Der Europachef des milliardenschweren Fonds glaubt an Chancen in Europa. Dabei hat er mit einem deutschen Unternehmen eigentlich keine guten Erfahrungen gemacht.
Temasek Holdings
Temasek investiert rund 30 bis 35 Milliarden Singapur-Dollar pro Jahr, also ungefähr 20 bis 25 Milliarden Euro.
Bild: BLOOMBERG NEWS
Frankfurt Die drohende Rezession in Deutschland schreckt Investoren offenbar nicht ab – vor allem wenn es um Investitionen im Mittelstand und in börsennotierte Technologieführer geht. „Wir schauen uns derzeit ein halbes Dutzend deutsche Unternehmen genauer an“, sagt Uwe Krüger, Europachef von Temasek International, dem Staatsfonds aus Singapur.
Man habe großen Respekt vor der Leistung der Familienunternehmen, der Mittelständler und der Start-ups in Deutschland, sagt der 58-jährige Manager im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Staatsfonds wie Temasek gelten als eine der mächtigsten Investorengruppen überhaupt, und ihr Einfluss wächst weiter. Die verwalteten Vermögen sind laut dem Informationsdienst Preqin seit 2011 mit einer Jahresrate von acht Prozent auf 7,8 Billionen Dollar Ende 2020 gewachsen.
Temasek verwaltet ein Portfolio von 403 Milliarden Singapur-Dollar, umgerechnet sind das 297 Milliarden US-Dollar. Zwölf Prozent davon sind in Europa investiert. Im vergangenen Geschäftsjahr (31. März) erzielte Temasek eine Rendite von 5,81 Prozent.
Im Schnitt der vergangenen zehn Jahre waren es sieben Prozent und seit 20 Jahren acht Prozent. Zum Vergleich: Der norwegische Staatsfonds kam seit seiner Gründung 1998 auf 5,8 Prozent Durchschnittsrendite.
Als Musterbeispiel für seine Investmentstrategie nennt Krüger die Beteiligung an Hydrogenious LOHC Technologies. Das Unternehmen aus Erlangen hilft, Transportprobleme beim grünen Wasserstoff zu lösen.
Insgesamt gebe es im Leitindex Dax 40 und im MDax, dem Börsenbarometer für mittelgroße Werte, herausragende Technologie- und Industrieunternehmen. „Die Elektromobilität und Technologien, die zur Energiewende beitragen, sind hier zwei Bereiche, mit denen wir uns intensiv beschäftigen, wenn wir auf die beiden Indizes schauen“, sagt Krüger.
Europa sieht Temasek trotz des Ukrainekriegs und eines möglichen Konjunkturabschwungs im Gegensatz zu vielen anderen internationalen Großinvestoren unverändert positiv. Als sehr langfristiger Anleger wolle man hier auch in den kommenden Jahren stetig investieren.
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Neben Biontech, Hydrogenious Technologies und der Buchungsplattform Getyourguide gehören zum Temasek-Portfolio beispielsweise Investments in die Reiseplattform Omio, in Haldor Topsoe, ein dänisches Unternehmen für Chemiekatalysatoren und Energieumwandlungstechnologien, in Element Materials in Großbritannien (Prüflabore) sowie zwei Investments im Bereich Fusionsreaktoren. „Wir glauben an eine Zukunft der Fusionsenergie. Wir sind bereits an den Start-ups Commonwealth Fusion Systems sowie General Fusion beteiligt“, erklärt Krüger.
Temasek investiert rund 30 bis 35 Milliarden Singapur-Dollar pro Jahr, also ungefähr 20 bis 25 Milliarden Euro. Der Staatsfonds orientiert sich dabei an vier strukturellen Trends. Einmal ist das „Sustainable Living“, darunter fallen beispielsweise Investments in erneuerbare Energien, zweitens die Digitalisierung und drittens alles rund um den Begriff „Longer Lifespan“, wobei Temasek zum Beispiel der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Gesundheitsversorgung interessiert.
Und viertens fallen unter das Leitthema „Future of Consumption“ Investments in Plattformen wie die Buchungsplattform Getyourguide oder in die digitalisierte Landwirtschaft. Aber auch bei Temasek funktionieren nicht alle Investments, das gilt auch für einen deutschen Großkonzern.
Das bekannteste deutsche Investment von Temasek dürfte die Minderheitsbeteiligung an Bayer sein, mit der man lange Zeit nicht recht zufrieden war. „Bei Bayer stehen wir in konstruktivem Dialog mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden. Unsere Bedenken hinsichtlich der Performance des Unternehmens und der Aktie hat man voll verstanden“, sagt Krüger. „Es gibt aber noch eine Menge zu tun, nur etwa ein Drittel des Weges ist aus unserer Sicht geschafft.“
Wichtige Hausaufgaben gibt es aus Temasek-Sicht im Bereich Overhead-Kosten, der strategischen Fokussierung und der generellen Struktur des Unternehmens. Eine Aufstockung des Anteils von drei Prozent mit Stand 31. März 2022 ist derzeit nicht geplant.
Im kommenden Jahr brauchen die Portfolio-Unternehmen der Staatsfonds wegen der drohenden Rezession noch mehr Aufmerksamkeit. Deshalb hat Temasek zum Beispiel die Frequenz von Aufsichtsratssitzungen gesteigert.
Uwe Krüger
Der Temasek-Europachef sieht Europa trotz des Ukrainekriegs und eines möglichen Konjunkturabschwungs unverändert positiv.
Mit Sorge sehen viele Staatsfonds die Konfrontation zwischen Washington und Peking, das gilt auch für Temasek. „Was uns sehr umtreibt, sind die wachsenden Spannungen zwischen den USA und China. Darauf müssen wir uns einstellen und reagieren, derzeit befinden sich immerhin 22 Prozent des gesamten Portfolios in China.“
Allerdings warnt Krüger vor der Gefahr, dass der Megatrend nachhaltiges Investieren, also Anlagen in sogenannte ESG-Produkte, wegen der geopolitischen Verwerfungen in den Hintergrund gerät.
„Wir wollen die Netto-Kohlenstoffemissionen unseres Portfolios bis 2030 halbieren“, betont er. Das ist ein anspruchsvolles Ziel für den Staatsfonds, denn ihm gehört beispielsweise die Mehrheit an der Fluggesellschaft Singapore Airlines.
Die größte Panne der vergangenen Monate bei Temasek fand außerhalb von Krügers Region statt, aber der Kollaps der Kryptobörse FTX mit Sitz auf den Bahamas bereitet auch dem Europachef des Staatsfonds „Kopfzerbrechen“. Temasek musste das gesamte FTX-Investment von über 275 Millionen Dollar abschreiben.
Das werde sich zwar „nicht wesentlich auf unsere Gesamtperformance auswirken, aber wir nehmen jeden Investitionsverlust ernst und werden daraus unsere Lehren ziehen“, so Krüger.
Ungeachtet des Falls FTX hält Temasek die Blockchain-Technologie und Marktplattformen, die hinter Kryptowährungen wie Bitcoin stecken, nach wie vor für gute Investitionsfelder. Direkte Investments in Kryptowährungen wird es laut Krüger aber nicht geben.
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