Zwei Drittel der Deutschen schränken sich bei Alltagsausgaben ein, zeigt eine Umfrage der Sparkassen. Ihre Schlussfolgerung: Es brauche mehr staatliche Krisenhilfe.
Helmut Schleweis
Der Sparkassenpräsident hält mit Blick auf die hohen Energiepreise eine aktuelle Krisenhilfe wie die Deckelung der Preise für notwendig.
Bild: imago/Reiner Zensen
Frankfurt Die Sparkassen rechnen damit, dass sich die finanzielle Situation der meisten Deutschen aufgrund von Inflation, Belastung der globalen Lieferketten und dauerhaften geopolitischen Spannungen weiter verschlechtert. Die daraus resultierende Anpassungsphase „wird mit zwischenzeitlichen Wohlstandsverlusten einhergehen“, sagte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis am Dienstag.
Darauf müssten sich alle Verbraucher und Sparerinnen einstellen. „Wir stehen vor mindestens drei schwierigen Jahren.“ Schleweis geht davon aus, dass die Probleme früher nicht in den Griff zu bekommen seien.
Teil der Prognose ist, dass die Sparkassen eine anhaltend hohe Preissteigerung erwarten: zehn Prozent in diesem Jahr und knapp zehn Prozent im nächsten Jahr. „Unsere Schätzungen für 2023 gehen über die der Bundesregierung hinaus“, sagte Schleweis.
„Das liegt daran, dass viele Preissteigerungen nach unserer Einschätzung noch in den Lieferketten stecken und noch nicht bei den Verbrauchern angekommen sind.“ Die Erzeugerpreise sind bereits besonders rasant gestiegen.
Schon jetzt schränkt sich ein erheblicher Teil der Menschen ein. Laut einer Umfrage der Sparkassen verzichten zwei Drittel der Menschen in ihrem Alltagsleben auf früher übliche Ausgaben.
„Mehr als die Hälfte will sich weiter einschränken“, sagte der Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). „Rund 90 Prozent treibt die Inflation um.“ Besonders betroffen sind Haushalte mit geringem Einkommen.
Die Sparkassen sind Marktführer im Geschäft mit privaten Kundinnen und Kunden. Schleweis hatte bereits gewarnt, dass künftig 60 Prozent der deutschen Haushalte mit ihren monatlichen Einkommen ihre Ausgaben nicht mehr bestreiten können – oder sogar ins Minus rutschen.
Sparkassen-Filiale
Die deutschen Sparkassen, Marktführer im Geschäft mit privaten Kunden, fürchten einen Wohlstandsverlust.
Bild: dpa
Das bedeute, dass auch Menschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 3600 Euro betroffen sind. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung verweist allerdings darauf, dass schon zuvor fast 40 Prozent der Menschen in Deutschland kein nennenswertes Vermögen hatten und nicht systematisch sparen konnten.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben die privaten Haushalte weniger Geld als zuvor beiseitegelegt – nicht nur wegen der Inflation. Die um saisonale Schwankungen bereinigte Sparquote lag im ersten Halbjahr 2022 bei 11,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Je 100 Euro verfügbarem Einkommen sparten die privaten Haushalte im Schnitt 11,10 Euro. Das entspricht in etwa dem Niveau vor Ausbruch der Coronapandemie.
Gegenüber dem ersten Halbjahr 2021, als die Sparquote den Rekordwert von gut 18 Prozent erreichte, ist das ein deutlicher Rückgang. Angesichts der Coronabeschränkungen konnten die Menschen damals weniger Geld als üblich ausgeben, weil beispielsweise das Reisen beschränkt war.
Als Reaktion auf die schwierige Lage fordert Schleweis, dass die Europäische Zentralbank (EZB) gegen die Inflation vorgeht. Der DSGV prognostiziert zwei weitere Zinsanhebungen in diesem Jahr, möglicherweise jeweils mit 75 Basispunkten. Diese schnelle Zinswende werde allerdings zu erheblichen Belastungen der Konjunktur führen und auch Banken und Sparkassen zeitweise treffen, sagte Schleweis.
Mit Blick auf die hohen Energiepreise halten die Sparkassen eine aktuelle Krisenhilfe wie die Deckelung der Energiepreise für notwendig. „Wir müssen aber auch die Energiewende jetzt einleiten, um uns möglichst schnell unabhängig von hohen Energiepreisen zu machen“, sagte Schleweis. „Dafür müssten zunächst alle in unserer Hand liegenden Energiequellen genutzt werden, um über ein erhöhtes Angebot den Markt spürbar zu entlasten.“
Zudem wird aus Sicht des DSGV die energetische Sanierung von Gebäuden immer wichtiger. Er hält öffentliche Förderprogramme für sinnvoll. Der Bedarf ist groß: Rund 30 Millionen Wohnimmobilien seien älter als 30 Jahre, und bisher gäbe nur ein Drittel der Eigentümer an, dass ihre Immobilie energetisch saniert worden sei.
Die eigentliche Immobilienfinanzierung dagegen ist nach dem Boom der Vorjahre abgesackt. „Die Nachfrage ist von einem Tag auf den anderen eingebrochen, viele Projekte im Planungsstadium werden storniert“, hatte Schleweis Anfang Oktober im Interview mit dem Handelsblatt gesagt.
„Zusammen mit nach wie vor hohen Kaufpreisen und teilweise sehr hohen Grunderwerbsteuern ist der Erwerb von Wohneigentum für sehr viele Menschen in weite Ferne gerückt“, erklärte Schleweis. Laut der DSGV-Umfrage planen nur noch 26 Prozent der Menschen zwischen 20 und 50 Jahren den Erwerb von Wohneigentum.
Deshalb plädieren die Sparkassen auch hier für staatliche Förderung. „Aus meiner Sicht dürfen wir uns nicht damit abfinden, dass für eine junge Familie mit zwei Durchschnittsgehältern Wohneigentum nur schwer erschwinglich ist“ – die Abschaffung der Grunderwerbsteuer wäre ein wichtiger Schritt, findet Schleweis.
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