Nach Ansicht des Internationale Währungsfonds könnten sich die Bedingungen an den Märkten auf „chaotische Weise“ verschlechtern. Im Fokus steht die Politik der Notenbanken.
IWF-Chefin Kristalina Georgieva
Der Internationale Währungsfonds sieht erhöhte Risiken für die globale Finanzstabilität.
Bild: Reuters
Washington Es ist die erste Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, die seit der Pandemie wieder in Washington stattfindet. 10.000 Teilnehmer werden in der US-Hauptstadt erwartet. Und die Stimmung ist so schlecht wie lange nicht.
Die hohe Inflation, die teils kräftigen Zinsanpassungen internationaler Notenbanken sowie die Folgen des Krieges in der Ukraine werden in den kommenden Tagen das Treffen der internationalen Politik- und Finanzelite bestimmen. Gleichzeitig sorgt sich der IWF, welche Auswirkungen die globalen Spannungen auf die Finanzmärkte haben werden.
„Die Risiken für die Finanzstabilität haben deutlich zugenommen“, heißt es in dem Global Financial Stability Report des Fonds, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Das Handeln der Notenbanker steht dabei im Mittelpunkt der Entwicklungen.
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zieht die Leitzinsen immer deutlicher an und baut ihre Bilanzsumme ab, was zu weniger Liquidität an den Märkten führt. So wollen die Geldpolitiker die rapide steigenden Preise bekämpfen. Das habe gravierende Folgen überall auf der Welt, warnt der IWF.
>> Lesen Sie auch: IWF senkt Konjunkturprognose für Deutschland
So könnte es zu einer „schnellen und ungeordneten“ Anpassung der Preise an den Märkten kommen. Das würde dann bereits bestehende Schwachstellen treffen. Da die Liquidität an den Märkten ohnehin zurückgegangen ist, seien sie anfällig.
„Die Liquidität an den Märkten hat sich über verschiedene Assetklassen hinweg verschlechtert“, heißt es in dem Bericht. Das gelte auch für Märkte wie US-Staatsanleihen, die grundsätzlich für ihre hohe Liquidität bekannt sind.
Verschärft wird die Situation auch durch den Dollar, der in den vergangenen Monaten so stark gestiegen ist wie lange nicht mehr. Der Inflationsdruck weltweit nimmt dadurch zu, warnen Ökonomen. Volkswirtschaften könnten sich zu zusätzlichen Zinsschritten gezwungen sehen, um den Effekt auszugleichen.
Gerade Schwellenländer, die sich in US-Dollar finanzieren, stellt die Schwächung anderer Währungen vor massive Probleme. Denn dort könnte es zu Zahlungsausfällen kommen, fürchtet der IWF.
Die Fed sollte behutsamer vorgehen, sonst begeht sie einen großen Fehler Kapitalmarktberater Ed Yardeni im Gespräch mit dem Handelsblatt
Schwellen- und Grenzländer hätten mit „einer Vielzahl an Risiken zu kämpfen, die auf steigende Kreditkosten, anhaltend hohe Inflation, volatile Rohstoffmärkte, einen ungewissen Ausblick auf die Weltwirtschaft und den Druck von strengerer Geldpolitik in entwickelten Ländern zurückzuführen ist“, heißt es in der Studie. Investoren würden sich aus kleineren Ländern daher aktuell zurückziehen.
Wenn sich die Bedingungen nicht bessern, könnte es zu Schuldenrestrukturierungen kommen. Insider gehen davon aus, dass Schulden und die Sorge vor einer Reihe von Zahlungsausfällen zentrale Themen der IWF-Tagung sein werden.
Zuletzt hatten mehrere prominente Ökonomen und Analysten Druck auf die US-Geldpolitiker gemacht, ihre Zinspolitik zu überdenken. „Die Fed sollte behutsamer vorgehen, sonst begeht sie einen großen Fehler“, warnte etwa der unabhängige Kapitalmarktberater Ed Yardeni im Gespräch mit dem Handelsblatt. Auch Fed-Kritiker Mohamed El-Erian macht sich Sorgen, dass die Fed mit ihrer Politik einen Unfall an den Finanzmärkten auslösen könnte.
Am Montag mischte sich auch eine Organisation der Vereinten Nationen in die Diskussion ein – ein ungewöhnlicher Schritt. Der derzeitige Kurs der Fed würde vor allem den Entwicklungsländern schaden und riskiere eine globale Rezession, hieß es in einem Bericht der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (Unctad).
Die Fed zeigte sich zuletzt jedoch weiter gewillt, ihren Kurs fortzusetzen. Für die kommende Sitzung der Notenbanker Anfang November ist ein weiterer Anstieg der Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte geplant – es wäre der vierte dieser Art in Folge. Im Dezember wollen die Geldpolitiker die Zinsen dann noch einmal um 0,5 Prozentpunkte anheben.
Auch Unternehmen und Unternehmensanleihen würden unter den globalen Entwicklungen leiden, gab der IWF zu bedenken. „Große Unternehmen melden sinkende Gewinnmargen aufgrund der gestiegenen Kosten“, betont der IWF.
Die Wachstumsaussichten würden gleichzeitig schwächer, weil sich Unternehmen auf eine mögliche Rezession einstellten. „Bei kleinen Unternehmen sehen wir bereits steigende Insolvenzen in wichtigen entwickelten Volkswirtschaften, weil sie stärker unter gestiegenen Kreditkosten und der sinkenden Unterstützung der Regierungen leiden.“
Auch im Bereich der sogenannten Leveraged Finance steigen die Risiken. Gemeint sind Unternehmen, die ohnehin schon hochverschuldet sind und nun noch mehr Geld für Kredite zahlen müssen.
„Es wird sich zeigen, wie beständig die Kreditqualität dieser Assets ist“, heißt es in dem Bericht. Die Folgen könnten sich auch in der breiten Wirtschaft bemerkbar machen.
Der Währungsfonds führt seine eigenen Stresstests für Banken durch. Im Falle einer globalen Rezession im kommenden Jahr würde ein großer Teil der Banken in den Emerging Marktes die vorgeschriebenen Kapitalvorgaben nicht mehr erfüllen können, hat dies ergeben. In den USA, der EU und anderen entwickelten Ländern dagegen würden die Banken widerstandsfähig bleiben.
Erstpublikation: 11.10.22, 16:15 Uhr.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)