Die US-Wertpapieraufsicht hat die Schweizer Bank kurzfristig auf ungeklärte Fragen bei ihrer Rechnungslegung hingewiesen. Das sorgt für weitere Unsicherheit in einer kritischen Zeit.
Credit Suisse
Die Bank macht keine Angaben zu der Frage, wann der Geschäftsbericht 2022 genau veröffentlicht wird.
Bild: dpa
Zürich Die Credit Suisse schiebt die für den Donnerstag geplante Veröffentlichung des Geschäftsberichts 2022 auf. Die US-Wertpapieraufsicht SEC habe sich am späten Mittwoch mit Fragen an die Schweizer Großbank gewandt, wie die Credit Suisse am Donnerstag mitteilte. Dabei gehe es um offene SEC-Kommentare zu im vergangenen Jahr offengelegten Bilanzierungsproblemen für die Geschäftsjahre 2019 und 2020.
Dass große börsennotierte Gesellschaften die Veröffentlichung ihres Geschäftsberichts verschieben müssen, ist extrem selten. Der Schritt sorgte bei den Investoren für Verunsicherung: Die Aktie brach am Donnerstag um zwischenzeitlich sechs Prozent auf 2,50 Franken ein und handelte damit nahe am Allzeittief. Am Abend lag sie 1,9 Prozent tiefer bei 2,62 Franken.
Der Hintergrund: Im Jahresbericht 2021 hatte die Credit Suisse ihre Aktionäre darüber informiert, dass bei internen Kontrollen Probleme bei der Rechnungslegung aufgefallen sind. Diese betreffen die Bilanzierung von Wertpapierleihegeschäften.
Sie hätten unter anderem dazu geführt, dass die Bilanzkennziffer „Cashflow aus Investitionstätigkeit“ um 70 Millionen Franken zu hoch angegeben wurde, während die Bilanzverbindlichkeiten um diesen Betrag zu niedrig ausfielen. Dies habe auch Auswirkungen auf die Verschuldungsquote (Leverage Ratio) der Bank gehabt, die dadurch um 0,1 Prozentpunkte zu gering ausfiel.
Damals teilte die Bank mit, die Anpassung der Bilanzkennziffern habe keine signifikanten Auswirkungen auf die Jahresergebnisse 2019 und 2020 gehabt. Doch offenbar interessierte sich die US-Börsenaufsicht für die Probleme bei der Bilanzierung sowie für die internen Kontrollmechanismen, mit denen solche Fehler eigentlich vermieden werden sollen. Die Aufseher dürften insbesondere die fehlerhafte Bilanzierung der Verschuldungsquote im Fokus haben, die immerhin eine zentrale Kennziffer für die Solidität einer Bank ist.
Unklar bleibt, warum sich die SEC nun so kurzfristig vor der Veröffentlichung des Jahresabschlusses 2022 mit Fragen an die Credit Suisse wandte. Am späten Mittwochabend habe es zu diesem Thema ein Telefonat zwischen der Bank und der Börsenaufsicht gegeben, teilte die Credit Suisse weiter mit. „Das Management hält es für ratsam, die Veröffentlichung des Abschlusses für kurze Zeit zu verschieben, um die eingegangenen Kommentare besser zu verstehen.“
>> Lesen Sie hier: Aufsicht untersucht offenbar Aussagen von Credit-Suisse-Präsident zu Kapitalabflüssen
Die Finanzergebnisse für 2022, die am 9. Februar veröffentlicht worden waren, seien von den Nachfragen nicht betroffen. Die Credit Suisse wollte keine Angaben zu der Frage machen, wann der Geschäftsbericht 2022 genau veröffentlicht wird. Der Bericht muss den Aktionären üblicherweise vor der Hauptversammlung vorliegen. Diese ist bei der Credit Suisse für den 4. April angesetzt.
Anke Reingen, Bankanalystin bei der Investmentbank RBC Capital Markets, schrieb in einer am Donnerstag veröffentlichten Einschätzung, der Cashflow der Bank spiele bei der Festlegung des Kursziels für die Credit Suisse eine eher untergeordnete Rolle.
Auch seien die angepassten Beträge gering und die Anpassungen zuvor offengelegt worden. Doch sie hält fest: „Allerdings sind Fragen bezüglich der Rechnungslegung, insbesondere vonseiten der SEC, negativ, zumal die Pressemitteilung auf Fragen der SEC bezüglich der damit verbundenen Kontrollen der Revisionen hinweist.“
Im vergangenen Jahr hatte die Schweizer Großbank ihr Topmanagement umfangreich umgebaut: Im April 2022 wurde bekannt, dass der langjährige Finanzvorstand David Mathers das Unternehmen verlässt. Zum Oktober 2022 hatte sein Nachfolger, der Ex-Deutsche-Bank-Manager Dixit Joshi, übernommen. Im Juli 2022 wurde zudem CEO Thomas Gottstein durch Ulrich Körner ersetzt.
Mit einem Verlust von 7,3 Milliarden Franken verzeichnete die Credit Suisse 2022 eines der schwächsten Jahre ihres 167-jährigen Bestehens. Vor allem die Kosten für die Sanierung und der Kollaps der Erträge im Investmentbanking lasteten auf dem Ergebnis. Zum Jahresende sorgten zudem die Abflüsse von Kundengeldern für Gegenwind. Auch im laufenden Jahr erwartet der Konzern einen erheblichen Vorsteuerverlust.
Außerdem muss die Bank offenbar den Abgang eines weiteren hochrangigen Managers verkraften. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf zwei Quellen, dass Julian Gooding das Unternehmen verlässt. Er leitet den Bereich Regulatory Compliance. Hintergrund des Abgangs sei der tiefgreifende Umbau der Bank. Sein Abschied stehe aber in keinem Zusammenhang mit den Fragen der SEC.
Gooding war unter anderem für Betrugsbekämpfung sowie für Anlegerschutz zuständig, sagten die Insider. Damit war er einer der ranghöchsten Manager im Bereich Compliance, der das regelkonforme Verhalten aller Mitarbeiter sicherstellen soll.
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