Co-Gründer Valentin Stalf
Der N26-CEO kümmert sich mittlerweile um 2,3 Millionen Kunden.
Bild: Andreas Pein/laif
Die Smartphonebank N26 hat von internationalen Investoren eine Rekordsumme erhalten – Geld für den Einstieg in den amerikanischen Markt.
Frankfurt Können Sie sich vorstellen, ein Smartphonekonto zu eröffnen? Diese Frage hat das Meinungsforschungsinstitut Yougov am Mittwoch im Auftrag des Handelsblatts mehr als 500 Erwachsenen gestellt. Das Ergebnis der repräsentativen Umfrage: Jeder dritte Befragte gab sich experimentierfreudig, und weitere 16 Prozent sind noch unentschlossen.
Über solche Zahlen dürfte sich Valentin Stalf, Co-Gründer der deutschen Smartphonebank N26, freuen. Denn immerhin 2,3 Millionen Kunden haben in den vergangenen vier Jahren tatsächlich schon ein Konto bei N26 eröffnet.
Diesen Erfolg hat eine Gruppe namhafter Investoren jetzt mit neuem Kapital belohnt. Mit rund 260 Millionen Euro frischem Geld verfügt das Finanztechnologie-Start-up – kurz Fintech – damit nun über reichlich Mittel für das weitere Wachstum. Noch nie hat ein deutsches Finanz-Start-up eine größere Summe eingesammelt.
Angeführt wurde die jüngste Finanzierungsrunde vom US-Wagnisfinanzierer Insight Venture Partners, beteiligt sind zudem der Staatsfonds GIC aus Singapur, die Allianz-Versicherung und der deutsche Risikokapitalgeber Earlybird Venture. Die Finanzierung sei „der Ritterschlag für die deutschen und europäischen Fintechs“, sagt Earlybird-Mitgründer Hendrik Brandis.
Im ersten Halbjahr 2019 will die Bank in die USA expandieren. Bereits im März 2018 hatte sich das Start-up rund 130 Millionen Euro an zusätzlichem Eigenkapital gesichert. Schon das war mehr, als je eines der rund 800 deutschen Fintechs in einer einzelnen Finanzierungsrunde akquirieren konnte.
Insgesamt kommt N26 nun auf eine Bewertung von 2,3 Milliarden Euro. Somit ist das Unternehmen zum ersten deutschen Fintech-„Einhorn“ aufgestiegen. So werden Unternehmen bezeichnet, die mit mindestens einer Milliarde Euro bewertet werden.
Die Geldgeber aus früheren Runden sind N26 treu geblieben. Dazu gehört auch Earlybird, dessen Mitbegründer Christian Nagel Mitglied des Beirats bei N26 ist. „Die Runde war deutlich überzeichnet, wir hätten auch noch mehr einsammeln können“, berichtet er. Insgesamt haben Investoren nun mehr als 430 Millionen Euro in die junge Firma gesteckt – auch das ein Rekord für den deutschen Markt.
Mit dem Investment wird die Erfolgsgeschichte der deutschen Fintechs fortgeschrieben. Im vergangenen Jahr haben sie nach Analyse der Beratungsfirma Barkow Consulting zum ersten Mal insgesamt mehr als eine Milliarde Euro Eigenkapital akquiriert. Dabei sinkt zwar die Zahl der Deals, aber das Volumen der einzelnen Finanzierungsrunden steigt.
Das sei eine typische Entwicklung für einen Investmentsektor, erklärt Datenspezialist Peter Barkow: „Zuerst stecken Investoren kleinere Beträge in viele Unternehmen und werden dann bei den Anschlussfinanzierungen immer selektiver.“ Das Interesse der Investoren an N26 erklärt Barkow insbesondere mit dem rapiden Kundenwachstum. Allein im vergangenen Jahr hat sich die Kundenzahl verdreifacht.
Auch bei anderen Fintechs schätzen Investoren solche Zahlen. Auf Platz drei der bislang größten Finanzierungsrunden in Deutschland – und damit hinter den zweien von N26 – steht die Hamburger Kreditplattform Kreditech. Sie sammelte zuletzt 110 Millionen Euro ein, doch laut Statistik von Barkow war darin allerdings ein Anteil Fremdkapital enthalten. Auch der Zinsmarktplatz Deposit Solutions erhielt in einer einzelnen Runde 86 Millionen Euro.
Von den traditionellen Banken werden die Smartphonebanken als neue Herausforderer besonders genau beäugt. Im Gegensatz zur Mehrheit der Fintech-Firmen verstehen sie sich nicht als Kooperationspartner für etablierte Geldhäuser, sondern klar als Angreifer.
Besonders aggressiv wirbt auch das britische Fintech Revolut für sich. Es ist ebenfalls in Deutschland aktiv und hat von Investoren insgesamt knapp 300 Millionen Euro erhalten.
Sowohl Revolut als auch N26 nähern sich in ihrem Angebot immer mehr einer klassischen Privatkundenbank an – verzichten aber auf Filialen. N26 hat dafür seit Sommer 2016 eine eigene Banklizenz, Revolut hat diese kürzlich erworben.
Nur die wenigsten ihrer Produkte sind allerdings hausgemacht, sie kooperieren mit anderen Fintechs. So können N26-Kunden mithilfe von Transferwise Fremdwährungsüberweisungen tätigen, über Weltsparen Zinskonten eröffnen, über Auxmoney Kredite abschließen und mittels Clark Versicherungen vergleichen.
Auch die Smartphone-Bezahldienste Apple Pay und Google Pay werden unterstützt. Hinzu kommen eine intuitive Bedienung und Extras wie etwa die Echtzeitanzeige von Kontobuchungen.
Manager der alteingesessenen Banken betrachten die jungen Wettbewerber längst als ernst zu nehmende Gefahr für ihr Geschäft. Das zeigte im vergangenen Jahr etwa eine Studie der Beratungsfirma Sopra Steria Consulting.
Demnach halten 44 Prozent der befragten Führungskräfte deutscher Kreditinstitute Smartphonebanken für eine Bedrohung. Unter Managern von Sparkassen und Volksbanken sind es sogar 53 Prozent.
Das Problem: Die Konkurrenz auf dem deutschen Bankenmarkt ist ohnehin hart. Und neben N26 ziehen lange schon auch Onlinebanken wie Comdirect, DKB und ING viele neue Kunden an. Sie alle bieten kostenlose Girokonten.
N26 hat in einer Finanzierungsrunde 260 Millionen Euro erhalten. Der Mitgründer des Wagnisfinanzierers sieht für digitale Geschäftsmodelle in der Finanzbranche große Wachstumschancen.
Positiv betrachtet sind die Start-ups ein Weckruf und Vorbild für die Alteingesessenen. Wie sehr sie auf die Geldhäuser wirken, zeigt sich beispielsweise an den Sparkassen. Sie wollen ebenfalls ein Smartphonekonto an den Markt bringen – auch wenn sie daran bereits seit Jahren basteln.
Die App „Yomo“, für „Your Money“, gibt es zwar schon, allerdings nur in einer Standardvariante, die bislang über weitaus weniger Funktionen verfügt als das Pendant von N26. Bisher bieten neun Sparkassen Yomo an, 130 weitere wollen im ersten Halbjahr folgen, auch mehr Funktionen sind geplant. Bekannt ist das Projekt seit Frühjahr 2016.
Allein mit dem Heimatmarkt geben sich etliche Fintechs inzwischen nicht mehr zufrieden. So zieht es neben N26 auch Revolut in die USA. Christopher Schmitz, Partner der Unternehmensberatung EY, meint, dass die Fintechs in die Phase des „Erwachsenwerdens“ eingetreten seien.
Allerdings: Von den deutschen Rekorden darf man sich nicht blenden lassen. Das zeigte kürzlich eine Studie der Comdirect. Demnach hat Chinas Vorzeige-Fintech Ant Financial 16 Milliarden Euro Risikokapital eingesammelt – so viel wie alle deutschen Start-ups gemeinsam in den vergangenen zehn Jahren.
Mitarbeit: Elisabeth Atzler
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