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09.02.2023

15:20

Schweizer Großbank

Credit Suisse erleidet höchsten Verlust seit der Finanzkrise – Aktie bricht ein

Von: Jakob Blume, Yasmin Osman, Dennis Schwarz

7,29 Milliarden Franken hat die Schweizer Großbank 2022 verloren. Der Fall zeigt, wie schnell auch systemrelevante Banken in Schieflage geraten können.

Die Schweizer Bank hat wegen ihres Konzernumbaus einen deutlichen Verlust eingefahren. © 2022 Bloomberg Finance LP

Zentrale der Credit Suisse in Zürich

Die Schweizer Bank hat wegen ihres Konzernumbaus einen deutlichen Verlust eingefahren.

Zürich, Frankfurt Credit-Suisse-Chef Ulrich Körner zeigt sich kämpferisch: „Unsere Mitarbeiter in der Vermögensverwaltung sind komplett überzeugt, dass sie alle verlorenen Kundengelder zurückholen können.“ Die Bank habe eine in der Geschichte des Geldhauses einmalige Kunden-Rückholaktion gestartet, sagte Körner am Donnerstag bei der Vorstellung der Jahresbilanz. Die Resonanz sei positiv: „Unsere Kunden wollen, dass wir Erfolg haben.“

Die Märkte teilen den Optimismus des Bankchefs allerdings nicht. Die Aktie notiert an der Börse in Zürich am Nachmittag acht Prozent tiefer knapp unter der Marke von drei Franken. Zwischenzeitlich lag der Kurs bei 2,87 Franken.

Die Investoren reagierten schockiert darauf, dass Credit-Suisse-Kunden im vierten Quartal rund 111 Milliarden Franken Vermögen abgezogen hatten. Anke Reingen, Analystin bei der Investmentbank RBC Capital Markets, notierte in einer aktuellen Studie: „Die Nettomittelabflüsse fielen deutlich höher aus als erwartet.“

Die Credit Suisse kämpft seit dem vierten Quartal 2022 mit einer in der Historie der Bank beispiellosen Vertrauenskrise: Ausgelöst durch nicht fundierte Spekulationen über einen bevorstehenden Zusammenbruch der Bank in sozialen Medien begannen Kunden Ende Oktober im großen Stil, Gelder abzuziehen. Das belastet bis heute die strategische Neuausrichtung der Bank, die nach einer langen und teuren Skandalserie nötig geworden war.

Der Fall ist eine Mahnung an die gesamte Branche: In Krisensituationen braucht es nicht viel, um selbst eine systemrelevante Großbank in ernsthafte Schieflage zu bringen.

Die Vertrauenskrise sorgte für ein tiefes Loch in der Bilanz, wie die am Donnerstag veröffentlichten Zahlen zeigen: Der Verlust belief sich im Gesamtjahr auf rund 7,3 Milliarden Franken, davon 1,3 Milliarden im vierten Quartal. Es war der größte Verlust seit der Finanzkrise 2008. Zudem erwartet die Bank auch im laufenden Jahr einen „signifikanten Verlust.“

Körner versuchte Optimismus zu verbreiten. via REUTERS

Credit Suisse CEO Ulrich Körner

Körner versuchte Optimismus zu verbreiten.

Der bereinigte Nettoertrag fiel um nahezu ein Drittel, von 22,5 Milliarden Franken 2021 auf nun 15,1 Milliarden Franken. Körner mühte sich, Analysten und Investoren das Bild zu vermitteln, das Schlimmste sei überstanden: „In meinen Augen hat sich die Situation komplett geändert.“ In einzelnen Regionen sehe man zwar auch im Januar noch Mittelabflüsse.

Doch in wichtigen Regionen wie dem Schweizer Heimatmarkt oder der Region Asien-Pazifik verzeichne man bereits wieder Zuflüsse. Körner ließ sich nicht entlocken, wie viel Geld die Credit Suisse in die Hand nimmt, um Kundenvermögen zurückzugewinnen. Nur so viel: „Wir sind wettbewerbsfähig – aber wir kaufen keine Vermögenswerte zurück. Das wäre nicht nachhaltig.“

Beobachter bleiben jedoch skeptisch: Andreas Venditti, Analyst bei Vontobel, sagt: „Vertrauen ist hart zu gewinnen aber leicht zu verlieren.“ Er zeigte sich wenig überzeugt, dass eine Social-Media-Kampagne allein so schwere Folgen haben kann: „Wenn Gerüchte und Tweets eine so dramatische Marktreaktion auslösen konnten, muss das Misstrauen schon sehr groß gewesen sein.“

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Die Vertrauenskrise trifft die Credit Suisse gleich in mehrfacher Hinsicht: Einerseits senkt der Abzug von Kundengeldern die regelmäßigen Gebühreneinnahmen im Kerngeschäft, der Vermögensverwaltung. Gleichzeitig profitiert die Bank weniger als Konkurrenten wie UBS, Julius Bär und Vontobel von einer steigenden Zinsmarge.

Unterm Strich blieb ein Verlust vor Steuern in der Vermögensverwaltung von Oktober bis Dezember von 199 Millionen Franken, im gesamten Jahr 2022 summierte sich der Vorsteuerverlust auf 631 Millionen Franken. Zum Vergleich: 2021 konnte die Bank in ihrem Kerngeschäft noch einen Vorsteuergewinn von 2,3 Milliarden Franken verbuchen.

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Zudem verteuerten sich die Kapitalkosten für das Geldhaus deutlich: Die Ratingagenturen stuften die Bonität der Bank herab. Die Renditen für nachrangige Anleihen der Credit Suisse kletterten Ende 2022 zeitweise auf über zwölf Prozent. Und die Prämien für Ausfallversicherungen für Credit-Suisse-Schulden verteuerten sich zeitweise auf über 400 Basispunkte.

Das bedeutet: Investoren, die sich für fünf Jahre gegen Kreditausfälle bei der Credit Suisse absichern wollen, zahlten dafür zwischenzeitlich mehr als vier Prozent der zu versichernden Summe als Prämie. Seither haben sich jedoch die Anleiherenditen und die Risikoprämien bei Kreditderivaten wieder erholt.

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Doch das nach wie vor erhöhte Niveau ist für das Geschäftsmodell der Credit Suisse eine schwere Hypothek. Die damit verbundenen höheren Refinanzierungskosten sind nicht der einzige Grund dafür. „Im Kapitalmarktgeschäft und in der Vermögensverwaltung spielen die Ratings einer Bank und ihre Risikoprämien bei Kreditderivaten eine wichtige Rolle“, sagte ein hochrangiger Bankmanager. „Viele große Unternehmen und institutionelle Investoren machen von diesen Indikatoren abhängig, ob und wie viel Geschäft sie mit einer Bank machen.“

Der Top-Manager eines großen Schweizer Vermögensverwalters bestätigte hinter vorgehaltener Hand, dass sein Unternehmen Liquidität auf Geschäftskonten bei der Credit Suisse aufgrund interner Risikomanagement-Auflagen abziehen musste.

Zweifel an der Bank kippen Verkauf einer Immobilie

Die Zweifel an der Solidität beschränkte die Credit Suisse auch bei den Möglichkeiten, frisches Kapital etwa durch Immobilienverkäufe einzunehmen. So lotete die Großbank zeitweise den Verkauf des Uetlihofs aus, eines Bürokomplexes in Zürich, in dem Tausende Banker arbeiten. Der Deal hätte eine Milliardensumme einbringen können. Interessiert war zeitweise auch der Versicherungskonzern Swiss Life, der größte Immobilieninvestor der Schweiz.

Paolo Di Stefano, Leiter des Schweizer Immobiliengeschäfts bei Swiss Life, bestätigte kürzlich vor Journalisten in seltener Offenheit: „Wir haben uns den Uetlihof sehr genau angeschaut.“ Zusammen mit dem norwegischen Staatsfonds habe man ein Investment erwogen. Das Problem laut Di Stefano: Der Bürokomplex sei stark auf die Bedürfnisse der Credit Suisse zugeschnitten und lasse sich nur schwer anderweitig nutzen. „Da muss man eine Bonitätsanalyse des Mieters machen.“ Dass Resultat: „Das war für uns zu risikoreich.“

Bei der Credit Suisse müht man sich, den Eindruck zu zerstreuen, dass die hohen Prämien für Kreditderivate die Bank zurückwerfen. So sagte kürzlich Jens Haas, Chef des Investmentbankings in der Schweiz, bei einer Pressekonferenz: Kreditausfallversicherungen seien „ein ziemlich ineffizienter Markt und eine schlechte Darstellung der zugrunde liegenden Kreditqualität“. Er betonte: „Das hat keine wesentlichen Auswirkungen auf unser Geschäftsmodell.“

Haas zeigte sich zudem zuversichtlich, dass sein Team vom Kahlschlag im Investmentbanking verschont bleibe. Die Sparte musste gruppenweit ein Rückgang der Erträge um 55 Prozent verkraften und häufte Verluste in Höhe von 3,2 Milliarden Franken an. Die Credit Suisse löst daher die Investmentbank aus dem Konzern heraus und fusioniert sie mit der Boutique des früheren Verwaltungsratsmitglieds Michael Klein. Der erhält im Gegenzug rund 200 Millionen Dollar – will jedoch einen Großteil zurück ins Geschäft investieren und zudem externe Investoren an Bord holen.

Einzig das Investmentbanking in der Schweiz bleibt bei der Umstrukturierung außen vor. Das Team von Manager Haas dockt an die Schweizer Universalbank an. Von dort betreut das Team von Haas beispielsweise Großkonzerne wie Roche oder Nestlé bei der Emission von Anleihen oder berät Novartis bei der Abspaltung der Generikasparte Sandoz. „Das gehört zum Kerngeschäft“, betont Haas. Daher seien seine Truppen auch „quasi ausgenommen“ vom Stellenabbau.

Das von André Helfenstein verantwortete Schweiz-Geschäft gehört zu den wenigen Lichtblicken in der Bilanz der Credit Suisse. Im abgelaufenen Jahr warf die Sparte ein Gewinn von 1,4 Milliarden Franken ab. Im Kampf um Vertrauen und Vermögen der Kunden kommt dem Heimatmarkt eine Schlüsselrolle zu.

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