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21.12.2022

17:42

Schweizer Notenbank

Credit Suisse gegen Finanzblog „Inside Paradeplatz“: Angriff auf die Pressefreiheit oder Kampf gegen Online-Hetze?

Von: Jakob Blume, Yasmin Osman

Die Schweizer Großbank verklagt den Bankjournalisten und Blogger Lukas Hässig. Über das Ziel von Credit Suisse gehen die Ansichten auseinander.

Die Großbank klagt gegen einen Finanzblog. Reuters

Credit-Suisse-Filiale

Die Großbank klagt gegen einen Finanzblog.

Zürich, Frankfurt Lukas Hässig ist in Zürich berühmt und berüchtigt dafür, nichts unausgesprochen zu lassen. Auf seinem Finanzblog „Inside Paradeplatz“ kritisiert Hässig die Reichen und Mächtigen: UBS-Chef Ralph Hamers wird dort als woker „Wanderprediger“ bezeichnet, der oberste Notenbanker Thomas Jordan als Hasenfuß dargestellt, der die Zinsen nicht schnell genug anhebt.

Oft genug trafen die meist in spöttischem Tonfall geschriebenen Geschichten zuletzt auch die Credit Suisse (CS). Die Bank lieferte in den vergangenen zwei Jahren jede Menge Stoff für unschöne Schlagzeilen: Mehrere Skandale kosteten das Geldhaus eine zweistellige Milliardensumme, der Aufsichtsrat tauschte die Führungsriege aus, Kunden zogen ihr Vermögen ab. Erst eine erfolgreiche Kapitalerhöhung verschaffte Credit Suisse eine Atempause.

Bei Hässig klingt das so: „Next Milliarden-Verlust: CS akut im Überlebensfight“. Berichte über Sparprogramme, beschlossen von Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann und CEO Ulrich Körner, betitelt der Journalist wie folgt: „Abbruch-GmbH Körner-Lehmann: Nichts ist heilig“ oder „Körner zerschlägt die Credit Suisse, Bank blutet aus“.

Die meisten Ziele von Hässigs Berichterstattung erdulden die krawallig wirkenden Zeilen – doch die zweitgrößte Schweizer Bank will das nicht mehr hinnehmen: Sie hat Klage wegen Dutzender Artikel und Hunderter Leserkommentare eingereicht. „Die Credit Suisse hat sich entschieden, die Rechtmäßigkeit von Leserkommentaren und Texten rechtlich überprüfen zu lassen. Dies geschieht zum Schutz unserer Mitarbeitenden, die auf dem Blog regelmäßig beschimpft und verunglimpft werden“, heißt es vonseiten der Bank.

Die Bank verlangt zudem die Herausgabe des Gewinns, den Hässig durch seine klickträchtigen Überschriften erzielt haben soll. Der Streitwert wurde auf 300.000 Euro festgelegt. Viel Geld für den Finanzblog, den Hässig praktisch im Alleingang betreibt. Er sieht das Verfahren in der Tradition sogenannter SLAPP-Klagen aus dem angelsächsischen Raum, die das Ziel haben, Kritiker einzuschüchtern.

Leserkommentare im Fokus

In der Klageschrift, aus der „Inside Paradeplatz“ zitiert, heißt es unter anderem, die Credit Suisse werde „verächtlich gemacht, ja schlichtweg totgeschrieben, Kunden und Mitarbeiter werden gar aktiv zum Verlassen der Bank animiert“.

Hässig wehrt sich dagegen: „Dass Medien Firmen in Grund und Boden schreiben können, ist Bullshit“, sagt er. „Die Misere ist immer die Schuld des Managements.“ Die Klage auf Herausgabe des Gewinns, die er durch die Artikel über die Credit Suisse erzielt haben soll, nennt er die „neueste Errungenschaft der Schweizer Medienanwälte“.

Tatsächlich stehen bei dem Rechtsstreit jedoch vor allem die Kommentare unter seinen Artikeln im Fokus, das bestätigen Bankkreise ebenso wie Hässig selbst: „Das könnte der entscheidende Punkt sein“, sagt der Finanzjournalist. In den Kommentarspalten toben sich die Leser von „Inside Paradeplatz“ regelmäßig im Schutze der Anonymität aus. Hässig verhindert, dass die schlimmsten Hassnachrichten online gehen – doch er schaltet auch immer wieder Meinungsbeiträge frei, die andere Medien nicht tolerieren würden.

„Wenn ich wegen der Kommentare verliere, muss ich mir etwas überlegen“, zeigt sich Hässig selbstkritisch. „Ich fände das schade – und damit sage ich nichts über die Qualität der Kommentare.“ Das die teils auf niedrigstem Niveau sind, gibt er unumwunden zu.

Er beteuert, hart bei der unteren Grenze zu sein, etwa wenn es um strafrechtlich relevante Inhalte geht. „Ich reagiere auf den kleinsten Hinweis“, sagt Hässig. Manche Medienstelle hat da auch schon andere Erfahrung gemacht.

Andererseits ist den Klageführern bei der Bank klar: Skandale wie Greensill, welche die Bank Milliarden und viel Vertrauen bei den reichen Kunden gekostet haben, wurden von der „Financial Times“ aufgedeckt – und waren zuallererst selbst verschuldet. Die Credit Suisse hatte zusammen mit dem Pleite-Fintech Greensill Lieferkettenfinanzierungsfonds aufgelegt, die sich als nicht werthaltig erwiesen. Kunden der Credit Suisse hatten bis zu zehn Milliarden Dollar in die Fonds investiert, die das Geldhaus letztlich abwickeln musste.

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