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20.11.2021

17:50

Spitzenpersonalie

Niederländer Alexander Wynaendts soll Aufsichtsratschef der Deutschen Bank werden

Von: Michael Maisch, Yasmin Osman

Es ist die wichtigste Personalie bei der Deutschen Bank seit Langem: Der Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats hat den Ex-Chef des Versicherers Aegon vorgeschlagen.

Favorit auf die Achleitner-Nachfolge. Thorsten Jochim für Handelsblatt

Alexander Wynaendts

Favorit auf die Achleitner-Nachfolge.

Frankfurt Die derzeit spannendste Personalfrage in der deutschen Finanzszene ist beantwortet: Die Deutsche Bank hat am Freitagabend per ad-Hoc-Mitteilung die Nachfolge des langjährigen Aufsichtsratschefs Paul Achleitner eingeleitet. Der Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats des größten heimischen Geldhauses empfiehlt, Alexander Wynaendts zum Vorsitzenden des Kontrollgremiums zu wählen. Der Aufsichtsrat selbst muss dem noch zustimmen. Nach Informationen des Handelsblatt hat die Bank die Aufsichtsräte am Wochenende zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengerufen.

Wynaendts war zuletzt Chef der Versicherungsgesellschaft Aegon. Der 61-Jährige sitzt zudem in mehreren Aufsichts- und Verwaltungsräten, unter anderem bei der Citigroup, beim Mitfahrdienst Uber und bei Air France-KLM. Begonnen hatte er seine berufliche Laufbahn bei der niederländischen Großbank ABN Amro, wo er 13 Jahre im Private Banking und im Investmentbanking in Amsterdam und London tätig war.

1997 wechselte Wynaendts zu Aegon und bekleidete dort verschiedene Führungspositionen, bevor er 2008 Vorstandsvorsitzender wurde. Während seiner zwölfjährigen Amtszeit führte er den Versicherer durch die Finanzkrise, die kurz nach seinem Start im Sommer 2008 begann. In Finanzkreisen hieß es, der Niederländer habe von Anfang an auf der Auswahlliste für den Posten des Aufsichtsratschefs der Deutschen Bank gestanden.

Die Empfehlung Wynaendts ist aber nicht die einzige Aufsichtsratspersonalie bei der Deutschen Bank. Die Spitze des Kontrollgremiums soll um einen zweiten Vizechef erweitert werden. Neben dem Arbeitnehmervertreter Detlef Polatschek solle Norbert Winkeljohann stellvertretender Aufsichtsratschef werden, teilte die Bank mit. Winkeljohann gehört seit 2018 dem Aufsichtsrat an und galt ebenfalls als möglicher Kandidat für die Achleitner-Nachfolge.

Mit der Ernennung Winkeljohanns zum zweiten Stellvertreter wolle die Bank sicherstellen, dass bei einem möglichen Ausfall des Aufsichtsratschefs nicht nur ein Vertreter der Arbeitnehmerseite sondern auch ein Kandidat der Kapitalseite das Amt kurzfristig übernehmen könne, heißt es in Finanzkreisen.

In der Frankfurter Finanzszene kursieren aber auch andere Interpretationen dieser Personalie. Ein Schwachpunkt Wynaendts sei die fehlende Vernetzung in der deutschen Politik, die für das Frankfurter Geldhaus sehr wichtig sei, heißt es. Winkeljohann können helfen diese Lücke im Aufsichtsrat zu schließen.

In der Bank wird dagegen vor allem das gute EU-Netzwerk von Wynaendts gelobt, hier habe das Geldhaus den größten Nachholbedarf. In der deutschen Politik sei die Bank mit Managern wie Vorstandschef Christian Sewing und seinem Stellvertreter Karl von Rohr bereits gut aufgestellt.

Druck der Aufseher

Die Finanzaufseher hatten in den vergangenen Monaten zunehmend auf eine Nachfolgeregelung gedrängt. Die Aufsicht wolle nicht, dass sich die Deutsche Bank zu viel Zeit mit der Personalie lasse, hatten mit dem Sachverhalt vertraute Personen dem Handelsblatt gesagt.

Den Bankaufsehern sei wichtig, dass ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin ausreichend Zeit habe, sich in die komplexen Themen einzuarbeiten. Es galt daher schon länger als wahrscheinlich, dass die Bank noch vor Jahresende eine Entscheidung treffen würde.

Die Bankenaufsicht blickt mittlerweile sehr genau darauf, wer in den Aufsichtsrat von Finanzinstituten einzieht und kann Personalentscheidungen im Extremfall auch ablehnen, wenn sie Kandidaten für fachlich nicht qualifiziert hält oder wenn sie Interessenkonflikte befürchtet.

Der amtierende Aufsichtsratschef wird im kommenden Jahr nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren. dpa

Paul Achleitner

Der amtierende Aufsichtsratschef wird im kommenden Jahr nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren.

Dies war bei der Deutschen Bank zuletzt bei der Berufung des mittlerweile verstorbenen Ex-UBS-Bankers Jürg Zeltner der Fall gewesen. Da die Aufsicht erst zu einem Zeitpunkt über die Personalie informiert wurde, als Zeltner schon im Aufsichtsrat saß, eskalierte der Konflikt damals. Der Manager zog sich daraufhin von dem Posten zurück und wurde später durch den SPD-Politiker Sigmar Gabriel ersetzt.

Weimer und Winkeljohann hatten abgesagt

Lange galten interne Kandidaten wie Deutsche-Börse-Chef Theo Weimer, der frühere VW-Finanzchef Frank Witter und der frühere Wirtschaftsprüfer Winkeljohann als mögliche Achleitner-Nacvhfolger. Weimer hatte allerdings wiederholt klargestellt, dass er seinen Vertrag bei der Deutschen Börse, der bis Ende 2024 läuft, erfüllen wolle. Winkeljohann hatte angedeutet, dass er sich mit seinem Posten als Aufsichtsratschef des Chemieriesen Bayer ausreichend ausgelastet fühle.

Mit der Nachfolgesuche hatte Achleitner schon früh die ehemalige Investmentbankerin Mayree Clark beauftragt. Clark hatte einen offenen Findungsprozess aufgesetzt und explizit klargemacht, dass sie auch externe Kandidaten unter die Lupe nehmen will.

Clark gilt als Expertin für gute Unternehmensführung. Nach ihrer Zeit als Investmentbankerin hatte sie den Investmentfonds Eachwin gegründet, der als Auswahlkriterium vor allem auf die Qualität des Managements setzt. „Ich freue mich sehr, dass Alex Wynaendts unsere Einladung angenommen hat, für den Aufsichtsrat der Deutschen Bank zu kandidieren und das hervorragende Team zu führen, das Paul Achleitner in den vergangenen Jahren aufgebaut hat“, sagte Clark jetzt.

Vorstandschef Christian Sewing erklärte, Wynaendts verfüge über große Erfahrung in der Finanzbranche und ein hervorragendes Netzwerk, nicht nur in Europa, sondern weltweit, und der scheidende Aufsichtsratschef Achleitner lobte, dass der Niederländer genau die richtige Persönlichkeit und Fähigkeiten für die neue Aufgabe mitbringe.

Der neue Aufsichtsratsvorsitzende würde wenige Monate nach einer Strategiepräsentation von Sewing übernehmen, in der er seine Vision für die Bank darlegen wird – nach einer vierjährigen, teilweise schmerzhaften Restrukturierung.

Achleitners Amtszeit läuft im Mai 2022 nach zehn Jahren an der Spitze des Kontrollgremiums aus. Er hatte bereits angekündigt, sich nicht zur Wiederwahl zu stellen. In Achleitners zwei Amtszeiten an der Spitze des Kontrollgremiums fallen Milliardenverluste durch Strafzahlungen für Verfehlungen der Investmentbanker in und vor der Finanzkrise, Geldwäscheskandale und zwei Chefwechsel.

Achleitner war bei den Großaktionären umstritten, überstand aber mehrere Versuche ihn aus dem Amt zu drängen. Ihm werden vor allem zögerliche Personalentscheidungen angelastet. Außerdem kritisierten Investoren, dass er zu lange auf eine breite Aufstellung im Investmentbanking gesetzt hat. Allerdings hat er mit der Berufung des aktuellen Vorstandschefs Sewing die Neuaufstellung der Deutschen Bank eingeleitet.

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