Die Société Générale wehrt sich gegen ein Urteil, das sie zu 22,9 Millionen Euro Schadensersatz an die Helaba verpflichtet. Viele Depotbanken zittern.
Düsseldorf Die Bank will das Urteil nicht akzeptieren, und ihre Sprecherin mag darüber auch gar nicht sprechen. „Wir können bestätigen, dass wir am 22. Mai 2018 Berufung eingelegt haben“, sagt Elke Pawellek von der Société Générale. Mehr sagt sie nicht. Dabei gebe es so viel zu erzählen. Die Niederlage der französischen Großbank gegen ihren ehemaligen Geschäftspartner, die Landesbank Hessen Thüringen (Helaba), wühlt eine ganze Branche auf.
Der Cum-Ex-Affäre, Europas größter Steuerskandal, geht ins sechste Jahr. Banken handelten Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch, so dass Finanzämter dabei eine nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach erstatteten. Zwölf Milliarden Euro soll der Schaden für die Allgemeinheit betragen. Nun gibt es ein Urteil, das den Schadensersatz vorläufig neu verteilt. Zig Banken müssen sich fragen, ob gewaltige Forderungen auf sie zurollen – oder ob sie selbst Ansprüche haben.
Die Société Générale ist erst mal auf der falschen Seite des Konflikts. „Die Bank hat den Einbehalt der Kapitalertragsteuer vorliegend unstreitig nicht vorgenommen. Nach dem Gesetz wäre sie dazu jedoch verpflichtet gewesen“, steht in dem Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 25. April 2018. Die Société Générale solle deshalb 22,9 Millionen Euro an die Helaba zahlen. So hoch war der Betrag, den die Landesbank samt Zinsen nach dem Auffliegen der dubiosen Cum-Ex-Geschäfte selbst an das Finanzamt nachzahlen musste.
Im Streit um Cum-Ex-Geschäfte triumphiert Helaba über die Société Générale: Sie muss 22,9 Millionen Euro zahlen. Das Urteil hat Signalwirkung.
Die Helaba brauchte drei Jahre, um den Schock inklusive Besuch von Steuerfahndung und Generalstaatsanwaltschaft zu verarbeiten. Dann klagte sie gegen die Bank, mit der sie die Cum-Ex-Geschäfte betrieben hatte: die Fimat.
Die ehemalige Tochter der französischen Société Générale fungierte bei dem Cum-Ex-Handel als Depotbank, als Verwahrungsstätte für Millionen von Aktien, die hin- und hergeschoben wurden, um die Steuererstattungen zu generieren. Dass die Depotbank dabei die Steuer gar nicht abführte, habe man nicht gewusst, sagt die Helaba.
Wusste sie wohl, sagt die Société Générale. Zur fraglichen Zeit, 2007, sei es bei den Depotbanken gängige Praxis gewesen, die Kapitalertragsteuer nicht einzubehalten. Dieser Umstand sei der Helaba bekannt gewesen. Deshalb will die Société Générale auch nicht für den Schaden der Helaba einstehen. Sie legte beim Oberlandesgericht Frankfurt Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ein.
Ein riesiges Schwarzer-Peter-Spiel hat begonnen. Viele Hundert Millionen Euro mussten Banken schon abschreiben, nachdem Finanzämter Steuerbescheinigungen ihrer Depotbanken nicht anerkannten. Bußgelder und Anwaltskolonnen für die Aufarbeitung des Schlamassels verdoppelten diese Kosten noch. Dass nun das Landgericht in Deutschlands Finanzzentrum Frankfurt die Schuld für die Misere bei den Depotbanken verortet, bedeutet für Dutzende anderer Banken einen Hoffnungsschimmer: Womöglich können sie die gewaltigen Lasten der Affäre abwälzen.
Schon berichten Insider mehrerer Geldhäuser, wie ihre Anwälte das wegweisende Urteil als Gebrauchsanleitung für ihre eigenen Cum-Ex-Probleme interpretieren. Die M. M. Warburg in Hamburg sieht ihre Depotbank in der Pflicht, und auch die Commerzbank prüft laut Finanzkreisen rechtliche Schritte. Beide Geldinstitute würden ihre Ansprüche an eine Adresse stellen: die Deutsche Bank.
Bei den Cum-Ex-Geschäften ließen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalertragsteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe ihrer Bank mehrfach erstatten.
Die mag das Urteil im Detail nicht kommentieren. Dass sie bei Cum-Ex-Geschäften als Depotbank beteiligt war, ist unstrittig. Auch Häuser wie die Hypo-Vereinsbank, die State Street und Caceis spielten diese Rolle – zu oft ausgezeichneten Konditionen. Nun droht Klage auf Klage.
Aber nicht von jedem. Auch die Dekabank musste in Sachen Cum-Ex 50 Millionen Euro abschreiben. Die Depotbank Caceis will sie trotz des Helaba-Urteils nicht in Anspruch nehmen. Man habe den Sachverhalt geprüft und keine durchsetzbaren Ansprüche erkannt, sagt ein Sprecher. So weit, so gut für die Caceis.
Experten warnen allerdings gleich vor dem nächsten juristischen Risiko. „Manager haben die Pflicht, die Interessen ihrer Aktionäre zu vertreten“, sagt ein Jurist, der solche Fälle prüft. Beißhemmungen gegenüber Geschäftspartnern seien da nicht erlaubt. „Wenn ein Vorstand die Chance nicht nutzt, sich die Kosten von den Depotbanken wiederzuholen, ziehen ihn im Zweifel die Eigentümer zur Rechenschaft.“
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