Die griechische Regierung verlangt von den Geschäftsbanken Zugeständnisse bei Zinsen und Gebühren. Dabei hat Premierminister Mitsotakis auch die bevorstehenden Wahlen im Blick.
Premier Mitsotakis (l.) beim Treffen mit Staatspräsidentin Katerina Sakellaropulou
Der Premierminister möchte einen Anstieg der faulen Kredite unbedingt vermeiden.
Bild: Dimitris Papamitsos Dimitris Papamitsos
Athen Der Athener Regierungschef Kyriakos Mitsotakis und sein Finanzminister Christos Staikouras gehen mit den griechischen Bankern ins Gericht: Sie sollen Schuldnern mit Zinsnachlässen entgegenkommen, die Kunden bei den Gebühren entlasten und auf Boni verzichten. Dahinter steht die Sorge, das steigende Zinsniveau könnte zu einer Welle neuer Kreditausfälle führen.
Das Ambiente war weihnachtlich, als Premier Mitsotakis am vergangenen Freitag zu seiner allmonatlichen Audienz bei Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou vorsprach. Adventsgebäck stand auf dem Tisch. Aber Mitsotakis griff nicht zu.
Er kam schnell zur Sache: „Die Banken müssen ihrer Verantwortung gerecht werden“, sagte der Premier mit ernster Miene vor laufenden Fernsehkameras. Die Institute müssten die zahlungsschwachen Privathaushalte stützen, wozu sie „dank ihrer hohen Profitabilität im Jahr 2022 auch in der Lage seien“. Dass Mitsotakis diese Mahnung im Beisein der Staatspräsidentin aussprach, gibt seinen Worten besonderes Gewicht.
Die Manager der Banken kennen das Problem. Sie wissen, dass viele private Schuldner Schwierigkeiten bekommen, ihre Hypothekenkredite zu bedienen. Auch kleinere Unternehmen geraten wegen der steigenden Zinsen in Bedrängnis.
Eine neue Welle fauler Kredite ist das Letzte, was sich die Banker wünschen. Sie haben viele Jahre gebraucht, um die Quote der notleidenden Forderungen, die auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise fast 50 Prozent der ausgereichten Darlehen betrug, auf jetzt unter zehn Prozent zu drücken.
Bisher hoffte man in den Chefetagen der Banken, der Finanzminister werde klammen Kreditnehmern mit Subventionen aushelfen. Doch Mitsotakis stellte jetzt klar: Es wird keine Staatshilfen geben. Die Banken müssen selbst einspringen. Sie könnten etwa Schuldnern, die in Zahlungsschwierigkeiten kommen, längere Laufzeiten und Ratenpausen anbieten. Zur Diskussion steht auch, dass die Banken für zahlungsschwache Schuldner einen Teil des Zinsanstiegs selbst übernehmen, etwa die Hälfte.
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Handlungsbedarf besteht nach Schätzungen aus Finanzkreisen bei etwa 20.000 bis 30.000 gefährdeten Darlehen. Das Thema ist aber heikel. Denn wenn die Banken den Schuldnern Moratorien oder Zinssubventionen gewähren, müssten sie nach den Vorgaben der Euro-Bankenaufsicht SSM möglicherweise Rückstellungen vornehmen. Das belastet die Bilanzen.
Die Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) haben die griechischen Institute schnell an ihre Kunden weitergegeben. Der durchschnittliche Darlehenszins stieg von 3,61 Prozent im August auf aktuell 4,86 Prozent. Griechenland hat damit die dritthöchsten Kreditzinsen im Euro-Raum nach Litauen und Lettland. Weitere Erhöhungen sind programmiert, wenn die EZB Mitte Dezember den Leitzins erneut anhebt.
Bei den Guthabenzinsen dagegen üben die Banken größte Zurückhaltung. Sie stiegen von durchschnittlich 0,03 Prozent im August lediglich auf jetzt 0,05 Prozent. Dieser große – und ständig wachsende – Spread sei „unakzeptabel“, rügte Finanzminister Christos Staikouras am vergangenen Samstag im TV-Sender „Skai“. Staikouras kritisierte: „Die Banken bitten die griechischen Bürger kräftig zu Kasse, aber sie geben ihnen nicht zurück, was ihnen gebührt.“
Mehrere Treffen des Ministers mit den Chefs der vier systemischen Banken blieben in den vergangenen Wochen ergebnislos. Jetzt erhöht Staikouras den Druck und bringt ein weiteres Thema auf die Agenda: die happigen Gebühren, mit denen die griechischen Banken ihre Kunden schröpfen.
Der Minister publizierte am Wochenende eine Liste mit zwölf Gebührenarten: von den Belastungen für Überweisungen über die Kosten bei Abhebungen am Geldautomaten und Provisionen bei Devisengeschäften bis hin zu den Gebühren für Kontoauszüge und Kosten für die Prüfung von Darlehensanträgen.
Mit Gebühren verdienten die vier systemischen Banken allein im dritten Quartal 450 Millionen Euro. Für Überweisungen von Bank zu Bank kassieren die griechischen Institute bis zu fünf Euro. Transaktionen zu Banken außerhalb des Euro-Raums können bei größeren Beträgen schnell über 100 Euro kosten.
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Finanzminister Staikouras will das nicht länger hinnehmen. Er setzt jetzt eine Frist: Beim nächsten Treffen mit dem Minister in zehn Tagen sollen die CEOs der Banken ihre Gebührenkataloge überarbeitet haben.
Überdies stellte Staikouras klar: Auch 2022 wird es für die griechischen Bankmanager keine Boni geben. 2015 hatte Griechenland während der Finanzkrise ein Gesetz verabschiedet, das die Bezüge der Banker deckelt. Sie dürfen nicht mehr verdienen als der Gouverneur der griechischen Zentralbank. Das sind nominell 400.000 Euro im Jahr. 2012 verzichtete allerdings in der Finanzkrise der damalige Zentralbankchef George Provopoulos auf 50 Prozent des Gehalts. Daran hält auch der heutige Notenbanker Yannis Stournaras fest. Für die Geschäftsbanken gilt dennoch der Gehaltsdeckel von 400.000 Euro.
Die Regierung treibt jetzt nicht nur die Sorge vor neuen Kreditausfällen um, die Griechenlands wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Rezession gefährden könnten. Wenn Premier Mitsotakis den Druck auf die Banken erhöht, hat er dabei auch die kommendes Frühjahr fälligen Parlamentswahlen im Blick. Mitsotakis möchte verhindern, dass der linke Oppositionsführer Alexis Tsipras im beginnenden Wahlkampf das Bankenthema besetzt.
Erstpublikation: 05.12.22, 18:58 Uhr.
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