richtige Zinsberechnung für lang laufende Sparverträge – in der Regel für sogenannte Prämiensparverträge von Sparkassen. Der BGH hat seit Oktober 2021 bereits dreimal geurteilt, dass Sparkassen die Zinsen nur nach klaren Kriterien anpassen dürfen. Die Verbraucherzentrale Sachsen hatte in den Fällen jeweils eine Musterfeststellungsklage eingereicht.
Das führt letztlich zu deutlich höheren Zinszahlungen. Denn die Sparkassen müssen sich demnach bei langfristigen Sparverträgen auch an langfristigen Marktzinsen orientieren.
Laut der Finanzaufsicht Bafin gibt es bundesweit mehr als eine Million solcher Verträge. Die theoretisch möglichen Rückzahlungen könnten sich auf hohe Milliardenbeträge belaufen. Schneider geht davon aus, dass in Baden-Württemberg Zehntausende Kunden davon betroffen sind.
Wie die Zinsen konkret berechnet werden müssen, soll nun die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Dresden, mithilfe von Sachverständigen entscheiden. Schneider kritisierte, dass es letztlich sehr schwierig sei, die Zinsen eines Sparvertrags, der seit mehr als 30 Jahren laufe, korrekt zu kalkulieren.
Bei Prämiensparverträgen erhalten Verbraucher neben dem variablen Grundzins, der sich an einem Referenzzins orientiert, einen mit der Zeit steigenden Bonus, auch Prämie genannt. Der höchste Bonus beläuft sich oft auf die in dem Jahr eingezahlte Sparsumme oder auf die Hälfte davon. Angesichts der Null- und Negativzinsen sind die Verträge für Verbraucher sehr attraktiv, für Sparkassen aber ein Verlustgeschäft.
Neben dem BGH-Urteil zu Sparverträgen treibt die Sparkassen eine Entscheidung des obersten Zivilgerichts zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) um. Es hatte Ende April geurteilt, dass Geldhäuser bei Änderungen der AGB, zum Beispiel bei Preiserhöhungen, die Zustimmung ihrer Kunden einholen müssen. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband gegen die Postbank.
Die Folgen des Urteils: Geldhäuser müssen nun ihre Kunden um Zustimmung zu den aktuellen Gebühren bitten. Zudem können Verbraucher Gebühren, die Kreditinstitute ohne explizite Einwilligung erhoben hatten, zurückfordern.
Schneider zufolge haben bei den baden-württembergischen Sparkassen 70 bis 90 Prozent der Kunden den neuen AGB zugestimmt. Die übrigen Kunden seien aber das Problem, weil die Sparkassen alle Kunden gleich behandeln wollten. Man sei noch nicht so weit, sich mit der Frage von Kündigungen beschäftigen zu müssen, so Schneider.
Es sei nun ein „unmöglicher Zustand“, monierte Schneider. Seiner Einschätzung nach stiften die neuen AGB bei vielen Kundinnen und Kunden Verwirrung, nachdem ihnen die Sparkassen vielfach 120 Seiten mit AGB zugeschickt hätten. „Wir erleben eine Konfusion in der Kundschaft.“ Es brauche in Massenverträgen wie beim Girokonto Mechanismen, die handhabbar seien. „Wir sind in intensiven Gesprächen mit dem Gesetzgeber.“
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Zum Bieterstreit um die Wirtschaftsauskunftei Schufa sagte Schneider, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken entschieden hätten, die Mehrheit zu behalten. Man wolle sich gut 50 Prozent der Anteile sichern. Er bestätigte damit Informationen aus Finanzkreisen.
„Ich finde das richtig“, sagte Schneider. Die Schufa sei wertvoll geworden, weil die ein riesiges Datenvolumen angesammelt habe. Er sieht es kritisch, wenn es anderen möglichen Investoren darum gehe, die Daten für mehr Profitabilität zu nutzen.
Bisher halten Sparkassen und Genossenschaftsbanken 47 Prozent an der Schufa. Mit einer Aufstockung der Anteile wollen sie verhindern, dass die Beteiligungsgesellschaft EQT die Kontrolle bei der Schufa übernimmt. EQT hatte im Herbst mit der französischen Großbank Société Générale vereinbart, deren Anteil von zehn Prozent an der Schufa zu übernehmen. Dabei wurde die Wiesbadener Kreditauskunftei mit mehr als zwei Milliarden Euro bewertet. Genossenschaftsbanken und Sparkassen haben ein Vorkaufsrecht.
Kryptowährungen für Sparkassenkunden erteilte Schneider eine Absage. „Das ist eine Nische.“ Für die Mehrzahl der Kunden sei es kein Thema.
Mitte Dezember war bekannt geworden, dass die Sparkassen erwägen, ihren Kunden den Handel mit Kryptowährungen zu ermöglichen. Bei der Sparkassentochter S-Payment wird das Thema geprüft. Allerdings gibt es innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe Vorbehalte. Selbst der oberste Lobbyverband, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, sieht das Thema skeptisch, wie er Ende vergangenen Jahres erklärte.
Die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr fielen derweil gut aus: Die Sparkassen in Baden-Württemberg stemmen sich das zweite Jahr in Folge gegen die Coronakrise. Die 50 Sparkassen vergaben 2021 so viele Kredite wie noch nie. Sie sagten mehr als 34 Milliarden Euro an frischen Darlehen zu. Die Risikovorsorge für ausgefallgefährdete Kredite war mit 80 Millionen Euro gering.
Der wichtige Zinsüberschuss sank zwar trotz des umfangreichen Neugeschäfts erneut leicht, was maßgeblich an den Negativzinsen in der Euro-Zone liegt. Doch aufgrund anderer Effekte – auch der Wertpapierumsatz schoss nach oben – verdienten die Sparkassen aus Baden-Württemberg 2021 deutlich mehr. Das Betriebsergebnis nach Bewertung kletterte um fast neun Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Wegen hoher Steuerzahlungen fiel das Jahresergebnis aber auf 873 Millionen Euro.
Das gute Ergebnis ist ein Zeichen dafür, dass die knapp 370 deutschen Sparkassen insgesamt die Coronapandemie gut verkraften. Der baden-württembergische Regionalverband ist der erste Sparkassenverband, der für 2021 Zahlen vorgelegt hat.
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